Mahatma Gandhi: “Es ist genug da für die Bedürfnisse aller, aber nicht für die Gier auch nur eines Einzigen”
Die Menschheit befindet sich auf einen unheilvollen “modernen” Entwicklungsweg und zerstört mit jedem Tag mehr unwiderruflich ihre Existenzgrundlage durch den rücksichtslosen Raubbau und Vergiftung der Natur.
Jeder weiss, dass man ein geschlossenes System nicht beliebig ausbeuten kann. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem die unterschiedlichen Ressourcen früher oder später erschöpft sind. Nachschub aus dem Universum ist bekanntermassen nicht zu erwarten.
Ab diesem Zeitpunkt wird sich die Krone der Schöpfung um die letzten Existenzgrundlagen zerfleischen, denn etwas anderes wird ihr nicht übrigbleiben im Kampf ums Überleben. Altes kostbares Wissen um das Einssein mit der Natur und ihrer Schätze ist bis dahin längst vergessen. Wozu der Mensch in diesem Fall fähig ist, bedarf es keiner allzu grossen Phantasie.
Naturvölker, auf die bis auf Ausnahmen die meisten als primitiv und unterentwickelt herab sehen, sind unserem Entwicklungstand weit voraus, denn die degenerierten Menschen sind eindeutig diejenigen, die ein System unterstützen oder dulden, dass nur durch Wirtschaftswachstum bestehen kann. Die Folgen sind bekannt: Raubbau und bedingungslose Zerstörung der Umwelt, Verlust der Artenvielfalt, Verstädterung, Kriege, physische und psychologische Krankheiten, Vereinsamung, vollkommene Entfremdung und Sinnverlust des Lebens. Überschäumende Lebensfreude und Herzlichkeit gelten fast schon als paranoid.
Ein Umdenken ist bei weitem nicht in Sicht, im Gegenteil. Es werden noch die verbleibenden indigenen Völker vernichtet, die über Natürlichkeit und Spiritualität – das Wissen um das universelle Verbindende – verfügen, anstatt von ihnen den Umgang mit der Natur wieder neu zu erlernen und den Sinn des eigentlichen Lebens zu begreifen: Das wir nur mit und nicht gegen die Natur überleben können. Ihr ursprüngliches Wesen drückt sich in Gesängen und Tänzen aus, die Harmonie, Bewusstheit für alle Wesen, Mitgefühl ausdrücken. Die Gemeinschaftstänze sind voller Lebensfreude, sie fühlen sich zu den Trommelrythmen als starke Gemeinschaft, sind Teil der sie umgebenden Natur.
In Indien findet trotz Finanzkrise ein weiteres ungebremstes Wirtschaftswachstum statt. Reiche Rohstoffvorkommen liegen in heute noch unberührten Gebieten, in denen seit vielen Jahrtausenden bis heute Menschen im Einklang mit ihrer Umwelt leben. Sie leben vom Wald und den Gewässern, ohne sie zu zerstören, bis heute konnten sie sich gesund ernähren, verfügen über Heilwissen, das die moderne Gesellschaft so nicht mehr kennt. Verglichen mit dem unpersönlichen krankmachenden modernen Leben könnten viele Lebensansichten dieses Volkes ein Umdenken bewirken.
Statt dessen werden sie gnadenlos vernichtet. Am Beispiel des Stammes der Baigas wird dies besonders tragisch.
Unter dem Deckmantel des Naturschutzes und dem Erhalt und Ansiedelung von Populationen des vom Aussterben bedrohten bengalischen Tigers werden diese Menschen, die in diesem Gebiet die Einzigen sind, die diese natürliche Welt bisher so gut wie unberührt liessen und mit ihr in Harmonie lebten, zu Tausenden vertrieben. Im Bundesstaat Madhya Pradesh wurden 11 Nationalparks und 32 Tierschutzgebiete eingerichtet und Gesetze verabschiedet, der Wildlife Protection Act und der Forest Conservation Act – Gesetz zur Erhaltung des Waldes – was für eine Ironie!
In erster Linie geht es der Regierung darum, ungehindert über das rohstoffreiche und fruchtbare Gebiet verfügen zu können.
Bengalische Tiger gab es in diesen Wäldern schon immer und die Baigas, immerhin eine halbe Million Menschen, lebten mit ihnen, ohne diese zu dezimieren. Nach ihrer natürlichen und vor allem logischen Philosophie hat der Tiger genauso ein Recht auf etwas zu essen wie sie selbst auch und haben nichts dagegen, wenn er eines ihrer Haustiere reisst.
Zudem gibt die indische Regierung scheinbar falsche Zahlen über die Anzahl der bengalischen Tiger an, wenn sie behauptet, diese vom Wald lebenden Menschen würden diese stören. Nach ihren Angaben benötigen 4000 Tiger die Gebiete, dem stehen nach neuen Zählungen nur etwas mehr als ein Viertel gegenüber, ca. 1400. 1
Das die Wahl der Regierung auf den Tiger fiel, um Tierschutzgebiete einzurichten, erinnert an den als Beispiel gern zitierten Eisbären als Opfer der Klimaerwärmung.
Es geht hier wie in anderen Ländern – z.B. aktuell gerade in Peru zu erfahren – um die spätere Konzessionsvergabe an Konzerne, die so leichter in menschenleeren Gebieten zu vergeben sind, ohne die Öffentlichkeit wegen der Vertreibung indigener Völker aufzuregen.
Die Baigams bekommen keine Entschädigung oder Umsiedelungshilfe von der indischen Regierung, da sie nicht als rechtmässige Besitzer des Landes mit einem Grundbucheintrag in den Büchern stehen. Im Gegenteil, man sagt ihnen, dass sie in zwei Wochen verschwunden sein müssen. Ausgewiesene Kerngebiete dürfen nicht einmal betreten werden. Weichen diese Menschen daraufhin an die Ränder des nun für sie verbotenen Gebietes aus, werden auch dort ihre neu errichteten Hütten verbrannt, sie werden geschlagen.
In unserer vielgerühmten Welt können die Baigram nicht überleben. Sie verkümmern und gehen körperlich und seelisch kaputt.
Der Wald bot ihnen gesunde protein- und vitaminreiche Nahrung: Honig, Früchte, Pilze, essbare Pflanzen und Tiere. In der ihnen fremden neuen Umwelt leiden sie an Krankheiten, zumal durch ihre unfreiwillige Armut unzureichend ernährt. Sie können nicht mehr auf die Pflanzenvielfalt ihrer Heimat zurückgreifen, in der sie traditionell Kräuter, Pflanzenextrakte und andere Heilmittel anwandten. Dieses Wissen geht mit ihrer Kultur für die Menschheit verloren, zumal auch die Urwälder immer mehr durch kommerzielle Interessen verschwinden.
Das Heilkundewissen früher Völker, das bei ihnen ganz selbstverständlich für alle kostenlos zur Verfügung stand, wird in unserer Gesellschaft für gewinnbringende Anwendung missbraucht. Wirkstoffe werden von der Chemie- und Pharmaindustrie patentiert, ihre Scouts durchforsten auf der Suche nach Substanzen das Wissen darum bei den Naturvölkern.
Über 400.000 Tonnen Heilpflanzen-Rohware im Wert von mehr als 1,4 Milliarden US-Dollar gelangen Jahr für Jahr in den internationalen Handel. Frühlingsadonisröschen, Ginseng und afrikanisches Stinkholz sind nur einige Beispiele für durch Übernutzung und Handel akut gefährdete Heilpflanzen. 3
Es ist ein unvorstellbares Verbrechen der modernen Zivilisation an diesen natürlichen Menschen, denen diese Gewalt und unsere Lebensart völlig fremd ist. Die Verdrängung der Ureinwohner besteht zwar seit weit über dreitausend Jahren in Indien, aber unsere aufgeklärte Welt sollte es doch besser wissen. Das Gegenteil ist der Fall, dem Profit fallen die bis jetzt im Wald siedelnden Gemeinschaften zum Opfer.
Diese Urbevölkerung in Indien, die vor der Einwanderung der indo-germanischen Völker den Kontinent besiedelte, besteht aus verschiedenen Gruppen, die nicht zu einem einzigen Volk gehören. Ihr Anteil an der indischen Bevölkerung beträgt mit 70 Millionen Menschen 7 Prozent. Sie bezeichnen sich seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts dennoch gemeinsam nach dem hinduistischen Wort als Adivasi, das bedeutet “erste Menschen” bzw. “erste Siedler”. 2 Gebildete Gruppen begannen sich politisch zu organisieren. In Indien gehören sie zu den ärmsten Menschen, wenn sie von ihrem ursprünglichen Lebensraum vertrieben wurden.
In dem Artikel “The Baiga predicament” vom 20.Juni 2003 in The Hindu beschreibt Mihir Shah ausführlich die katastrophale Lage der Baigas. Mihir Shah weilte als Berater des Nationalen Kommissars vom Obersten Gerichtshof ein paar Tage vor Ort, um die Situation der Baigas in dem Kanha-Nationalpark auf ihr Recht auf Nahrung durch den Staat zu untersuchen. Er beschrieb die bisher unbekannten Menschen als ungewöhnlich still. Die Baigas sprachen von ihren verzweifelten Lebensbedingungen. Er stellte fest, dass die Lebensmittellieferungen nur unzureichend erfolgten, das staatliche Geld für die Baigas in die Taschen der Vermittler versickerte und ihre Hilflosigkeit gegenüber den Behörden wie dem Forest Department.
Unsere Gesellschaft, das heisst jeder einzelne, muss sofort mit einem Umdenken beginnen, denn wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wie ist die Stellung des Menschen und sein Umgang mit den Tieren, der Pflanzenwelt und den Rohstoffen – hier vor allem das Wasser – zu sehen.
Wir wissen, dass es so nicht weitergehen kann und handeln trotzdem gegen diese Erkenntnis. Irgendetwas scheint mit unserem Intellekt nicht zu stimmen, der uns nicht davon abhält, dieses Selbstmordprogramm weiter durchzuführen.
Selbstverständlich müssen wir nicht zurück auf die Bäume, wie viele spotten, wenn man von Naturschutz spricht. Aber es gibt unendlich viele Möglichkeiten, etwas zu tun. Müssen wir im Februar eine pestizidverseuchte, grüngeerntete weit hertransportierte Banane essen? Regional gesund erzeugte Lebensmittel ohne Nahrungsmittelzusätze, wie sie die Grossindustrie einsetzt, wären ein erster Schritt bis weiter zu den grösseren Anschaffungen, die man meistens zu einem wirklichen Leben gar nicht braucht. Diese sind oft eine Ersatzbefriedigung für den eigenen fehlenden Lebenssinn, um sich in der Gesellschaft “aufgehoben” und “anerkannt” zu fühlen, mit dabei und nicht ausgeschlossen zu sein.
Das ist ein fataler Irrtum, der unsere Mitfühlen für andere immer mehr verarmen lässt.
Unter diesem Link adivasi-tee-projekt.org können Lieder der Adivasi gehört und kostenlos heruntergeladen werden.
Die deutsche Webseite der Adivasi für weitere Informationen finden Sie hier.
Video von France24:
Quellen:
1 http://www.woz.ch/artikel/2009/nr26/leben/18048.html
2 http://de.wikipedia.org/wiki/Adivasi
3 http://www.wwf.de/themen/artenschutz/medizin-aus-der-natur/
4 http://www.hinduonnet.com/2003/06/20/stories/2003062000201000.htm