Alle AWACS-Flüge über Kriegsgebiete der Erde müssen durch das deutsche Parlament genehmigt werden
Karlsruhe: Vor dem Bundesverfassungsgerichtshof hatte für die Exekutive „Generalleutnant Dora in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass ein Abzug der deutschen Soldaten aus dem AWACS-Verband der NATO faktisch nicht möglich sei. Angesichts der zahlenmäßigen Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland und der stets zwischen Deutschland und den USA alternierenden Kommandogewalt sei eine Beendigung der deutschen Mitwirkung eine rein hypothetische Option. Ohne die gesamte AWACS-Truppe und ihren Einsatz in Frage zu stellen und die NATO damit zu zwingen, die gesamte Operation einzustellen, sei ein Abzug der deutschen Soldaten nicht möglich“, so der 2.Senat in seinem Urteil 2 BvE 1/03.
Das heisst, nach dem Urteil der Roten Roben und den Angaben der Bundesregierung zufolge müssen sämtliche Einsätze aller AWACS-Geschwader durch den Atlantikpakt weltweit über allen Gebieten sofort eingestellt werden, in denen „bewaffnete Unternehmungen“ stattfinden, in welchen durch einen solchen Einsatz deutsche Soldaten verwickelt werden könnten und dies nicht ausdrücklich durch durch einen Parlamentsbeschluss im deutschen Reichstag genehmigt worden ist.
Auszug aus dem Urteil:
Für den wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalt kommt es nicht darauf an, ob bewaffnete Auseinandersetzungen sich schon im Sinne eines Kampfgeschehens verwirklicht haben, sondern darauf, ob nach dem jeweiligen Einsatzzusammenhang und den einzelnen rechtlichen und tatsächlichen Umständen die Einbeziehung deutscher Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen konkret zu erwarten ist und deutsche Soldaten deshalb bereits in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind
(vgl. auch Dreist, ZaöRV 64 <2004>, S. 1001 <1036>; Nolte, a.a.O., S. 678; Röben, a.a.O., S. 594; Schröder, a.a.O., S. 203).Diese Unterscheidung hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 12. Juli 1994 zugrunde gelegt, indem er nicht von einer Einbeziehung in bewaffnete Auseinandersetzungen, sondern in „bewaffnete Unternehmungen“ (BVerfGE 90, 286 <388>) gesprochen hat, welche schon nach ihrem Wortsinn nicht implizieren, dass es tatsächlich zu Kampfhandlungen kommen muss..
Für Einsätze auf der Basis von Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen hat der Senat ausgeführt, dass angesichts der fließenden Übergänge zwischen den verschiedenen Einsatzformen und der möglichen Reichweite des Selbstverteidigungsrechts eine Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen stets gegeben ist (vgl. BVerfGE 90, 286 <388>).
Einschränkend fügt das Verfassungsgericht hinzu, dass allein die „die bloße Möglichkeit, dass es bei einem Einsatz zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommt“ für einen Parlamentsvorbehalt nicht ausreicht.
„Deshalb führt erst die qualifizierte Erwartung einer Einbeziehung in bewaffnete Auseinandersetzungen zur parlamentarischen Zustimmungsbedürftigkeit eines Auslandseinsatzes deutscher Soldaten“, so das Gericht.
Es baut aber schon der schleichenden Kriegsvorbereitung durch die Bundesregierung und ihre unersetzliche Beteiligung an den AVACS-Geschwadern der NATO eine unumgängliche Barrikade in den Weg.
..Auch eine Betrachtung der Einsatzplanung und der Einsatzbefugnisse kann erweisen, dass eine gleichsam automatisch ablaufende Beteiligung deutscher Soldaten an der Anwendung bewaffneter Gewalt von der Gesamtsituation her wahrscheinlich ist und praktisch nur noch von Zufälligkeiten im tatsächlichen Geschehensablauf abhängt. Dies kann der Fall sein, wenn integrierte Bündnisabläufe bereits in Gang gesetzt sind, die vor der Anwendung von Waffengewalt praktisch kaum mehr reversibel oder jedenfalls politisch nicht mehr zu beeinflussen sind. Dann ist die entscheidende Schwelle für einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte bereits überschritten, was von Verfassungs wegen ohne Beteiligung des Deutschen Bundestags nicht zulässig ist.
Ausdrücklich warnt das Bunderverfassungsgericht vor einer „materiellen Entwertung der parlamentarischen Mitentscheidungskompetenz“ durch „jaja, neenee, wir bemühen uns, mal gucken, nicht jetzt Schatz“-Rausgerede und Dummgequatsche gerade aus dem nur dafür berühmten Bundesverteidigungsministerium.
Die normative Kraft des Parlamentsbeschlusses darf nicht durch die „normative Kraft“ bereits geschaffener oder doch vorentschiedener Fakten ersetzt werden.
Das Wort „Bündnisroutine“ wird übrigens diesbezüglich im Urteil gleich mit vom Balkon geworfen.
AUCH OBJEKT- UND GEBIETSSCHUTZ UNTER PARLAMENTSVORBEHALT
Auszug aus dem Urteil:
Hat der Einsatz…ein eigentliches militärisches Gepräge, weil es ihm etwa darum geht, ein Territorium oder bestimmte Objekte vor Angriffen zu schützen, und deuten die näheren Umstände auf eine unmittelbar bevorstehende Verwicklung in Kampfhandlungen hin, so liegt eine Einbeziehung in eine bewaffnete Unternehmung auch dann vor, wenn die am Einsatz beteiligten Soldaten der Bundeswehr zwar selbst unbewaffnet sind, aber als wesentlicher Teil des den bewaffneten Einsatz durchführenden integrierten militärischen Systems handeln.
EINSÄTZE ZUR INFORMATIONSBESCHAFFUNG (!) UNTER PARLAMENTSVORBEHALT
Wer im Rahmen einer bewaffneten Auseinandersetzung etwa für den Waffeneinsatz bedeutsame Informationen liefert, eine die bewaffnete Operation unmittelbar leitende Aufklärung betreibt oder sogar im Rahmen seiner militärischen Funktion Befehle zum Waffeneinsatz geben kann, ist in bewaffnete Unternehmungen einbezogen, ohne dass er selbst Waffen tragen müsste.
Nun stellt sich natürlich, neben den Einsätzen der Bundeswehr, auch die Frage nach dem bewaffneten Einsatz der deutschen Geheimdienste sowie der Bundespolizei unter dem Kommando des Innenministeriums von Dr.Schäuble unter Beteiligung deutscher Soldaten.
Es stellt sich die Frage nach den Einsätzen deutscher Streitkräfte in, über, bei oder bezüglich Georgien, Sudan, Tschad, Birma, China, Pakistan, Libanon, Syrien und natürlich dem Iran.
Eine Frage stellt sich dabei allerdings nicht:
der Einsatz deutscher Spionage-Satelliten, wie der SAR-Lupe durch das „Kommando Strategische Aufklärung“ (KdoStratAufkl bzw. KSA) der Bundeswehr in und über Kriegsgebieten ist juristisch genauso zu bewerten wie der Einsatz in AWACS-Flugzeugen…
im nächsten Teil:
Die Jasmin-Affäre, die deutschen Spionagesatelliten und der BND