… je nachdem, welche Interessen in Deutschland verfolgt werden.
Wenn es um Gesetze und Massnahmen geht, den sozialen Abbau und die Bevölkerungskontrolle zu rechtfertigen, berufen sich Regierung und Verbände auf die Europäische Union mit den Brüsseler Richtlinien als alleingültigen juristischen Hafen und scheuen sich nicht davor, Artikel des Grundgesetzes willkürlich in ihrem Sinne zu verändern.
Bezieht sich jedoch eine einzelne Lehrerin in ihrer Not auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und erhält von einem Verwaltungsgericht in Deutschland auch noch Recht, dann ist Europa auf einmal nicht zuständig:
Das Bundesverfassungsgericht hatte in mehreren Entscheidungen, etwa im Beschluss des zweiten Senates vom 14.10.2004 – 2 BvR1481/04 – festgestellt, dass die Europäische Menschenrechtskonvention in der deutschen Rechtsordnung im Range eines einfachen Bundesgesetzes steht und damit unter der Ebene der Verfassung. Das Bundesverfassungsgericht hat weiterhin festgestellt, dass bei der Einbeziehung von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu berücksichtigen ist, ob es sich bei dem einschlägigen nationalen Regeln um ein ausbalanciertes Teilsystem des innerstaatlichen Rechts handele, das verschiedene Grundrechtspositionen miteinander zum Ausgleich bringen will. Genau dies ist im Zusammenspiel von Art. 33 Abs. 5 GG und der Koalitionsfreiheit in Art. 9 Abs. 3 GG der Fall.
(Deutscher Beamtenbund) (2)
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat der Klage einer verbeamteten Lehrerin stattgegeben, die gegen die verhängte Disziplinarverfügung der Bezirksregierung Köln und die damit verbundene Zahlung von 1500 Euro mit Hilfe der GEW Widerspruch eingelegt hatte.
Die Lehrerin hatte sich im Januar und Februar 2009 an drei Tagen an Warnstreiks der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft beteiligt.
Am 15.Dezember 2010 hat die 1. Landesdisziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf diese Disziplinarverfügung aufgehoben – Aktenzeichen: 31 K 3904/10.O.
„Bei der Teilnahme an den Warnstreiks handele es sich zwar um ein Dienstvergehen, weil es zu den im Grundgesetz verankerten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehöre, dass Beamte nicht streiken dürften. Nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg verstoße die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen gegen bestimmte Beamtengruppen, insbesondere Lehrer, wegen Teilnahme an Streiks jedoch gegen die in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Koalitionsfreiheit. Diese Rechtsprechung sei im Rahmen der völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Disziplinarrechts zu berücksichtigen.“
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig:
„Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat die Kammer die Berufung gegen das Urteil beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zugelassen.“ (1)
Der Bundesvorsitzende Peter Heesen vom Deutschen Beamtenbund erwartet von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, dass sie gegen diese Entscheidung Berufung einlegt und kommentierte am 17. Dezember dieses Urteil in den folgenden Statement:
„Ein sinnvolles Berufsbeamtentum gibt es nur ohne Streikrecht und nur so sichern wir die flächendeckende und kontinuierliche Funktionsfähigkeit des Staates. Die Richter des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts haben den Artikel 33 Grundgesetz völlig außer Acht gelassen. Wir wollen jedenfalls nicht, dass Schulen bestreikt werden. Das verletzt gleichzeitig das Schülerrecht auf Bildung und das Elternrecht auf verlässliche Betreuung der Kinder.“ (2)
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat, wie oben in der Presseerklärung des Gerichtes zu sehen ist, den Artikel 33 des Grundgesetzes nicht übersehen wie von Heesen unterstellt wurde.
Die Richter haben ihren gesunden Menschenverstand zu Gunsten der zivilen Courage und Solidarität einer Beamtin sprechen lassen und beachtet, dass bald ganz Europa wegen der Rettung des heiligen Bankentums brennt während die Bildung wegen angeblichen Geldmangels verkommt. Die Folgen der Haushaltsmittelkürzungen an den Schulen spüren neben Schülern, Eltern und den unverbeamteten Lehrern auch verbeamtete Lehrer. Die heftigen Schüler- und Studentenproteste mit ihren Forderungen an die Politik der vergangenen Monate, die von Eltern und der Lehrerschaft unterstützt worden sind, sprechen eine deutliche Sprache wie es um das Bildungssystem in Deutschland bestellt ist. Umgekehrt unterstützten Schülerverbände die Streiks der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).
Ilse Schaad, Leiterin des Vorstandsbereichs Angestellten- und Beamtenpolitik der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), sagte 16.Dezember in Frankfurt a.M., dass in mehreren Bundesländern wie Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hessen und Bremen ähnliche Klagen anstehen:
„Das Urteil ist ein richtungsweisender Schritt auf dem Weg zum Streikrecht für Beamtinnen und Beamte in Deutschland. Jetzt ist der Gesetzgeber gefordert, die nationale Rechtslage den europäischen Standards in der Rechtsprechung anzupassen. Wir sind sicher, dass am Ende der juristischen Auseinandersetzungen das Streikrecht für Beamtinnen und Beamte bestehen wird. Die Arbeitgeber sollten deshalb verbeamtete Lehrkräfte nicht mehr nach Gutsherrenart behandeln. Dieser Anachronismus aus vordemokratischen Zeiten muss endlich überwunden werden.“ (3)
Das ZDF veröffentlichte am 18.Dezember ein Interview mit Hendrik Cremer, wissenschaftlicher Referent am Deutschen Institut für Menschenrechte in Berlin, der auf einen Verstoss der Bundesregierung gegen die Menschenrechte – das Recht auf Bildung – hinweist. Hier geht es um Familien ohne Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland, die ihre Kinder nicht in Schulen wegen der drohenden Ausweisung schicken und die so jahrelang ohne Unterricht bleiben müssen. Die Schulleiter müssen diese Kinder ohne Papiere mancherorts an die Ausländerbehörde melden. (4)
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Quellen:
(1) http://www.vg-duesseldorf.nrw.de/presse/pressemitteilungen/34_101215/index.php
(2) http://www.dbb.de/dbb-beamtenbund-2006/3155_4614.php
(3) http://www.gew.de/GEW_Richtungsweisender_Schritt_auf_dem_Weg_zum_Streikrecht_fuer_Beamte.html
(4) http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/3/0,3672,8172323,00.html