Schleswig-Holstein: Neuwahlen um Staatsaffäre zu vertuschen?

HSH-Nordbank will Untersuchungsausschuss Aufsichtsratsprotokolle und Korrespondenz mit der Bundesregierung nicht herausgeben und spielt auf Zeit.

Es ist bemerkenswert still im Berliner Regierungsviertel bezüglich der Vorgänge um das so plötzliche Ende der grossen Koalition in Kiel. Das ist umso interessanter, wenn man bedenkt, dass heute in der „Welt“ (1) mit dem berühmten Hauptquartier in Berlin-Kreuzberg (nicht weit von der SPD-Zentrale) der Justiziar der HSH Nordbank lang und ausführlich erklären darf, warum die Staatsbanker dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Schleswig-Holstein wichtige Unterlagen verweigern wollen und sich dabei interessanterweise auf die Bundesregierung und deren Akten herausreden.

Es geht um, man höre und staune, 38 „Punkte“, deren Herausgabe die mehrheit in Länderbesitz befindliche HSH Nordbank dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Kiel da verweigern will. Was für den Rechtsanwalt der HSH-Nordbank, Wolfgang Gößmann, ein „Punkt“ ist, wird vorher erläutert: zum Beispiel die „Korrespondenz der HSH mit der Bundesregierung“. Ein weiterer die Korrespondenz „mit der Bankenaufsicht BaFin“, und ein weiterer die mit „dem Bankenrettungsfonds Soffin“. Wenn der Untersuchungsausschuss in Schleswig-Holstein diese Unterlagen haben wolle, dann solle dieser doch bei „Frau Merkel oder der BaFin nachfragen“, so der HSH-Anwalt.

Ein weiterer „Punkt“ seien die Aufsichtsratsprotokolle. Diese seien „Behördenunterlagen“, erklärt uns die „Welt“ (1). Eine mindestens interessante Formulierung.

Die Bafin hat der HSH 30 Milliarden Euro Steuergelder der Bundesbürger zur Verfügung gestellt. Davon hat die HSH Nordbank bereits 17 Milliarden Euro ausgegeben. Es wäre für die „Endverbraucher“ von Bundesbürger durchaus interessant zu erfahren, wofür eigentlich.

Hinzu kommen die in diesem Frühjahr bezahlten 3 Milliarden und „bereit gestellten“ 10 Milliarden Euro an Steuergeldern der Hamburger und Schleswig-Holsteiner für die mehrheitlich in Staatsbesitz befindliche Bank, die bereits im „regulären“ Betrieb 2007 eine Milliarde Euro und im Jahre 2008 schlappe 2.8 Milliarden Euro verbraten hat. Schon letzten Sommer bezahlten die Landesregierungen in Hamburg und Schleswig-Holstein – stellvertretend für die Eigentümer, die Bürger – zwei Milliarden Euro in das schwarze Loch der HSH. (2)

Macht summasummarum knapp 50 Milliarden Euro, welche die Bundesbürger für die eigene staatliche HSH Nordbank entweder bereits draufgezahlt oder „bereit gestellt“ haben. Und jetzt verweigert der Rechtsanwalt dieser Staatsbanker den staatlich-parlamentarischen Untersuchungsausschüssen die Herausgabe von Unterlagen mit der Begründung, diese seien „Behördenunterlagen“.

Einer der Hauptfiguren der Staatsaffäre ist der ehemalige Finanzsenator Ole von Beusts in Hamburg, Wolfgang Peiner (3). Im Wikipedia-Eintrag sind diverse brisante Tätigkeiten angedeutet, wie z.B. die Schatzmeisterei der CDU-nahen „Konrad-Adenauer-Stiftung“ in den Jahren 1995 bis 2001, also während der CDU-Spendenaffäre (4).
Auch die berüchtigte Berliner Bankgesellschaft AG (5), die wiederum mindestens 23 Milliarden der Berliner versenkte (die sich seitdem das linke Wort von der „Haushaltslage“ anhören müssen) findet sich im Lebenslauf dieses rechtschaffenen Finanzbeschaffers der alten Schule.

Man könnte meinen, der alte Philosoph Sokrates („Ich weiss, dass ich nichts weiss“), sei nur für dererlei staatliche Aktivitäten und deren verhinderte Aufklärer erfunden worden. Jedenfalls ist Wolfgang Peiner bis heute nicht durch die bemerkenswert trägen Staatsanwaltschaften in Hamburg und Schleswig-Holstein vernommen wurden, obwohl er doch, wie das „Hamburger Abendblatt“ (6) wusste „den amoralischen Gehaltzuschlag für Vorstand Dirk Jens Nonnenmacher“ mit eingefädelt hatte.

Der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der HSH Nordbank Peiner ist also offenbar, trotz seines Rückzuges als HSH-Aufsichtsratsvorsitzender diesen Februar, bis heute ein sehr einflussreicher Mann. Waren die 2.9 Millionen Euro, mit denen der erst seit November 2008 amtierende HSH-Vorstandsvorsitzende Nonnenmacher zum Bleiben bewogen wurde, eine Art Schweigegeld? Und warum löste CDU-Ministerpräsident Harry Carstensen ausgerechnet wegen dieser Zahlung an Nonnenmacher die Regierungskoalition in Schleswig-Holstein auf und belog zusammen mit seinem Finanzminister Rainer Wiegard das Parlament? (7)

Es war offenbar auch Hamburgs ex-Finanzsenator Wolfgang Peiner, der dem umtriebigen US-Milliardär und ex-Goldman Sachs-Partner J. Christopher Flowers im Jahre 2006 die 25 Prozent-Anteile an der HSH Nordbank zuschob. Auf „SpOn“ (8) konnte man am 23.Februar dazu folgende, zarte Andeutung lesen:

„Der Wirtschaftsprüfer und frühere Hamburger Finanzsenator Peiner hatte schon als CDU-Politiker maßgeblichen Einfluss auf die HSH Nordbank. Als Aufsichtsratschef wollte er dann das Geldhaus an die Börse führen. Als erste Landesbank hatte die HSH Nordbank einen privaten Anteilseigner aufgenommen.

Peiner wusste früh von den Risiken, das ist bekannt (3). Warum wird er nicht durch die Untersuchungsausschüsse in Kiel und Hamburg vernommen? Im Gegenteil, warum soll zumindest der parlamentarische U-Ausschuss in Schleswig-Holstein mit aller Gewalt durch baldige Neuwahlen beseitigt werden? Und was weiss die Bundesregierung?

Am 23.Februar hatte Peiner seinen Rücktritt als Aufsichtsratsvorsitzender angekündigt (7).
Am 26.Februar zeigten sich Hamburgs Bürgermeiste Ole von Beust und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident eng aneinander geschmiegt vor der Presse und redeten von einer Auflösung ihrer eigenen Bundesländer zugunsten eines „Nordstaates“. Auch hier erklärte die „Welt“ (9) die Welt:

„Die Rettungsaktion von Hamburg und Schleswig-Holstein für die HSH Nordbank hat eine neue Diskussion über den Nordstaat angefacht. SPD-Bundesfraktionschef Peter Struck, der heute in die Hansestadt kommt, sagte in Berlin, für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands müsse im nächsten Jahrzehnt die Zahl der Bundesländer reduziert werden.“

Struck nahm den heraufziehenden Skandal als Anlass, nach alter Manier der EU-Nationalisten und Bonner Republikaner nicht einen Misstand im Staat, sondern zu dessen Vertuschung gleich den ganzen Staat aufzulösen. Sofort verlangte er gleich die verfassungswidrige Destabilisierung der gesamten Bund-Länder-Struktur und bewarb seinen Staatsstreich „Föderalismusreform II“, die nun ausgerechnet mitten im Ausverkauf einer ganzen Generation von Deutschen mit dem Deppen-Begriff „Schuldenbremse“ für eine strukturelle Entmachtung der Länderparlamente sowie des Bundestages über die Staatsfinanzen sorgte (10).

Am 27.Februar nun stellte sich der schon 1980 im westdeutschen Bundestag sitzende SPD-Strippenzieher Struck vor die Presse und sagte (11):

„Ich bin fest davon überzeugt, unser Land wird nicht zukunftsfähig bleiben, wenn wir 16 Bundesländer haben, die sich noch nicht einmal im Bundesrat einigen können..In 20 bis 25 Jahren werden wir, wenn wir klug sind, keine 16 Bundesländer mehr haben, sondern nur zehn oder acht oder sieben.“

Morgen nun stimmt der schleswig-holsteinische Landtag über die von Harry Carstensen (CDU) selbst gestellte Vertrauensfrage ab. Ganz offensichtlich geht es dem Ministerpräsidenten wohl auch darum, über Neuwahlen elegant den HSH-Untersuchungsausschuss loszuwerden.

Anzunehmen ist, dass Carstensen letztlich par ordre de mufti das Parlament für aufgelöst erklärt. Dann entscheidet das Landesverfassungsgericht.

Wohl auch über die Zukunft des gesamten Bundeslandes Schleswig-Holstein.

(…)

Artikel zum Thema:
21.07.2009 Schleswig-Holstein: Entscheidung am Donnerstag
18.07.2009 Die Staatsaffäre HSH Nordbank: macht sie Ralf Stegner (SPD) zum Ministerpräsidenten?
10.03.2009 Der HSH-Coup und der Staatsstreich “Föderalismusreform II”

Quellen:
(1) http://www.welt.de/die-welt/article4165794/Streit-zwischen-HSH-Nordbank-und-Untersuchungsausschuessen.html
(2) http://www.welt.de/die-welt/article3563631/HSH-Nordbank-Aufsichtsrat-wusste-frueh-von-den-Risiken.html
(3) http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Peiner
(4) http://de.wikipedia.org/wiki/CDU-Spendenaff%C3%A4re
(5) http://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Bankenskandal
(6) http://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article1099190/HSH-Krise-Vom-Sanierer-zum-Pleite-Peiner.html
(7) http://www.radio-utopie.de/2009/07/18/die-staatsaffaere-hsh-nordbank-macht-sie-ralf-stegner-spd-zum-ministerpraesidenten/
(8) http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,609496,00.html
(9) http://www.welt.de/hamburg/article3273503/In-Schulden-vereint-Nordstaat-Debatte-entfacht.html
(10) http://www.radio-utopie.de/2009/03/10/der-hsh-coup-und-der-staatsstreich-foederalismusreform-ii/
(11) http://www.radio-utopie.de/2009/02/27/schlag-gegen-staatsstreich-foederalismusreform-bundesverfassungsgericht-setzt-grundgesetz-auch-in-bayern-durch/

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