General Sir Peter Walls unmilitärische Angst vor BBC-Drama

Chief of the General Staff der British Army verliert sein cooles britisches Understatement wegen imaginären Schicksalen, dargestellt von Film-Mimen

Der Sender BBC verteidigte die Ausstrahlung eines sechsteiligen Dramas von Jimmy McGovern über Mobbing von Soldaten der britischen Armee in Afghanistan.

Hierbei handelt es sich um eine rein fiktive Geschichte, die keine echten Vorfälle dokumentiert sondern das Thema über Schuld und Sühne psycholgisch aufbereitet. Dennoch hat McGovern mit diesem Filmbeitrag schon im Vorfeld einen ausserordentlich wunden Punkt getroffen, denn in den höchsten Armeekreisen des Landes ist man alarmiert und versucht die Sendung, die am Montagabend, den 22.November ausgestrahlt werden soll, zu verhindern.

Die Story handelt von einem perversen Gefreiten, der darauf aus ist, seine Mannschaftseinheit in Killer-Maschinen zu verwandeln. Wer nicht spurt, wird durch Mobbing dazu getrieben oder fertiggemacht. Ein junger Soldat wird dargestellt, der dadurch in den Selbstmord getrieben wird. In einer Szene hat er menschliche Exkremente über sich geworfen.

General Sir Peter Wall, Chef des Generalstabs, erklärte in einem Schreiben an den BBC-Generaldirektor Mark Thompson, dass das Drama „zutiefst beleidigend“ und “ geschmacklos “ für die aktiven Soldaten und deren Familien ist und würde es bevorzugen, das „irreführende und ungenaue“ Programm fallenzulassen.

Die BBC erklärte, dass man nicht die Absicht habe, diejenigen, die in Afghanistan dienen zu beleidigen und betonte, dass es sich ein Werk der Fiktion handelt. Der Beitrag mit Stars wie Mackenzie Crook als Mobbing-Gefreiter würde wie geplant stattfinden.

„Bei der Unterstützung dieser neuen Drama-Serie vom preisgekrönten Autor Jimmy McGovern wurde deutlich gemacht, dass der Angeklagte ein Werk der Fiktion ist. Es ist in keiner Weise ein Versuch, die Soldatinnen und Soldaten der britischen Armee zu verunglimpfen“

sagte eine Sprecherin des Senders. Thompson habe General Wall eine Antwort übermittelt, deren genaue Einzelheiten man nicht kommentieren wolle. (1) Möglicherweise sind diese zu unbritisch für adlige hochdekorierte Kriegsorden-Ohren.

McGovern verdeutlichte, dass es ihn als Dramatiker interessiert hat zu untersuchen, unter welchen mentalen Voraussetzung Soldaten bereit sind zu töten.

„Es ist nicht meine Absicht, britische Soldaten zu verleumden, für die ich den grössten Respekt habe.

Im Mittelpunkt des Dramas steht mein Glaube an die Heiligkeit des Lebens“,

so der Dramatiker zu den Vorwürfen der Militärs.

Die hohe Militärleitung zeigte sich alarmiert, als sich Radio Times in Vorab mit einer Anfrage zu einer Filmrezension mit Oberst Tim Collins, der im Irak gedient hat, in Verbindung gesetzt und dieser daraufhin die DVD in das Verteidigungsministerium geschickt hatte.

„Es hat keinen Sinn, ausser dem Versuch mit dem Angeklagten zu schocken. Und meine Sorge ist, dass die Eltern und Partner der Soldaten in Afghanistan dies als in irgendeiner Weise als glaubhaft betrachten werden“,

sagte der kriegserfahrene britische Oberst und führte weiter selbstgefällig aus, dass „Mobbing ebenso wie Drogen niemals toleriert wird.

Der Standard der Disziplin, aber auch echte Kameradschaft ruft den Neid der Streitkräfte hervor, mit denen wir zusammen arbeiten.“

Anfang September ging die Meldung durch die Presse, dass zwölf US-Soldaten des 5. Stryker Brigade Combat Teams, das in Fort Lewis in der Nähe von Tacoma, Washington, seinen Basisstützpunkt hat, nach ihrem einjährigen Einsatz in Kandahar in den USA vor einem Militärgericht in 76 Punkten angeklagt wurden. (2)

In dem von dem Verteidigungsministerium veröffentlichten Dokumenten zu den Anklagepunkten offenbaren sich die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele und wozu diese unter bestimmten Umständen fähig ist. Dazu zählen die Ermordung afghanischer Zivilisten, Leichenschändung, Sammeln und Fotografieren der abgeschnittenen Körperteile als Kriegstrophäe, Drogenmissbrauch, Abfassen falscher Berichte, Falschaussagen gegenüber militärischen Ermittlern und Gewalttaten gegen Kameraden.

Stabsunteroffizier Calvin R. Gibbs war der Anführer zur Organisation eines „Killerteams“.

Jimmy McGovern liegt durchaus nicht im Bereich der Fiktion mit seinem Drama, auch wenn es eine andere Armee thematisiert. Die Realität in der US-Army übertrifft seine Erzählung bei Weitem und es gibt keinen einzigen Grund, diese Verbrechen nicht darzustellen.

Die Diskussionen zur Verhinderung und die Sensibilität zum Erkennen der Anfänge können nicht ohne derartige Filme in der breiten Öffentlichkeit geführt werden, wenn diese Taten nicht in das Bewusstsein der Bevölkerung dringen, die so etwas nicht für möglich hält. Zudem brauchen die Betroffenen eine Rückendeckung ausserhalb ihrer hierarchisch organisierten Einheit, um sich bei Problemen an einen anderen unabhängigen Personenkreis wenden zu können, der nicht ihr interner Vorgesetzter ist.

Die Anzahl der Selbstmordrate in der US-Armee ist erschreckend hoch genauso wie die psychologischen Erkrankungen der Soldaten und Offiziere, die sich oft noch jahrelang in ärztliche Behandlung geben müssen. Dafür gibt es ja Gründe.

Jede Armee ist in ihren Strukturen des Befehlens und unbedingten Befolgen der Kommandos gleich aufgebaut, das geht vom Rekruten die Rangordnung hoch bis zum Stab.

General Wall sollte sich nicht hinstellen und so tun, als wäre die British Army eine Ausnahme und ein Hort von lauter Engeln. Damit erstickt Wall jede gesunde, mit Abstand betrachtete Auseinandersetzung zum Thema, wozu es, nun ja – nach seinen Worten in seiner Armee keinerlei Grund gibt…the army has nothing to do with making it.

Also hat der adlige General ja nichts zu befürchten, wenn unerwarteterweise doch Reaktionen auf die Ausstrahlung des Dramas kommen sollten, nicht wahr?

Als in mehreren Kriegen erfahrener alter Kämpfer ist es höchst unbedacht, die schützende Deckung zu verlassen und sich auf das freie Feld der unberechenbaren Öffentlichkeit, die keine Kriegsspielregeln einhalten muss, zu wagen.

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15.08.2010 Selbstmorde beim Militär und belastete Gewissen
23.10.2010 391832 US-Reports des Irak-Krieges online auf Wikileaks
05.03.2010 Brown: Kannte geheimes “Optionen”-Dokument aus März 2002 nicht
25.12.2009 US-Navy: Selbstmordversuche innerhalb von drei Jahren fast verdreifacht

Quellen:
(1) http://www.guardian.co.uk/uk/2010/nov/21/bbc-defends-jimmy-mcgovern-army-drama
(2) http://www.wsws.org/de/2010/sep2010/afgh-s17.shtml

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