Briten zwei Schritte vor, einen Schritt zurück.

Ein Kommentar zum Radio-Utopie Artikel „Festschreibung der Souveränität Grossbritanniens über EU-Vertrag in Gesetzbuch“

Das ist nun das dritte Land, wo man sich am Lissabon-Urteil orientiert. Auf die Vefaasungsbeschwerde zu Az. 2 BvR 1958/08 hin hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass das höchste Recht in Deutschland die Grundrechte und Strukturprinzipien des Grundgesetzes sind. An zweiter Stelle kommen die europäische Integration (Art. 23 GG, also überhaupt bei der EU dabei zu sein) und das Friedensgebot (Art. 1 Abs. 2 GG), dann erst die Vorschriften aus den Verträgen der EU, soweit es sich nicht um Außen- und Sicherheitspolitik handelt.

Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Deutschland ein souveräner Staat ist und die EU nur autonom. Logisch, denn Deutschland hat im Gegensatz zur EU ein eigenes Volk, und nach der existentiellen Definition (Drei-Elemente-Lehre) der Staatlichkeit gibt es keinen Staat ohne Volk. Die anderen beiden Elemente sind eine eigene Rechtsordnung (hat die EU, wenn auch nur autonom) und ein eigenes Territorium (hat die EU laut dem Lissaon-Urteil nicht).
Diese Entscheidung beruhen auf meiner Verfassungsbeschwerde.

Dr. Gauweilers Verfassungsbeschwerde, die von Prof. Schachtschneider ausgearbeitet und von Prof. Murswiek vor Gericht vertreten wurde, hat die Teile des Urteils erreicht, wo die Machtübertragung auf die EU eingegrenzt wurde.
Dazu gehört, dass bei allen Selbstermächtigungsklauseln des Lissabon-Vertrag die Zustimmung des Bundestags für jede Anwendung diese Klauseln erforderlich ist.

Und Dr. Gauweiler hat die Feststellung erreicht, dass die EU kein eigenes Territorium hat. Wir haben einander gut ergänzt.

Nach dem Beispiel des Lissabon-Urteils setzte das lettische Bundesverfassungsgericht am 22.12.2009 der Anwendung des EU-Rechts Grenzen anhand der Souveränität (ein Strukturprinzip der lettischen Verfassung) sowie der Menschenwürde und der sozialen Sicherheit (zwei Grundrechte der lettischen Verfassung). Die Orientierung am Lissabon- Urteil ist offensichtlich. In Lettland ging es um Kreditauflagen von EU und IWF, die von Lettland Rentenkürzungen verlangten.

Im Juni 2010 setzte das rumänische Bundesverfassungsgericht der Anwendung des EU-Rechts Grenzen. Rentenkürzungen, die EU und IWF als Kreditauflagen verlangten, wurden vollständig für verfassungswidrig erklärt. In Rumänien liegt die Durchschnittsrente bei 180,- Euro.

Und jetzt wollen die Tories in Großbritannien klarstellen, dass ihr Land ein souveräner Staat (und die EU also nicht), und dass sie jede Machtübertragung auf die EU auch wieder rückgängig machen können.
Und bei jeder Anwendung der Selbstermächtigungsklauseln soll in Großbritannien eine Volksabstimmung stattfinden müssen. Das mit der Volksabstimmung ist deutlich mehr als im Lissabon-Urteil und dürfte sich an der Rechtsprechung des irischen Bundeverfassungsgerichts orientieren.

Ein entscheidender Punkt fehlt allerdings bei der Initiative der Tories: Sie sehen gar kein Recht auf der nationalen Ebene, auch nicht die Bill of Rights, als höherrangig im Vergleich zum EU-Recht an. Damit haben sie kaum Schutzmechanismen vor dem EU-Recht, dem sie einmal zugestimmt haben, und zu dem sie die Zustimmung noch nicht wieder gekündigt haben. Im Gegenteil: Sie wollen einen Vorrang des EU-Rechts auch noch ausdrücklich anerkennen. Leichtsinniger ist nur noch Art. 29 Abs. 4 Nr. 10 der irischen Verfassung, der gleich sämtliches EU-Recht über die irische Verfassung stellt.

Quellen:

http://www.radio-utopie.de/2010/10/07/festschreibung-der-souveranitat-grossbritanniens-uber-eu-vertrag-in-gesetzbuch/#comment-20312

http://www.guardian.co.uk/politics/2010/oct/06/conservatives-hague-eurosceptic-conference-speech

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