AKW Biblis A: Straftat wegen unerlaubten Betriebes eines Kernkraftwerks?
Die Kanzlei Raue in Berlin hat ein von der LichtBlick AG beauftragtes Rechtsgutachten erstellt. Nach Anwendung aller gültigen Gesetze und Verordnungen ergibt sich eine Hürde für den genehmigten Betrieb des Atomkraftwerkes Biblis A.
In einer Presseerklärung der LichtBlick AG vom 22.September kann man die juristischen Finessen und Schlupflöcher nachverfolgen, wie es dazu kommen kann, dass für RWE ein spezieller Fall von Illegalität eintreten kann.
Es geht hier um eine von den Energiekonzernen RWE und E.ON vereinbarte Übertragung der Reststrommengen vom stillgelegten Atomkraftwerk Stade auf den Meiler Biblis A, die nicht rechtmässig sei. Die Vereinbarung verstösst gegen das Atomgesetz, das Wettbewerbsrecht und den zwischen der früheren rot-grünen Bundesregierung und den Konzernen vereinbarten Atomkonsens, hiess es in der Mitteilung und weiter wurde zu diesem Sachverhalt erklärt:
Das AKW Bilblis A stünde gemäß der im bislang gültigen Atomgesetz vereinbarten Reststrommengen vor der endgültigen Abschaltung. RWE hatte im Mai erklärt, man wolle den Betrieb des Meilers mit dem zusätzlichen Stromkontingent bis zur politischen Entscheidung über die Laufzeitverlängerung strecken. Die Bundesregierung hat sich mittlerweile auf eine Laufzeitverlängerung festgelegt und will in den kommenden Monaten ein entsprechendes Gesetz durch das Parlament bringen. Davon würde auch das Kraftwerk Biblis A profitieren, dessen Laufzeit um acht Jahre verlängert werden soll.
Mit der im Mai übertragenen Elektrizität von 4,8 Milliarden Kilowattstunden kann das AKW Biblis A in Volllast auch ohne Laufzeitverlängerung rund sechs Monate länger am Netz bleiben. Die Konzerne hatten weiterhin vereinbart, dass E.ON die Erzeugungskapazität bei Bedarf zurückkaufen kann.
Mit dem Energiehandel und der Rückkaufoption hätten beide Konzerne jedoch „gesetzesfremde Zwecke“ verfolgt, heißt ist in dem von LichtBlick veröffentlichten Rechtsgutachten: „E.ON und RWE wollen gemeinsam möglichst viele von der Abschaltung bedrohte KKWs in eine Zeit retten, in der der Gesetzgeber die vorgesehene Laufzeitbegrenzung rückgängig gemacht haben könnte. E.ON und RWE wollen damit ihre gemeinsame Marktstellung absichern.“ Das Atomgesetz diene dem geordneten Ausstieg aus der Atomenergie – dieser Zweck werde durch die Vereinbarung unterlaufen. Damit hätten die Unternehmen ihre marktbeherrschende Stellung missbraucht und die Marktchancen anderer Unternehmen gesenkt.
„RWE hat sich bei Eon eine Laufzeitverlängerung für Biblis A eingekauft. Die beiden mächtigsten Energiekonzerne haben Hand in Hand gearbeitet, um den maroden Meiler über die Zeit zu retten. Dieses Kalkül scheint dank angestrebten politischen Laufzeitverlängerung nun aufzugehen. Einmal mehr haben die Konzerne ihre Vormachtstellung auf Kosten des Wettbewerbs ausgenutzt“,
so Gero Lücking, Vorstand Energiewirtschaft von LichtBlick.
Strom aus abgeschalteten Meilern wie Stade dürfe ohnehin nicht auf andere Anlagen überschrieben werden, argumentieren die Gutachter.
Das Atomgesetz sehe lediglich die Übertragung von Reststrommengen zwischen laufenden AKWs vor. Weiterhin habe RWE im früheren Atomkonsens ausdrücklich auf die Übertragung von Reststrommengen auf Biblis A verzichtet. Sollte der Meiler mit den zusätzlichen Strommengen weiterbetrieben werden, entstehe zudem ein neues Betriebsrisiko, das durch die bisherigen Genehmigungen nicht gedeckt sei.
Die Gutachter folgern, dass der RWE-Meiler Biblis A unverzüglich abgeschaltet werden müsse, wenn die im Atomgesetz zugewiesenen Reststrommengen aufgebraucht sind und die anvisierte Laufzeitverlängerung noch nicht in Kraft ist. In diesem Fall läge keine gültige Genehmigung für einen Weiterbetrieb vor. Sollte Biblis A trotzdem am Netz bleiben, liege demnach eine Straftat wegen unerlaubten Betriebes eines Kernkraftwerks vor.
Zum Gutachten:
Das Rechtsgutachten „Übertragung von Reststrommengen aus dem Kernkraftwerk Stade auf das Kernkraftwerk Biblis A – Atom-, kartell- und wettbewerbsrechtliche Analyse“ kann unter www.lichtblick.de/medien abgerufen werden.
Quelle: http://www.lichtblick.de/h/aktuell_361.php?id_rec=190