Der EU-Reformvertrag von Lissabon (Teil 6)

Autor: Citizenking

In der heutigen Ausgabe unserer Artikelserie über die Inhalte des EU-Reformvertrages von Lissabon befassen wir uns mit den Lebensmittelstandards und mit der Rolle der Firma „Monsanto“ und anderen in diesem Zusammenhang. Wer bisher geglaubt hat, dass sich die Standards für Qualität in unseren Lebensmitteln halten lassen, muss diesen Gedanken wohl leider wieder verwerfen…

Deutschland als fortschrittlich-ökologisch ausgerichteter Industriestaat hat in der Vergangenheit einiges dafür getan, dass die Standards für die Qualität von Lebensmitteln auf einem relativ hohen Niveau angesiedelt waren. Trotz erheblicher Mängel bei den Kontrollen, wie wir bei den aufgedeckten „Gammelfleisch-Skandalen“ erfahren durften, bekamen die VerbraucherInnen im Vergleich zu anderen EU-Staaten Lebensmittel, die durch diverse ökologische Prüfsiegel einem einigermaßen hohen Standard entsprachen. Jedoch haben die verantwortlichen PolitikerInnen in den letzten Jahren wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Qualität unserer Lebensmittel innerhalb des gesetzlichen Rahmens verschlechtert hat. Nicht zuletzt durch die Ablehnung des Gesetzes zur Kennzeichnung von Inhaltsstoffen in Lebensmitteln haben unsere Abgeordneten schon angezeigt, dass ihnen nichts an einer klaren und uneingeschränkten Aufklärung über die Bestandteile unserer Nahrungsmittel liegt. Es wurde zum Beispiel u.a. beschlossen, dass Lebensmittel die Verunreinigungen (Pestizide, Herbizide, genmanipulierte Rückstände usw.) enthalten nur dann gekennzeichnet werden müssen, wenn die Schadstoffanteile unter einem Wert von 0,9% liegen. Somit gelten solche Nahrungsmittel unterhalb dieser Grenze als unbedenklich, obwohl sie Verunreinigungen enthalten. Schon das ist im Prinzip nichts anderes als vorsätzlicher Etikettenschwindel.

Doch was steckt dahinter ? Wäre es nicht im Interesse jeder VerbraucherIn wenn alle Inhaltsstoffe und Verunreinigungen auf den Verpackungen deutlich sichtbar aufgeführt werden müssten, ganz gleich zu welchem prozentualen Anteil sie in den Nahrungsmitteln enthalten sind ? Na klar ! Aber warum ist das dann nicht so ? Auch hier zeigt sich einmal wieder, dass die Interessen der BürgerInnen bezüglich eines umfassenden Verbraucherschutzes den Interessen von einigen großen Nahrungsmittelherstellern untergeordnet werden. Im Kapitalismus geht es nämlich nicht um die VerbraucherInnen, sondern um’s Geschäft. Und was da für Geschäfte gemacht werden zeigt uns das Beispiel der Firma „Monsanto“, die die Vorreiterrolle bei der Entwicklung genmanipulierter Lebensmittel übernommen hat. Die Konzernchefs dieser Firma haben einen weit reichenden Einfluss auf die Politik – und den nutzen sie vollkommen ungeniert aus.

Wer bewertet eigentlich die Risiken von genmanipulierten Stoffen in Europa ? Es handelt sich hier um ein Gremium namens „EFSA“ (European Food Safety Authority) oder auf Deutsch: „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“. Zu den renommierten Experten dieser Behörde gehören u.a. Harry A. Kuiper, Sirpa Kärenlampi und auch die Coryphäe Detlef Bartsch. Wer nun aber glaubt, dass z.B. die oben genannten Experten unabhängige Sachverständige sind, die dort zum Wohle der VerbraucherInnen ihren Job machen, den wird interessieren, das Harry A. Kuiper (als Vorsitzender der Behörde) der Co-Autor einer Studie über die „Risikobewertung in der Lebensmittelkette von Kindern“ ist, die im Rahmen einer Workshopreihe erarbeitet wurde, dessen Auftraggeber und Veranstalter die Firma Nestlé war. (Nestlé Nutrition Workshop Series, Pediatric Program, Vol. 44)

Sein Kollege in der Behörde, Sirpa Kärenlampi lässt seine Expertise über Proteine in genmanipulierten Pflanzen von der Firma Blackwell Science Ltd., Plant, Cell & Environment bewerben. Auch zwei Deutsche Experten der Behörde Detlef Bartsch und Joachim Schiemann sind bereits in die Schlagzeilen geraten, ja sogar in das kommerzielle Fernsehen. Bartsch steht unter dem dringenden Tatverdacht der „weitreichenden Interessenkollision“ (früher wurde so etwas Korruption, Vorteilsnahme und Bestechung im Amt genannt).

Bisher ist die EFSA schon zweimal zu der Ansicht gelangt, dass z.B. MON863xNK603 (MON-ØØ863-5xMON-ØØ6Ø3-6), eine genmanipulierte Maissorte, unbedenklich sei und für die europaweite Einführung und den uneingeschränkten Vertrieb geeignet ist. Doch nicht nur die Firma Monsanto ist an der Einführung und dem Vertrieb von genmanipulierten Stoffen innerhalb der EU interessiert. Auch die Firma Bayer Crop Science AG beabsichtigt eine genmanipulierte Sojabohnensorte in der EU anzubieten und zu vertreiben. Die Liste der Beantragungen für die Einführung und den Vertrieb genmanipulierter Stoffe ist lang…

Erst gestern war in den Nachrichten zu hören, dass auf der gerade eröffneten UN-Gentechnik Konferenz in Bonn, die weltweit größten Saatgutmanipulations-Konzerne (Monsanto, Du Pont, Bayer usw.) mit großem Druck versuchen, ihren Produkten das Tor zur Welt zu öffnen – allerdings wollen sie die Haftung daraus eventuell entstehender Schäden und Folgeschäden nicht übernehmen. Komisch, wenn die HerstellerIn einer Ware von ihrem Produkt überzeugt ist, dann wäre doch eine Haftungsgarantie die beste Werbung – oder trauen die Konzerne hier etwa ihren eigenen Produkten nicht ?
Naja, und wenn dann mal was „schiefgeht“, wird das eben danach ganz banal erklärt, sich dafür entschuldigt und der Schadenersatzforderung einer einzelnen KlägerIn entsprochen – denn aufgrund der satten Gewinne zahlt Monsanto das aus der altbekannten Portokasse.

Was springt für Monsanto denn heraus ? Laut dem Geschäftsbericht 2006 dieser Firma sind die Umsatzzuwächse enorm – und die Prognosen für das laufende Jahr sind nicht nur für die Anlegerinnen sehr attraktiv. Das System ist relativ einfach: Entziehe dem Agrarmarkt den konventionellen Samen, bzw. die konventionelle Anbaufläche, dann züchte genmanipuliertes Saatgut, lasse es patentieren und versorge anschließend die weltweite Landwirtschaft damit. Sind erst einmal alle davon abhängig, kannst Du den Preis jederzeit zu deinen Gunsten anheben und machst dich somit zur „Kornkammer“ der Welt. Durch die Patentierung erhältst Du nämlich alle Rechte an dem Produkt und die alleinige Kontrolle darüber. Sind die Böden weltweit mit transgenem Saatgut verseucht, kann dort auch nichts anderes mehr angebaut werden, weil weder den Wind, noch Vögel und Insekten interessiert, ob sie die Pollen von genmanipulierten Anbauflächen auf konventionelle Pflanzen übertragen.

In Kanada gibt es so gut wie keine konventionellen Rapsfelder mehr – hier hat Monsanto schon ganze Arbeit geleistet. Und damit diese „Drecksarbeit“ zukünftig noch leichter und weltüberspannender funktioniert, haben Monsanto und die Bayer Crop Sciences AG am 08.04.2008 einen Kooperationsvertrag zur fungiziden Saatbehandlung von Mais abgeschlossen. Das ist aber nur der Anfang, denn Monsanto hat noch viel vor, wie aus einem Artikel des Nachrichtenüberblickes der Website von „Proplanta“ zu entnehmen ist. Was genau können Sie aber nicht lesen, da der Artikel über die Monsanto-Strategie nur „Mitgliedern“ von Proplanta zur Einsicht gelangt…

Da sich die EU-Kommission bisher stets auf die Expertisen der EFSA verlassen hat ist zu erwarten, dass sie auch im Falle der beabsichtigten Einführung von genmanipulierten Stoffen in unsere Nahrungskette den Unbedenklichkeitsgutachten der EFSA folgen wird. Für uns und unsere Kinder brechen dann wohl recht finstere Zeiten an, wobei es dann nur zwei wirkliche Alternativen gibt. Entweder verbieten wir den PolitikerInnen den EU-Reformvertrag zu unterzeichnen, oder wir betreiben den kommerziellen Anbau von Lebensmitteln auf unseren Balkonen. Schade nur, dass nicht jede BürgerIn über einen eigenen Balkon verfügt…

Lese-Empfehlung: http//post.ostate.org

Aktions-Link: www.myspace.com/Stop_the_lisboa_treaty

-CK-

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