Ausspionieren von Bürgerin durch Eisenach rechtswidrig

Eine Frau klagte aus Prinzip um ihr Grundrecht und bekam im Grunde letztendlich doch noch recht

Am 25.November hat der 3. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts in zweiter Instanz die Beschattung einer Bürgerin durch einen Sozialdetektiv für rechtswidrig erklärt.

Der sich über sieben Jahre lang hingezogene Fall zeigt, dass Bürger sich nicht alles von den Behörden gefallen lassen müssen, auch wenn sie der Meinung sind, das ein Beschreiten des Rechtsweges aussichtslos scheint.

Eine alleinerziehende Mutter von zwei Kindern hatte von der Stadt Eisenach ab dem 1.Mai 2001 den Kindertagsstättenbeitrag für ihre älteste Tochter erstattet bekommen.

Die Behörde mutmasste nun, dass die Frau in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft leben könnte und liess diese ohne ihr Wissen von Mai bis September 2002 von einem Aussendienstmitarbeiter ausspionieren. Besonders peinlich war für die Betroffene ausser der Observierung ihrer Wohnung die Befragung der Nachbarschaft über ihre Beziehung und Kontakte zu dem Vater des Kindes und wie oft er sich in ihrer Wohnung aufhielt.

Die Stadt Eisenach ging aufgrund der Ermittlungen zunächst vom Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft aus und stellte die Übernahme der Kindergartenbeiträge ein, da die Klägerin keine Angaben zum Einkommen des Kindesvaters machte. Nachdem die Klägerin dagegen Widerspruch erhoben hatte, übernahm die Stadt die Beiträge wieder.

Damit wollte es die Mutter nicht bewenden lassen, wie eine höchst Kriminelle nach Art des Verfassungsschutzes von ihrer Stadtverwaltung beschattet worden zu sein und reichte beim Verwaltungsgericht Meiningen Klage ein. Dieses sollte feststellen, dass die Observierungen rechtswidrig waren.

Das Verwaltungsgericht entschied sich dafür, dass diese Form des demütigenden Ausspionierens völlig in Ordnung sei und wies die Klage durch Gerichtsbescheid vom 06.11.2006 ab.

Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hatte im Jahre 2008 die Berufung der Klägerin zugelassen und entschied gestern in der mündlichen Verhandlung zu Gunsten der Mutter.

In dem Urteil hiess es, dass die verdeckten Ermittlungen des Aussendienstmitarbeiters die Klägerin in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzten, da sie von keiner gesetzlichen Grundlage gedeckt gewesen seien.

Nach der einschlägigen Regelung der Datenerhebung in § 62 Abs. 3 SGB VIII dürften Sozialdaten nur unter ganz eingeschränkten Voraussetzungen ohne Mitwirkung des Betroffenen erhoben werden, die hier aber nicht erfüllt seien.

Insbesondere sei nicht erkennbar, dass eine Datenerhebung bei der Klägerin selbst (etwa durch eine eingehende Befragung) unmöglich gewesen wäre.

Der MDR hat unter diesem Link zwei Videos zu dem Fall veröffentlicht. In einem wurde der Rechtsprofessor Wolfhard Kothe von der Martin-Luther-Universität Wittenberg zu seiner Einschätzung gefragt. In dem anderen Beitrag spricht der Rechtsanwalt Jörg Hansen der Klägerin.

Für die Stadt Eisenach ist dieser Gang durch alle Instanzen ein teuerer Weg für ihren Umgang mit ihrer Bürgerin geworden und muss für sämtliche Gerichtskosten abgesehen von der Finanzierung des Detektivs aufkommen.

Vor Gericht sagte ein Vertreter der Stadt, dass Eisenach diese Praxis inzwischen längst aufgegeben hat.

Quelle: Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 25.11.2010 – 3 KO 527/08 –
Vorinstanz: Verwaltungsgericht Meiningen, Gerichtsbescheid vom 06.11.2006 – 8 K 119/03.Me –
http://www.thovg.thueringen.de/

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