Die Bevölkerung ist weiter auf der Straße. Es gibt keine Auseindersetzungen mit dem Militär, dessen Präsenz von den Demonstranten freundlich aufgenommen wird. Die Polizei ist nicht präsent und vollständig abgetaucht. Es sind keine neuen Todesopfer zu beklagen. Die hohe Zahl der von Nachrichten-Medien gemeldeten Todesopfer summiert sich aus den vier Tagen des landesweiten Volksaufstandes, dessen Ausmaß erst jetzt vollständig bekannt wird. Nach der US-Regierung von Präsident Barack Obama in Washington, mitsamt ihren Ablegern bei UNO und „Europäischer Union“ (EU), ruft nun auch die unter dem Regime des Diktators Husni Mubarak unterdrückte Muslimbruderschaft zu einem friedlichem Machtwechsel auf.
Noch versucht sich Diktator Mubarak im Amt zu halten. Doch die Menschen wollen „einen Regime-Wechsel, keinen Wechsel im Regime“, wie es jemand im Twitter Kanal von Al Jazeera gestern nach der Rede Mubaraks vom Abend ausdrückte. Eine Entlassung der Regierung Mubaraks bedeutet den Menschen nichts, sie wollen seinen Rücktritt und eine grundlegende Reform der Verfassung, also eine demokratische Republik Ägypten.
Nur die der rechtsradikalen Regierung Israels nahestehende Medien, wie die „Welt“ des Berliner Springer-Verlages, versuchen die Lage in Ägypten noch heisszureden. Das wird scheitern.
Hinter den Kulissen wird nun intensiv verhandelt. Die entscheidende Figur dabei dürfte der aus Washington zurückgekehrt Generalstabschef Sami Enan sein. Er hatte sich just seit Beginn des Volksaufstandes zu Gesprächen mit der US-Regierung in der US-Hauptstadt aufgehalten. (28.Januar, Volksaufstand in Ägypten: Ticker)
Die Menschen demonstrieren und geniessen ihre neue Versammlungsfreiheit, die sie sich selbst erkämpft haben. Entscheidender wird für die Zukunft einer Republik Ägypten sein, ob die Menschen auch ihre Freiheit zur politischen Organisation erkennen und aktiv wahrnehmen.
Denn nach dem Kampf auf den Straßen hat hinter den Kulissen der Wahlkampf längst begonnen. Dabei geht es nicht nur um die anstehende Präsidentschaftswahl, bei der Mohammed El Baradei sicher eine wichtige, aber ganz sicher nicht die einzige Rolle spielen wird. Es geht auch um neue Parteien, die sich bereits jetzt formieren, um die zu erwartenden Parlamentswahlen und eventuell auch um eine vorhergehende Nationalversammlung, die eine neue Verfassung beschliesst.
Dabei wird ein besonders Augenmerk auf das Finanzsystem der neuen Republik Ägypten zu legen sein. Eine staatlich kontrollierte Zentralbank und ein Währungssystem, welches das gesetzlose internationale Bankensystem im eigenen Land entmachtet und den Kapitalfluss Regeln unterwirft, könnte wahrlich vorbildlich sein – nicht nur für muslimische Länder.
Diejenigen, die das am schnellsten begreifen und die eigenen politischen Kräfte organisieren können, werden aus dem vermeintlichen „Chaos“ eines erfolgreichen Volksaufstandes gegen Diktatur und Polizeistaat schnell als politische Sieger eines neuen, freien Ägyptens hervorgehen, dessen „Entscheider“ nicht selbsternannt, sondern gewählt sind und wenn es sein muss auch gezwungen werden können, das eigene Wohl dem des Volkes unterzuordnen.
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