SPD Mecklenburg-Vorpommern revoltiert gegen ihre Krieg-Führer von Berlin

Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, fordert den schnellstmöglichen Abzug der deutschen Truppen aus dem seit über neun Jahren besetzten Afghanistan. Der SPD-Fraktionsvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Norbert Nieszery, unterstützt seinen Ministerpräsidenten und hält den „sofortigen Abzug“ für „dringend geboten“. Auch Bündnis 90/Die Grünen signalisieren Ablehnung der erneuten Kriegsvollmacht für die Bundeswehr. Für die Krieg-Führer der Berliner SPD-Zentrale, Parteiführer Sigmar Gabriel und Fraktionsführer Frank-Walter Steinmeier, brechen bei der Abstimmung im Bundestag am 28.Januar friedliche Zeiten an.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering gab nach dem gestrigen Beschluss des SPD-Parteivorstandes, der auf einer zur Zeit laufenden Klausur in Potsdam die weitere Zustimmung der SPD-Bundestagsabgeordneten zur Fortsetzung des neunjährigen Krieges in Afghanistan angeordnet hatte, dem „Hamburger Abendblatt“ (1) ein Interview. In diesem machte der Ministerpräsident deutlich, dass er die Unterstützung von CDU, CSU und FDP durch die SPD-Parteiführung für völlig falsch hält, da die Regierung den Militäreinsatz noch auf Jahre fortsetzen wolle:

„Dem sollte die SPD-Fraktion nicht zustimmen, zumal der Beginn des Abzugs zum Jahresende unbestimmt formuliert ist und von Herrn zu Guttenberg bereits öffentlich infrage gestellt wird.“

Erwin Sellering machte deutlich:

„Ich bin nach wie vor für den schnellstmöglichen Abzug unserer Soldaten aus Afghanistan.“

Unterstützung erhält der Ministerpräsident aus der SPD-Landtagsfraktion. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Norbert Nieszery schon am 15.Dezember (2):

„Der Ministerpräsident hat mit seiner gestern bei der Afghanistan-Konferenz der SPD bekräftigten Forderung nach schnellstmöglichem Abzug einer großen Mehrheit der Menschen hier im Land aus der Seele gesprochen. Auch gegen Widerstände ist Erwin Sellering seiner Position treu geblieben. Ursprünglich sind unsere Soldaten nach Afghanistan gegangen, um den zivilen Wiederaufbau und die Demokratisierung des Landes zu unterstützen. Doch die Einsatzbedingungen haben sich grundlegend geändert. Unsere Bundeswehr befindet sich mittlerweile dort im Krieg. Dies lehnen nicht nur der Ministerpräsident, sondern auch die Sozialdemokraten hier im Land sowie der größte Teil unserer Bevölkerung ab. Der sofortige Abzug ist daher dringend geboten, schon allein zum Schutz unserer Soldaten.“

Währenddessen deutet sich an, dass zumindest die Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag einen in der Bevölkerung mehrheitsfähigen Beschluss fallen wird. Der Vizevorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Frithjof Schmidt (1):

„Wir sind sehr skeptisch, ob wir diesem Mandat zustimmen können. Wir haben dem letzten Mandat im Februar 2010 bereits nicht zugestimmt, weil wir damals eine schleichende Veränderung des Mandats hin zu einer flächendeckenden Aufstandsbekämpfung befürchtet haben. Wir sehen diese Befürchtung inzwischen bestätigt. Wir haben bisher nicht feststellen können, dass dieser Punkt im Mandat durch die Bundesregierung zurückgenommen wird.“

Schmidt verlangte von der Regierung unter Angela Merkel (CDU) und Guido Westerwelle (FDP) „eine konkrete Abzugsplanung“ bis 2014 und keinen „symbolischen Abzugsbeginn“ in 2011.

Bereits im Oktober hatte Grünen-Fraktionsvize Schmidt die Bundesregierung wegen ihrer Verweigerung einer unabhängigen Untersuchung des Bundeswehr-Einsatzes kritisiert. Diese hatte u.a. der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel am 22.April 2010 im Bundestag versprochen und sein Wort gestern gebrochen. (Kurswechsel der SPD: Gabriel verlangt “unabhängige Überprüfung” von nächstem Afghanistan-Mandat, 22.April 2010)

Frithjof Schmidt am 7.Oktober zu der Unterdrückung einer unabhängigen Überprüfung der Vorgänge in der deutschen Besatzungszone (3):

„Wir hätten uns gewünscht, gemeinsam mit allen Fraktionen eine ausführliche und unabhängige Evaluierung zu beschließen. Nicht zuletzt, weil auch immer wieder Politiker aus der Koalition eine solche gefordert haben. So hat beispielsweise der heutige Verteidigungsminister Guttenberg im Juni 2008 vorgeschlagen, nach kanadischem Vorbild eine unabhängige Kommission Deutschlands Engagement in Afghanistan einzurichten. Leider aber sind die Parlamentarier von Union und FDP eingeknickt. Die nun vorgelegten Vorschläge von Union und FDP reichen bei weitem nicht aus. Es werden vor allem parlamentarische Selbstverständlichkeiten wie Anhörungen und Plenumsdebatten vorgeschlagen, die wir als Opposition auch allein durchsetzen können.“

Offensichtlich ist nun nicht ganz klar, ob sich die Berliner SPD-Führung tatsächlich zur Opposition gegen CDU, CSU und FDP zählt. Nicht nur die Abgeordneten der Regierungsparteien knickten hinsichtlich einer unabhängigen Überprüfung der Vorgänge in Afghanistan ein – auch der SPD-V0rsitzende Gabriel und die SPD-Bundestagsfraktion unter Führung von Frank-Walter Steinmeier, dem größten Wahlverlierer, den die Partei je gesehen hat.

Beide, Gabriel und Steinmeier, waren 4 Jahre Minister unter CDU-Kanzlerin Merkel mit ihrem sagenumwobenen Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (2005-2009). Dieser vertuschte sein Wissen über 130 Tote durch einen von deutschen Militärs vor Ort in Kunduz befohlenen Bombeneinsatz gegen eine Menschenmenge kurz vor der Bundestagswahl am 4.September 2009. Im Zuge der bis heute (auch durch die SPD-Obmänner im Untersuchungsausschuss) verschleppte Kunduz-Affäre musste Jung später als Arbeitsminister zurücktreten.

Warum krallen sich die ex-Minister der Merkel-Regierung Gabriel und Steinmeier mit Zähnen und Klauen an den Krieg in Afghanistan? Wie kann es sein, dass diese beiden Figuren ihre Partei systematisch ruinieren und Wahlerfolge verhindern? Was geht da eigentlich vor sich in der deutschen Besatzungszone?

Bevor die Bundestagsabgeordneten der SPD nicht in der Lage sind, den eigenen Bundeswehr-Soldaten diese Fragen zu erklären, sollten sie diese am 28.Januar des Jahres 2011 – über neun Jahre nach der Invasion – nicht länger unter Oberfehl der US-Regierung in Washington in einen „nichtinternationalen bewaffneten Konflikt“ des Nordatlantikpaktes in Afghanistan schicken.

Anm: die Afghanistan-Konferenz des SPD-Parteivorstandes fand im Dezember statt. Den Beschluss das Kriegsmandat für die Bundeswehr ein weiteres mal zu verlängern traf der SPD-Parteivorstand gestern auf einer Klausur in Potsdam. (4)

Quellen:
(1) http://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article1754215/Sellering-fordert-schnellen-Abzug-der-Bundeswehr.html
(2) http://www.spd-mv.de/index.php?option=com_content&view=article&id=234:unterstuetzung-fuer-sellering-forderung-nach-abzug-aus-afghanistan-&catid=4:landesverband&Itemid=93
(3) http://frithjof-schmidt.de/detail/nachricht/augen-zu-und-durch-3.html
(4) http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,738944,00.html

letzte Korrektur: 20.30 Uhr

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