De Maiziere macht den Terror-Affen für Vorratsdatenspeicherung und Musikindustrie

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) warnt vor einem „Terroranschlag“ im Inneren der Republik noch diesen November. Der Hintergrund ist so simpel wie unschrecklich: die Musikindustrie will ihre Vorratsdatenspeicherung wiederhaben.

Seit Monaten schon blaffen und bluffen CDU und CSU, um FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger für eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung weich zu kochen. Doch die bleibt standhaft. Nun also das: Innenminister de Maiziere warnt vor einem „Terroranschlag“ in Deutschland – und das noch in diesem November. Man habe, so de Maiziere, Hinweise „ausländischer Partner“ und natürlich wäre das Ganze ein Plan „islamistischer Gruppen“.

Logisch ist das alles nicht. Es fehlt jedes Motiv für irgendein Attentat auf deutschem Boden, es sei denn eben für die Implementierung neuer Gesetze und Ermächtigungen gegen die gesamte Bevölkerung. Diese dienen nicht nur dem Überwachungsstaat.

I

In Brüssel verlieren Räte und Kommissare der „Europäischen Union“ mittlerweile die Kontrolle über ihre Mitgliedsstaaten: sechs Staaten verweigern die Umsetzung der 2006 durch den Regierungsrat erlassene Direktive (Richtlinie) zur Vorratsdatenspeicherung, in zwei weiteren Staaten (Deutschland und Rumänien) hoben die Verfassungsgerichte die gesetzliche Umsetzung auf. Nun versucht man sich in Brüssel derzeit im Regierungsrat auf eine neue Direktive zu einigen. Derweil stützt Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger die Freiheit der EU-Mitgliedsstaaten selbst über eine Vorratsdatenspeicherung zu entscheiden – wenn sie denn notwendig sein sollte.

Doch genau das können das Bundesinnenministerium, kann die Geheimpolizei BKA und der ausführende Minister Thomas de Maziere nicht belegen, geschweige denn beweisen.

Gegenüber Datenschützern und Bürgerrechtlern konnte das Innenministerium de Maizieres nicht ein einziges Beispiel nennen, was es denn mit der sagenhaften „Schutzlücke“ auf sich habe, von dem Geheimpolizei BKA und Ministerium immer schwadronieren: (2)

„Bundesinnenminister de Maizière, der im Oktober mit Zahlen des Bundeskriminalamts eine „Schutzlücke“ durch das Ende der Vorratsdatenspeicherung nachweisen wollte, muss auf Nachfrage nun einräumen, nicht zu wissen, ob das Bundeskriminalamt die öffentlich beklagte Zahl erfolgloser Verbindungsdatenabfragen durch erkennbar aussichtslose Ersuchen in die Höhe getrieben hat.“

II

Seit Jahren ist es ein offenes Geheimnis: Internet-Sperren und Vorratsdatenspeicherung sind nicht nur Elemente einer autoritären Kontrollmacht des Überwachungsstaates, sondern ebenso Instrumente einer abgetakelten, feudalen und ausbeuterischen Musikindustrie zur Sicherung ihrer monopolisierten Vertriebswege und Profite.

Nachdem die große Berliner Regierungskoalition aus SPD, CDU und CSU zuerst selbst 2006 in den Brüsseler Räten selbst die entsprechende Direktive erlassen und dann mit sich selbst begründener Logik in Berlin vorm Bundestag die Umsetzung Brüsseler Beschlüsse angemahnt hatte, wurde 2007 still und heimlich der Informationskrieg „gegen den Terror“ auf einen Monopolkrieg gegen die Besucher von Musiktauschbörsen ausgeweitet. Die Musikindustrie klatschte ob dieser Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung Beifall. (3)

Es geht nicht um den immer wieder bejammerten Tausch von „Content“, der pro im Laden für 10 Euro verkaufter CD durchschnittlich 70 Cent für die Künstler übrig lässt; Vorratsdatenspeicherung und Internet-Sperren sind Kontrollmaßnahmen um das Aufblühen einer neuen, unabhängigen Arbeits- und Handelswelt zu ersticken. Künstler wollen weiter zur Abgabe exklusiver Lizenzen an Musikverlage und Verwertungsgesellschaft erpresst werden, willkürlich Gebühren und Kosten tragen müssen und die eigene Musik auf der eigenen Webseite nicht einmal anhören lassen, geschweige denn zum Verkauf anbieten dürfen.

Doch genau das ist der Albtraum der Musikindustrie: Wegelagerer, deren Weg kein Mensch mehr braucht, weil Freie Künstler mit ihrer eigenen Musik Handel treiben und diese auf der eigenen Seite verkaufen dürfen.

Eng verflochten mit dieser Schreckensvision der Musikindustrie: der zur Zeit laufende Zusammenbruch der Informationsindustrie und ihrer monopolisierten „Medien“ in den Bereichen TV / Video, Radio und Zeitung. Ebenfalls vor dem Zusammenbruch: die Filmindustrie, ebenso ein letzter Pool legaler Sklaverei in der Postmoderne.

III

Alles bewegt sich zur Zeit in Richtung einer neuen Gründerzeit. Die neuen Geschäftsmodelle der „Musik im Web 2.0“ sind selbst bei den Vollpoppern angekommen (4). Und die Kandidatin für das Amt der Berliner Oberbürgermeisterin, Renate Künast, macht in neuesten Interviews mit den neokonservativen Megafonen (5) deutlich, dass die derzeit in den Umfragen ballistisch werdenden Bündnis 90/Die Grünen ernsthaft mit Künstlern eine Neufassung des Urheberrechtes und Neugestaltung der bislang repressiven staatlichen Internet-Gesetzgebung planen. Für die Künstler der Republik wäre dies eine Befreiung, für die Ausbeuter der Industrie eine Katastrophe.

Darum geht es bei der Vorratsdatenspeicherung in Wirklichkeit. Darum geht es bei dieser Angst-Kampagne zu ihrer längst gescheiterten Durchsetzung. Und genau das ist auch der Hintergrund des wirklichen Kulturkampfes, der sich hier abspielt und in der Bundesinnenminister Thomas de Maiziere nur den Terror-Affen einer niedergehenden Kontrollstaates und einer ausbeuterischen Monopol-Industrie markiert.

Update 22 Uhr

Und wer kommt da nun „exklusiv“ um die Ecke gekrochen? Die „Financial Times Deutschland“ (6):

„Vorratsdatenspeicherung: Union drängt FDP zu schärferen Sicherheitsgesetzen
Die Terrorgefahr in der Republik steigt – Innenpolitiker der Union bringen deshalb das Thema Vorratsdatenspeicherung wieder auf den Tisch. Zudem fordern sie eine engere Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten.“

Hab ich Euch wieder mal erwischt, Ihr kleinen Schlemihls.

(…)

Quellen:
(1) http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/cdu-innenminister-de-maiziere-warnt-vor-terroranschlag-noch-diesen-monat_aid_572972.html
(2) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15861
(3) http://www.heise.de/newsticker/meldung/Musikindustrie-fuer-Ausweitung-der-Vorratsdatenspeicherung-138337.html
(4) http://hamburg.prinz.de/veranstaltungen/alles-wunderbar-musik-im-web-20-special-events-weitere,959847,1,EventSchedule.html
(5) http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,728889,00.html
(6) http://www.ftd.de/politik/deutschland/:vorratsdatenspeicherung-union-draengt-fdp-zu-schaerferen-sicherheitsgesetzen/50195720.html

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