„Mit einer Schwangerschaft beginnt für Hartz IV-Bezieherinnen oftmals eine Odyssee durch den deutschen Sozialstaat, der sich in den letzten Wochen wiederholt gegen das ungeborene Leben richtet“,
berichtet die Süddeutsche Zeitung am Freitag (1). Nach Ansicht des Erwerbslosen Forum Deutschland ein eklatanter Verstoß gegen des Schutz des ungeborenen Lebens. In den letzten Wochen hatte die Initiative mehrere Fälle gesammelt, in denen Jobcenter schwangeren Hartz IV-Bezieherinnen die Grundsicherung zu 100 Prozent gestrichen hatte. Daraufhin wurden in einem Brief (2) die Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt aufgefordert, auf Sanktionen gegen werdende Mütter generell zu verzichten.
„Wir sind der Meinung, dass Sanktionen auf Null bei Schwangerschaft sich kaum im Einklang mit dem Schutz des ungeborenen Lebens vereinbaren lassen. Dennoch hält es die Bundesregierung für ganz normal, dass auch Schwangere und ihr ungeborenes Leben sanktioniert werden, wenn wir die Antwort des Arbeitsministeriums betrachten, in der auf eine offizielle Anfrage von Linken-Chef Klaus Ernst geantwortet wurde,“
so Martin Behrsing, Sprecher des Erwerbslosen Forum Deutschland.
Nach den Skandalen um die Hartz IV Leistungskürzungen auf Null Euro gegen zum Teil hochschwangere Frauen aus dem ganzen Bundesgebiet, hatte Klaus Ernst (DIE LINKE) am Mittwoch , dem 26. Januar, eine offizielle Anfrage an die Bundesregierung gestellt und nach der Begründung von Ein-Euro-Jobs an Schwangeren und deren Sanktionierung vor dem Hintergrund der gesetzlichen Zweckbestimmung von Arbeitsgelegenheit gefragt. Dabei ging es auch um die Sinnhaftigkeit dieser Ein-Euro-Jobs, weil werdende Mütter spätestens mit Eintreten in den gesetzlichen Mutterschutz nicht mehr dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen können. Dies auch vor dem Hintergrund, dass in den vergangen Tagen mehreren Schwangeren im ALG II-Bezug vollständig die Leistungen gekürzt wurden und vom Jobcenter eine Verkürzung der Sanktionen verwehrt wurde, weil durch die Sanktionierung ein „Interesse für die Allgemeinheit“ besteht.
Das Arbeitsministerium wollte dies jedoch nicht so sehen und antwortete, dass bei einer Schwangerschaft ein Ein-Euro-Job nicht grundsätzlich unzumutbar sei oder an einer Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Außerdem käme es auf den Einzelfall an. Zu einer vollständigen Leistungskürzung käme es nur, wenn der Hilfebedürftige wiederholt zumutbare Tätigkeiten oder Eingliederungsmaßnahmen ohne wichtigen Grund ablehne (3). Bei den vom Erwerbslosen Forum Deutschland aufgezeigten Fällen kam es auch ohne wiederholte Ablehnung von sogenannten zumutbaren Tätigkeiten zur vollständigen Leistungseinstellungen.
„In der Antwort der Bundesregierung wird schlichtweg ignoriert, dass die Arbeitsgelegenheiten gesundheitlich unzumutbar waren oder schon das Zustandekommen solcher Maßnahmen rechtswidrig waren“,
so Behrsing weiter. Angesichts der gehäuften Fälle von Sanktionen gegen schwangere junge Frauen fordert das Erwerbslosen Forum Deutschland den sofortigen Stopp von Sanktionen gegen schwangere Frauen. Grundsätzlich hätte sich der Staat schützend vor das ungeborene Leben zu stellen.
„Wenn eine Arbeitsministerin, die christliche Werte besonders hoch hält, allerdings daran fest halten möchte, dass ungeborenes Leben bei Hartz IV weniger bedeutet, stimmt mit ihrer religiösen Haltung etwas grundsätzlich nicht“,
so Martin Behrsing.
In einem Fall musste selbst die Bundesagentur für Arbeit gegenüber der Süddeutschen Zeitung zugeben, es habe „an Fingerspitzengefühl gefehlt“, nachdem eine junge Frau aus Passau ausgerechnet in einer Großküche zum Ein-Euro-Job antreten sollte. Dabei hätte schon vorher klar sein müssen, dass der Einsatz von Schwangeren in Großküchen einem generellen Beschäftigungsverbot, wegen der schweren körperlichen Arbeit, unterliegt.
In jüngster Vergangenheit war das Erwerbslosen Forum Deutschland immer wieder damit konfrontiert, dass junge schwangere Frauen, die im Hartz IV-Bezug stehen, von Jobcentern auf Null sanktioniert wurden. In einigen Fällen wurde den werdenden Müttern rechtliche Hilfe besorgt. Daraufhin mussten die Jobcenter die Sanktionen zurück nehmen. Ebenso häufen sich auch Beschwerden von jungen Schwangeren, wonach es den Mitarbeitern in Jobcentern an der notwendigen Sensibilität und Respekt gegenüber werdenden Müttern mangelte, Anträge zum Teil unvollständig oder viel zu spät bearbeitet wurden und Mitarbeiter mangelhaftes rechtliches Fachwissen aufwiesen.
Die Beobachtungen der Initiative decken sich mit den Ergebnissen der von der Mutter-Kind-Stiftung in NRW in Auftrag gegebenen Befragung an Schwangeren und ihren Erfahrungen mit den Jobcentern. Von rund 14.000 Fällen, in denen im ersten Quartal 2010 bedürftige schwangere Frauen Kontakte mit den ARGEN hatten, mussten in knapp 5600 Fällen Beratungsstellen intervenieren, damit die Frauen die ihnen rechtlich zustehenden Hilfen erhielten – oder überhaupt davon erfuhren.
„Diese hohe Zahl an Falschberatung und Rechtsverweigerung ist erschreckend. Wenn hilfsbedürftige werdende Mütter beinahe zwingend rechtliche Hilfe der Schwangerschaftsberatungsstellen benötigen, wirft dies ein beschämendes Licht auf die Jobcenter“,
so Behrsing in Bonn.
Quellen:
(1) http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/518684
(2) http://www.elo-forum.net/wp-content/uploads/2011/01/Schreiben_U_v_Leyen_H_Alt_wg_Schwangerschaft2.pdf
(3) http://www.elo-forum.org/attachments/news-diskussionen-tagespresse/33496d1296066809-schreiben-bundesarbeitsministerin-hartz-iv-gilt-schutz-ungeborenen-anfrage-schwangerschaft.pdf