„Der Einsatz gegen die Piraterie wird nicht auf der Hohen See gewonnen, sondern nur an Land“ Guido Westerwelle (FDP), 24.November 2010 – „Minister Westerwelle hat einiges zu den Aktivitäten an Land gesagt. Ich denke, das ist wichtig. Denn wenn wir die Ursachen an Land nicht bekämpfen, werden die Soldaten bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf See arbeiten müssen. Das wollen wir nicht. Atalanta ist aber für diese Übergangszeit unverzichtbar….Da die Piraten – Sie haben es gehört – ihre Einsatzgebiete ausgeweitet haben, muss dem auch Atalanta folgen.“ Thomas Kossendey (CDU), 24.November 2010
Im Hamburger Abendblatt und im Vermischten Panorama-Abteil des Focus konnte man am 4.Januar 2010 eine neue Auflage einer Piratenstory lesen, bei deren Beschreibung des Tatherganges irgendwie etwas schief gelaufen sein muss. Den Redakteuren schien das nicht weiter aufgefallen zu sein.
Das scheint niemanden zu stören, das Wichtigste ist, dass es in dieser „Übergangszeit“ (Kossendey) möglichst viele Piratenüberfälle zu vermelden gibt, denn das garantiert, umso schneller mit der neuen Berufsarmee die deutschen Krieger auf das afrikanische Festland überzusetzen.
Es ist eine verheerende Entwicklung, die die Berliner Strategen im Schilde führen. Niemand hätte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gedacht, dass siebzig Jahre nach dem Unternehmen Sonnenblume 1941 deutsche Verbände von der Regierung in Berlin nach Nordafrika geschickt werden würden.
In dem Abendblatt wird berichtet, dass der Sprecher der Hamburger Reederei Claus-Peter Offen Tankschiffreederei (GmbH & Co.) KG von Claus-Peter Offen, Besitzer des 183 Meter langen deutschen Tankers „CPO China“ sagte, dass am Montag 240 Seemeilen östlich der Küste von Oman Piraten, deren präzise Anzahl mit acht angegeben wurde, das mit Pflanzenöl voll beladene Schiff überfallen hätten. (1)
Der Focus schrieb unter Berufung auf die Aussage der Reederei, dass die Piraten mit dem Einsatz einer Panzerfaust das Schiff angegriffen und an Bord gekommen wären. (2)
Der Mannschaft, die aus zwanzig Personen besteht, hauptsächlich osteuropäische und philippinische Seeleute, sei es dennoch gelungen, Stacheldraht-Barrikaden an Deck und den Treppen zu errichten und vom sicheren Schutzraum aus einen Notruf zu senden.
Obwohl kurz nach dem abgesandten Hilferuf ein Helikopter der australischen Marine über dem Tanker kreiste, hatten die ominösen Gestalten anscheinend die Zeit und die Nerven besessen, die aufgebauten Hindernisse aus NATO-Abwehrzäunen zu überwinden und auf die Brücke zu gelangen. Eigentlich müsste die Brücke bei Überfällen einbruchssicher abgeriegelt werden, das war sie wahrscheinlich nicht, was in solch einem Vorfall ein Unding ist. Denn in der Zeitung wird gesagt, dass die „Piraten“ in den Brückenraum marschierten und dort Funkgeräte zerstört haben.
Die Piraten konnten die Kontrolle über das Schiff nicht übernehmen, obwohl sie nach den Berichten elf Stunden Zeit und auf der Brücke waren.
Der Hubschrauber der australischen Navy hatte auch gleich wieder abgedreht. Am Abend war dann endlich das australische Kriegsschiff HMAS „Melbourne“ zur Stelle. Im Focus wird die Zeitspanne von Angriff und Eintreffen der australischen Fregatte mit elf Stunden angegeben. Da fragt man sich, wieso das Kriegsschiff so lange getrödelt hat – war doch angeblich ihr Helikopter schon kurz nach dem SOS über der „CPO China“.
Piraten waren keine an Bord, ebenso wenig wurde etwas über eine Sichtung ihres Bootes mitgeteilt.
Es wurde auch nicht erklärt, ob sich die australischen Marines an Bord des Handelsschiffes schwangen oder nicht und ob es Kontakt zur eingeschlossenen Mannschaft gegeben hatte.
Wenn ja, so ist es nicht nachvollziehbar, wieso die Crew laut dem Medienbericht aus Sicherheitsgründen bis Dienstagmorgen in dem Sicherheitsraum verblieben war.
Bei Lloyd‘s List hiess es dazu, dass die australische Marine die Mannschaft gebeten hatte, an einem sicheren Ort zu bleiben, bis sie eine vollständige Durchsuchung des Schiffes bei Tageslicht durchgeführt hätten. Sie wollten 100% sicher sein, dass es keine versteckten Piraten an Bord gibt. (3)
Der neue Tanker, der erst im Jahr 2010 in Dienst gestellt wurde, setzt seine Reise nun planmässig seinen Weg von Singapur kommend nach Salalah im Oman fort. Deutsche sind nicht an Bord. Wie hoch der Schaden auf der Brücke ist, ist derzeit noch unbekannt, hiess es aus Deutschland. Lloyd‘s berichtete, der Tanker würde den nächsten Hafen anlaufen.
Der NDR informierte sichtlich gelangweilt in zwei Zeilen lapidar am 4.Januar unter Kurzmeldungen über den Vorfall im Golf von Oman. (4) Nicht einmal in den Pressenews von EU NAVFOR tauchte eine Erwähnung des Unerhörten bisher auf (5), ebenso wenig findet man bis jetzt eine Meldung auf den offiziellen Bundeswehr-Webseiten.
Auf alle Fälle hat man mal wieder gleich zu Anfang des Jahres eine schöne Schlagzeile in den Medien, obwohl ohne Piraten und ohne Kampfeinsatz, vor allem für die Bundestagsabgeordneten platzieren können:
„Piratenangriff: Australisches Kriegsschiff befreit Hamburger Tanker“
Anfang Dezember 2010 wurde die Operation ATALANTA, die Anti-Pirateriemission European Union’s Naval Force (EUNAVFOR) bis Ende Dezember 2012 verlängert.
Der Operationelle Kommandeur, Generalmajor Buster Howes OBE sprach das aus, was die Europäische Union in Wirklichkeit im Sinn führt: Rein mit den Truppen aufs Festland, nach Afrika, denn die Piraten würden sich von der Anwesenheit ihrer Kriegsschiffe nicht beeindrucken lassen:
„There is no getting away from the fact that strategically, a naval presence is not deterring the pirates. The business model that they have adopted is too productive and the rewards simply too huge for them to be deterred from their activities. The solution has always and will always lie ashore. We will continue to ‘hold the line’ at sea whilst the international community, led by the EU, adopts a more comprehensive approach ashore.“ (6)
Der deutsche Bundesaussenminister Guido Westerwelle forderte eine gute Woche vor der Atalanta-Verlängerung und Ausdehnung des Mandates in seiner „Rede vom 24.November 2010 zur Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr an der EU-geführten Operation „Atalanta“ zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias vor dem Deutschen Bundestag“ in Berlin von den Abgeordneten, dass sie der Ausweitung des Bundestagsmandates in diesem Kriegseinsatz zustimmen sollen – ohne die Kosten zu erwähnen, die von Steuergeldern getragen werden müssen (7):
„Herr Präsident.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Seit diesem Montag stehen in Hamburg zehn somalische Staatsbürger vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, vor der somalischen Küste ein deutsches Schiff entführt zu haben. Dies zeigt in großer Klarheit, wie sehr uns die Probleme in Somalia in Deutschland angehen.
Geografisch mag das Horn von Afrika vielen weit weg und entfernt erscheinen, aber wir erkennen an den regelmäßigen Meldungen, dass es in Wahrheit auch uns betrifft. Mit der EU-geführten Operation Atalanta sichern wir die Lieferung von humanitären Hilfsgütern an die notleidenden Menschen in Somalia, und wir sichern den zivilen Schiffsverkehr.
Insoweit will ich, was die Interessenwahrnehmung angeht, noch einmal unterstreichen: Das Ganze hatte seinen Ausgang darin, zu gewährleisten, dass Lieferungen humanitärer Hilfsgüter die Häfen von Afrika erreichen konnten. Dass in den letzten Jahren eine erneute humanitäre Katastrophe in Somalia verhindert werden konnte, ist auch ein Erfolg dieser Operation.
Atalanta kommt Millionen Menschen zugute, die diese Hilfe bitter nötig haben. Noch immer sind über 3,5 Millionen Somalier auf humanitäre Hilfe angewiesen. Allein im laufenden Jahr hat Atalanta über 30 Schiffe des Welternährungsprogramms sicher in die somalischen Häfen eskortiert. Wer also diese Operation ablehnt, muss dann auch erklären, wie er sicherstellen will, dass diese Hilfslieferungen die hungernden Menschen tatsächlich erreichen. Da Sie das nicht können, werden Sie alle in diesem Hause, denke ich, Ihrer Verantwortung gerecht werden.
Mehr als 90.000 Tonnen Lebensmittel erreichten 1,8 Millionen Menschen. Das ist es, worum es in entscheidendem Umfang geht.
Auf diese humanitären Leistungen der Europäischen Union, an den auch die deutsche Marine einen erheblichen Anteil hat, können wir stolz sein. Ich möchte allen Fraktionen, die das Engagement der Bundeswehr unterstützen, herzlich danken. Aber ich danke insbesondere auch den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr für ihren Einsatz. Es ist ein schwieriger und entbehrungsreicher Einsatz. Ich bitte Sie, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, dies der Truppe noch einmal zu übermitteln. Ich bin sicher, dass wir alle in diesem Deutschen Bundestag wissen, was für eine wichtige Arbeit unsere Frauen und Männer der Bundeswehr dort leisten.
Das zweite Ziel der Mission ist es, den internationalen Schiffsverkehr zu schützen. Eine Außenpolitik, die humanitären Werten verpflichtet ist, muss auch die Interessen im Blick behalten. Bewegungsfreiheit im offenen Meer ist ein gemeinsames Interesse der internationalen Gemeinschaft. Wir handeln dabei unter dem Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Auch das ist von großer Bedeutung: Es handelt sich hierbei um ein Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen.
Wenn Sie, Herr Kollege, durch Zwischenrufe oder auch durch öffentliche Wortmeldungen den Eindruck erwecken, das sei gewissermaßen eine kriegerische Mission, dann disqualifizieren Sie sich in einem wirklich bemerkenswerten Umfang.
Die Reeder können zur Verbesserung der Sicherheit der Schiffe und vor allem auch der Besatzungen beitragen. Ich bin zuversichtlich, dass die Schiffseigner ihre Verantwortung ernst nehmen und entsprechend vorsorgen. Aufgrund der Zusammenarbeit zwischen Reedereien und Sicherheitskräften ist die Zahl der Überfälle und Entführungsversuche im Golf von Aden zurückgegangen. Aber wir müssen feststellen: Noch immer befinden sich Hunderte von Menschen in der Gewalt der Piraten.
Zugleich hat die Bedrohung eine neue Qualität, weil diese Piraten ihr Tätigkeitsfeld mittlerweile sogar bis vor der indischen Küste und bis vor der Küste von Mosambik ausgeweitet haben. Das ursprüngliche Operationsgebiet reicht nicht mehr aus. Es ist daher erweitert worden, zum Teil mit einer bemerkenswerten Logistik. Die Europäische Union hat auf die veränderte Lage reagiert und das Operationsgebiet von Atalanta ausgeweitet. Deshalb ist es notwendig, dass auch das Bundeswehrmandat an diese neue Realität angepasst wird. Darum bitten wir als Bundesregierung dieses Hohe Haus.
Internationale Einsätze können die Folgen eines Staatsverfalls nicht im Alleingang lösen. Wir müssen die Lösung da suchen, wo auch das Problem seine Wurzeln hat, und das ist in Somalia selbst. Der Einsatz gegen die Piraterie wird nicht auf der Hohen See gewonnen, sondern nur an Land. Deswegen ist es richtig, dass wir die humanitäre Hilfe für Somalia um die Hilfe zum politischen Wiederaufbau ergänzen. Es ist eben falsch, die Behauptung aufzustellen, dass wir lediglich militärisches Engagement zeigen und nicht auch wüssten, dass wir uns bei der Ursachenbekämpfung an Land kräftig zu engagieren haben. Das tun wir.
Am Dienstag der kommenden Woche werden wir in Tripolis beim Gipfeltreffen der Europäischen Union mit den Staaten Afrikas weiter an einer gemeinsamen Ordnung, an einer gemeinsamen entsprechenden Perspektive arbeiten. Aber natürlich reicht das allein nicht aus. Es geht um die EU-Trainingsmissionen zur Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte. Auch dies tun wir. Es geht um internationale Projekte zur Unterstützung beim Aufbau der Justizsysteme. Das ist unser Anliegen. Es geht aber auch darum, dass wir erkennen: In rechtsfreien Räumen entstehen Instabilität und Gewalt. Deswegen müssen wir diesen vernetzten Ansatz weiterverfolgen. Wir bitten um Zustimmung für dieses wichtige Mandat.
Herr Kollege Ströbele, ich will zuerst etwas zum Grundgesetz sagen. Sie sind genauso Rechtsanwalt wie ich. Wir beide haben Jura studiert. Ich sage Ihnen daher: Nicht Sie entscheiden, was mit der Verfassung vereinbar ist, sondern das Bundesverfassungsgericht. Dieses hat seit der Adria-Entscheidung in den 90er Jahren den Kompass glasklar ausgerichtet. Sie können doch nicht behaupten, etwas sei von der Verfassung nicht gedeckt, nur weil Sie selbst dieser originellen Auffassung sind. Das ist absurd. Was Sie erzählen, ist völliger Humbug. Es handelt sich nur um Ihre persönlichen Interpretationen. Ich bewundere Ihre Hochseilakrobatik in Jura. Aber ehrlich gesagt, so könnten Sie als Jurist nicht davon leben.
Zu den Ursachen. Es ist richtig – das habe ich bereits gesagt –, dass man die Ursachen sehen muss. Das habe ich Ihnen in meinen Antworten auf Ihre vielen Fragen bestätigt. Aber bei allem Respekt bitte ich Sie, auch mit Amtsträgern zu Zeiten Ihrer Regierungsverantwortung zu erörtern, welche Versäumnisse es in früheren Jahren bei der Regierung möglicherweise gegeben hat. Die Lage ist für die jetzige Bundesregierung so, wie sie ist. Wir haben mit dieser Lage umzugehen.
Deswegen sorgen wir erstens für die Sicherheit unserer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Es ist nicht nur das Recht, sondern nach unserer Auffassung auch die Pflicht der Bundesregierung, deutsche Staatsangehörige auf den Schiffen zu schützen. Sie sind anderer Auffassung; das muss ich zur Kenntnis nehmen. Aber wir werden es anders machen.
Das Zweite ist: Wir leisten humanitäre Hilfe in Somalia; das habe ich deutlich ge-macht.
Das Dritte ist: Wir arbeiten am Wiederaufbau in Somalia und halten dies für unbedingt notwendig.
Das Vierte ist: Den Eindruck zu erwecken, dass diese Piraterie ausschließlich aus der Not geboren ist – das ist der Eindruck, den Sie hier erwecken –, weil die armen Fischer keine Fischgründe mehr haben und sich deshalb als Piraten organisieren, ist, ehrlich gesagt, ziemlich naiv. Es handelt sich zum Teil um organisiertes Verbrechen und um Menschen mit hoher krimineller Energie und von größter Gefährlichkeit, Menschen, die nicht davor zurückschrecken, andere zu foltern, mit dem Tode zu bedrohen und sie gegebenenfalls umzubringen. Das hat nichts mit Ihrer naiven Auffassung zu tun. Es ist unsere Verpflichtung, gegen diese organisierte Kriminalität vorzugehen. Sie wollen das nicht. Wir werden es trotzdem machen. Ich glaube, dass wir unserer Verantwortung gerecht werden. Sie tun es leider nicht.“
Im Gegensatz zur westlichen Atlantikwelle kann sich der mitnichten „naive“ Hans-Christian Stroebele ziemlich sicher sein, dass seine Ansicht zu den anhaltenden Dauereinsätzen der Bundeswehr im Ausland von der Mehrheit der Bevölkerung getragen wird.
Der Deutsche Bundestag hat am 2. Dezember 2010 die Mandate für die Anti-Piraterie-Mission Atalanta am Horn von Afrika, den Stabilisierungseinsatz Althea in Bosnien und Herzegowina sowie die Anti-Terror-Mission Active Endeavour verlängert.
Deutschland kann sich mit bis zu 1.400 Soldatinnen und Soldaten an der Operation Atalanta beteiligen. Bei 12 Enthaltungen stimmten von den 567 Abgeordneten 487 für die Mandatsverlängerung. 68 Parlamentarier votierten mit Nein. Das Mandat wurde zunächst bis zum 18. Dezember 2011 verlängert. (9)
Die Rede von Thomas Kossendey vom 24.November 2010 ist ein Spiegelbild der Argumente der Befürworter eines Einsatzes deutscher Truppen in Afrika:
Unsere Präsenz zeigt Wirkung
Rede zur Verlängerung des Einsatzes zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias
II.) Beratung Antrag der Bundesregierung
Forts. der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias
– Drs 17/3691 –
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Auch wir vom Verteidigungsministerium bitten Sie heute um Ihre Zustimmung zur Fortsetzung der EU-Operation Atalanta. Seit Beginn dieser Operation Ende 2008 kann Atalanta durchaus auf bemerkenswerte Erfolge zurückblicken. Alle beteiligten Nationen – das geht weit über die Länder der Europäischen Union hinaus – können mit Fug und Recht auf diese Erfolge stolz sein. Wir können auch auf das stolz sein, was die Seestreitkräfte der beteiligten Länder bewirkt haben. Wir sollten ganz konkret den über 300 deutschen Soldatinnen und Soldaten, die auf unseren Marineschiffen an dieser Operation beteiligt sind, für ihren Einsatz danken. Sie leisten eine hervorragende Arbeit, und sie erfahren dafür im internationalen Rahmen – das steht hier zu Hause häufig etwas im Schatten – eine sehr hohe Anerkennung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich will Ihnen anhand einiger Zahlen deutlich machen, wie erfolgreich Atalanta war. Allein 2010 wurden 90 000 Tonnen Hilfsgüter nach Somalia gebracht. Das sind 2 500 Lastwagenladungen. Frau Bulmahn und Minister Westerwelle, Sie haben es ja angesprochen: 1,8 Millionen Menschen konnten durch das World Food Programme – die Lieferungen gehen im Wesentlichen über See in die bedrohten Gebiete – Nahrung erhalten. Diese Lebensmittellieferungen erfolgten unter unserem Schutz.
Ich glaube auch, dass wir in Atalanta auch insofern einen Erfolg sehen können, als wir weit über die Europäische Union, weit über die NATO hinaus Länder animiert haben, sich an der Sicherung dieser Seeverbindungswege zu beteiligen. Denken Sie an China, Indien, Pakistan oder Indonesien – all das sind Länder, die die Sicherheit dieser Seeverbindungslinien auch im Hinblick auf ihre eigenen Interessenslagen für wichtig halten und die dort mit Atalanta zusammenarbeiten.
Frau Bulmahn hat darauf hingewiesen, dass die Anzahl der Angriffe der Piraten gerade im letzten Jahr zugenommen hat. Ja, das ist richtig, Frau Kollegin Bulmahn; aber die Anzahl der dabei erfolgreichen Kaperungen mit Geiselnahme nahm im Verhältnis ab. Ich glaube, das ist auch ein wichtiger Punkt, wenn wir über Atalanta sprechen. Unsere Präsenz dort zeigt also Wirkung. Nicht nur, weil wir dort militärisch vertreten sind, sondern auch weil die Reeder zunehmend in der Lage sind, selber für ihre Schiffe Vorsorge zu treffen, sind wir insgesamt erfolgreich. Wir führen mit den Reedern ständig Gespräche, und wir sind gemeinsam erfolgreich. Die Vorsorge der Reeder und das Eingreifen von Atalanta haben dazu beigetragen, dass das Problem der Piraterie eingedämmt werden konnte. Das hat auch dazu geführt, dass wir knapp 80 Piraten vor Gericht gestellt haben. In Hamburg läuft der erste Prozess.
Wir müssen dennoch, glaube ich, angesichts der Größe des Territoriums, das zu schützen wäre, eingestehen, dass eine lückenlose Abdeckung schlichtweg nicht möglich sein wird. Allerdings können wir – das wollen wir auch weiter tun – den Schwerpunkt darauf legen, die Schiffe des Welternährungsprogramms zu sichern. Die Schiffe, die sich bei Atalanta anmelden und dann unter den sogenannten Konvoischutz gestellt werden, sind im Regelfall sicher durch das gefährdete Gebiet gekommen.
Natürlich kann man monieren, dass Atalanta allein das Problem der Piraterie nicht eindämmen wird. Minister Westerwelle hat einiges zu den Aktivitäten an Land gesagt. Ich denke, das ist wichtig. Denn wenn wir die Ursachen an Land nicht bekämpfen, werden die Soldaten bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf See arbeiten müssen. Das wollen wir nicht.
Atalanta ist aber für diese Übergangszeit unverzichtbar. Denn wenn wir Atalanta heute einstellen würden, würden die Menschen in Somalia wieder hungern. Das würde bedeuten, dass sich Piraterie weiter ungehindert ausbreiten könnte. Wir müssen in dieser Region die Kultur der Gewalt und die Kriegsökonomie durchbrechen. Und wir müssen darauf achten, dass wir durch ein politisches Rahmenprogramm, sage ich einmal, in Somalia funktionierende Strukturen und Regulierungsmechanismen wiederbeleben.
Lieber Herr Kollege Ströbele, wenn Sie einmal vor Ort gewesen wären und mit den politisch Verantwortlichen – vielleicht auch mit Fischern – gesprochen hätten, dann wüssten Sie, dass die romantische Vorstellung, dass Fischer zu Piraten werden, falsch ist.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ich glaube, es ist eher sogar eine Beleidigung für einen ganz normalen Somali-Fischer, wenn wir ihm unterstellen, er würde dadurch, dass ihm Fische weggefischt würden, zum Mörder, Geiselnehmer, Piraten und Terroristen. Ich glaube, wer so über die somalischen Fischer redet, hat mit ihnen relativ wenig zu tun gehabt.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist Quatsch, was Sie erzählen!)
Wir werden, Herr Ströbele – lesen Sie das Mandat einmal in Ruhe –, auch das Thema der illegalen Fischerei dort ansprechen. Ich empfehle Ihnen – möglicherweise haben Sie es ja da liegen – mal die Ziffer 3 g des Mandats zu lesen. Darin ist das Thema Fischerei in außerordentlich deutlicher Weise erwähnt.
(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Fahren Sie einmal nach Hamburg!)
Wir wollen natürlich mit dem, was wir an Land machen, langfristig eine Perspektive für Somalia erreichen. Allerdings muss man – wenn man Somalia kennt, und ich kenne es seit den 90er-Jahren, als wir zum ersten Mal mit der Bundeswehr dort waren – auch sehr deutlich sagen: Das sind Ziele, für die wir Geduld und einen langen Atem brauchen.
Atalanta hilft den Menschen in der Region. Atalanta schützt aber auch uns; denn Atalanta hilft eben mit, dass die Seewege in der Region passierbar bleiben, dass der internationale Handel als eine wesentliche Stütze unseres Wohlstandes und auch unserer Sicherheit nicht in Gefahr gerät. Auch dafür schulden wir unseren Soldatinnen und Soldaten Dank. Das sind Soldatinnen und Soldaten, die manchmal 200 Tage im Jahr von zu Hause weg sind und unter durchaus fordernden Bedingungen – klimatisch wie unterbringungsmäßig – einen sehr schwierigen und fordernden Dienst leisten.
Ich bitte Sie um Zustimmung, dass wir dieses, im Übrigen auf klaren völkerrechtlichen Grundlagen beruhende Mandat mit einer Obergrenze von 1 400 Soldatinnen und Soldaten um ein Jahr verlängern. Dieses Mandat enthält eine Ausweitung des Operationsgebietes. Da die Piraten – Sie haben es gehört – ihre Einsatzgebiete ausgeweitet haben, muss dem auch Atalanta folgen. Wir haben das in diesem Mandat vorgesehen und werden uns in diesen erweiterten Rahmen von Atalanta einpassen.
Wir brauchen heute ein klares, ein deutliches Signal für eine fortgesetzte deutsche Beteiligung an dieser erfolgreichen EU-Mission. Ein solches Mandat gibt übrigens auch unseren Soldatinnen und Soldaten den Rückhalt, den sie brauchen, um motiviert diese Arbeit zu tun. Es ist gleichzeitig, wie ich finde, ein Zeichen der Anerkennung für das, was die Soldatinnen und Soldaten im Auftrag des Bundestages für unser Land dort leisten. Ich bitte Sie um Zustimmung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
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Quellen:
(1) http://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article1746688/Australisches-Kriegsschiff-befreit-Hamburger-Tanker.html
(2) http://www.focus.de/panorama/vermischtes/piraten-hamburger-tanker-cpo-china-entgeht-nur-knapp-entfuehrung_aid_587113.html
(3) http://www.lloydslist.com/ll/sector/ship-operations/article353208.ece
(4) http://www.ndr.de/regional/hamburg/
(5) http://www.eunavfor.eu/press/news/
(6) http://www.eunavfor.eu/2010/12/european-union%E2%80%99s-naval-force-counter-piracy-operation-enters-its-3rd-year-as-an-extension-to-2012-is-confirmed/
(7) http://www.bundesregierung.de/nn_774/Content/DE/Bulletin/2010/11/122-4-bmaa-bt.html
(8) http://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/
(9) http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/kcxml/04_Sj9SPykssy0xPLMnMz0vM0Y_QjzKLd4k3Ng4IBcmB2CZu5vqRcMGglFR9X4_83FT9gODUnNTkkoDE9FR9b_2C3IhyR0dFRQACPy_b/delta/base64xml/L2dJQSEvUUt3QS80SVVFLzZfRF8zM1E0?yw_contentURL=%2FC1256F1200608B1B%2FW28BSETJ705INFODE%2Fcontent.jsp
(10) http://cducsu.de/Titel__rede_unsere_praesenz_zeigt_wirkung/TabID__1/SubTabID__2/InhaltTypID__2/InhaltID__17214/Inhalte.aspx