Anklage wegen Besetzung des Abrissbaggers am Nordflügel
Heute wurden sechs Aktivistinnen und Aktivisten von ROBIN WOOD und von den Parkschützern einkommensabhängig zu 15 Tagessätzen von 5 bis 20 Euro verurteilt. Die Angeklagten werden Berufung einlegen, obwohl diese bei bis zu 15 Tagessätzen erschwert ist: Es besteht eine sogenannte „Annahmeberufung“, d.h. man kann zwar einen Antrag auf Berufung stellen, aber letztlich entscheidet das Landgericht, ob der Antrag angenommen wird. Daher sieht der Verteidiger der Angeklagten im Urteil den Versuch, die Angeklagten ruhig zu stellen und sie von einer Berufung abzuhalten. In einer 8-stündigen Anhörung mussten sich die S21-Gegner gegen ihre Kriminalisierung vor Gericht wehren. Sie hatten im August vergangenen Jahres gegen Stuttgart 21 demonstriert und waren in der Nähe eines besetzten Abrissbaggers am Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs von der Polizei angetroffen worden. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Hausfriedensbruch vor und hatte ihnen Strafbefehle über 30 Tagessätze à 20 Euro zugeschickt. Alle Angeklagten hatten Einspruch dagegen eingelegt.
Zu Beginn musste die Richterin die Sitzung für etwa eine halbe Stunde zur Beratung unterbrechen, weil die Angeklagten einen Antrag auf einen schusswaffenfreien Gerichtssaal stellten. Dieser Antrag bezieht sich auf die Tatsache, dass Polizisten, die als Zeugen vor Gericht aussagen, ihre Dienstwaffe nicht vor dem Gerichtssaal ablegen müssen. Der Antrag wurde abgelehnt.
Rückblick: Am 30. August 2010 demonstrierten AktivistInnen von ROBIN WOOD und den Parkschützern gemeinsam gegen den Abriss des Stuttgarter Hauptbahnhofs im Rahmen des Prestigeprojekts Stuttgart 21. Drei GegnerIinnen kletterten in den frühen Morgenstunden auf einen Abrissbagger, hängten Transparente an den Greifarm und forderten einen Bau-Stopp.
Die Aktion richtete sich dagegen, dass die Deutsche Bahn – trotz massenhafter Proteste gegen den überteuerten und unsinnigen Bahnhofsneubau – weiter Fakten schaffte, indem sie den Nordflügel des bestehenden Bahnhofs abreißen ließ. Nach rund fünf Stunden wurden die drei Kletterer von der Polizei geräumt. Zwei von ihnen wurden am 7. Dezember 2010 bereits zu einer Geldstrafe verurteilt und haben dagegen Rechtsmittel eingelegt. Von den Umstehenden nahm die Polizei Personalien auf, fotografierte sie und nahm sie in Gewahrsam. Obwohl gerichtlich festgestellt wurde, dass die UmweltschützerInnen umgehend aus dem Gewahrsam zu entlassen sind, blieben alle bis zum Ende der Baggerräumung weggesperrt – und bekamen anschließend obendrein Strafbefehle nach Hause geschickt.
ROBIN WOOD und die Parkschützer sehen in der Androhung hoher Geldstrafen den Versuch, Aktionen des zivilen Ungehorsams zu kriminalisieren und – gerade jetzt, da sich der Widerstand neu formiert – Bürger abzuschrecken, sich gegen S21 zu wehren.