Zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und zur rechtlichen Aufarbeitung des Polizeieinsatzes vom 30. September 2010
Die „Juristen zu Stuttgart 21“ sind ein unabhängiger Arbeitskreis von zurzeit etwa 30 Juristinnen und Juristen unterschiedlicher Berufsgruppen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Diskussionen über Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21 zu versachlichen.
Die Ereignisse des 30. September 2010 sind mit dem Projekt Stuttgart 21 eng verknüpft.
Entgegen wiederkehrender Ausführungen seitens Teilen der Politik und seitens der Polizei war die Räumung des Mittleren Schlossgartens durch die Polizei zur Ermöglichung der Baumfällarbeiten rechtswidrig. Die Polizei hat nicht berücksichtigt, dass im Mittleren Schlossgarten eine grundrechtlich geschützte Spontandemonstration stattgefunden hat. Solange sich die Demonstranten aber auf das Versammlungsgesetz berufen können, findet das Polizeirecht keine Anwendung. Die Polizei war außerdem für eine Auflösung der Spontandemonstration nicht zuständig. Aufgrund der Fortgeltung des Versammlungsgesetzes durfte kein unmittelbarer Zwang durch Einsatz von Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcken ausgeübt werden. Darüber hinaus waren die Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs auch unverhältnismäßig. Ein solch schwerer Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Versammlungsfreiheit lässt sich mit Provokationen durch Einzeltäter juristisch nicht rechtfertigen.
Die vollständige Stellungnahme des Arbeitskreises finden Sie hier (1).
Die „Juristen zu Stuttgart 21“ begrüßen daher die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch den Landtag des Landes Baden-Württemberg.
Die „Juristen zu Stuttgart 21“ fordern sowohl die Landesregierung als auch die im Landtag vertretenen Parteien auf, die Arbeit des Untersuchungsausschusses konstruktiv zu unterstützen. Die Klärung der politischen Verantwortung ist vor allem für die vielen Verletzten, aber auch für die Polizeibeamten, die von der Politik gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt wurden, von großer Bedeutung. Da der Untersuchungsausschuss mit Ablauf der Wahlperiode automatisch endet (Diskontinuität), wäre seine Verschleppung bis zur Landtagswahl im März 2011 ein Signal an die Bevölkerung, dass die Regierungsparteien kein Interesse an der Aufklärung haben.
Neben der Aufarbeitung der politischen Verantwortung für den Polizeieinsatz am 30. September 2010 in einem Untersuchungsausschuss erwarten die „Juristen zu Stuttgart 21“ eine objektive Aufarbeitung durch die Justiz. Berichte, dass Polizeibeamte, die sich kritisch zu dem Einsatz und zu den Verantwortlichkeiten äußern, starkem Druck innerhalb ihrer Behörde ausgesetzt werden, wecken Zweifel am Aufklärungswillen der Verantwortlichen. Auch hier ist die Landesregierung gefordert, eine objektive juristische Aufarbeitung zu unterstützen und nachgeordnete Behörden dazu anzuhalten.
Die sorgsame Aufarbeitung der Räumung des Mittleren Schlossgartens vom 30.September 2010 hat letztlich der Gewissheit der Bürger zu dienen, dass sie von ihrem Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit Gebrauch machen können und dabei – so wie es das Versammlungsgesetz auch vorsieht – durch staatliche Organe geschützt werden.
Quellen:
(1) http://www.juristen-zu-stuttgart21.de/Stellungnahme_30.09.2010.html