Ministerpräsident David Cameron: „Die Gegner des britischen Waffenhandels sind „completely at odds with reality“ – völlig im Widerspruch mit der Realität“
Verteidigungsminister Lian Fox: „Grossbritannien muss sich ein gesundes Stück, „a healthy slice“, vom Waffenmarkt des Mittleren Ostens sichern.“
David Cameron sagte oben genanntes Zitat als Reaktion auf die Kritik an seinem dreitägigen Besuch Anfang dieser Woche in die Golfregion, der offiziell für die Öffentlichkeit den Bemühungen um die Förderung der Demokratie im Mittleren und Nahen Osten galt – allerdings stellte sich recht schnell heraus, dass sich in seinem Schlepptau die Vertreter der acht führenden britischen Rüstungskonzerne wie British Aerospace oder Thales befanden. Unter anderem beteiligten sich an diesem illustren Kriegskreis auch Ian King, Geschäftsführer von BAE Systems als ranghöchste Figur der Wirtschaftsdelegation, Victor Chavez von Thales UK und Alastair Bisset von Qinetiq. Fast ein Viertel der 36-köpfigen Wirtschaftsdelegation bestand aus Vertretern der Verteidigungs- und Luftfahrtindustrie.
Kritiker verurteilten Cameron für die Fortsetzung seiner Reise trotz der Niederschlagung der Demonstranten in der gesamten Region. Kevan Jones, der Schatten-Verteidigungsminister, sagte:
„Die Rüstungsindustrie ist von entscheidender Bedeutung für Grossbritannien, aber viele Leute werden überrascht sein, dass sich der Ministerpräsident in dieser Woche aller Wochen zur Stärkung der Waffenlieferungen im Mittleren Osten befindet.“
MP Denis MacShane, ehemaliger Minister des Auswärtigen Amtes fügte hinzu:
„Es zeigt die Unempfindlichkeit und Grobheit des Ministerpräsidenten, dass er Waffenverkäufer mit einem hohen Auftragsbestand auf seine Nahost-Reise mitgenommmen hat.“
Während seiner „Geschäftsreise“, die Cameron am 21.Februar 2011 nach einem hastig eingelegten Zwischenstopp in Ägypten – wo ihn der „Geist der Proteste inspirierte“ – nach Kuwait führte, wurde der britische Premierminister von einer Delegation hochrangiger Vertreter der acht führenden britischen Rüstungskonzerne begleitet. Cameron sagte, es wäre falsch, diese „armen“ kleinen Golfstaaten auf sich allein gestellt sich selbst zu überlassen.
Auf einer Rede am 22.Februar anlässlich des 20. Jahrestages der Vertreibung Saddam Husseins in Kuwait, einem wichtigen militärischen Verbündeten, sagte Cameron: „Die Idee, dass wir erwarten sollten, dass kleine und demokratische Länder wie Kuwait alle Mittel für die Herstellung ihrer benötigten Verteidigungsausrüstungen haben erscheint mir völlig im Widerspruch mit der Wirklichkeit.“
Der britische Premier reagierte mit diesen Worten während einer Pressekonferenz mit seinem kuwaitischen Amtskollegen auf die Konfrontation einer Frage eines einheimischen Reporters, wie er die Förderung von Reformen und Demokratie im Mittleren Osten vereinbaren könnte, wenn er gleichzeitig mit Geschäftsleuten unterwegs ist, die ihn zum Verkauf von Waffen an die Region begleiten. (1)
Cameron sagte weiter: „Ich verstehe einfach nicht, weshalb Sie nicht verstehen können, dass Demokratien das Recht besitzen, sich zu verteidigen. Ich habe gedacht, dass dieses Argument besonderes Gewicht hier in Kuwait hätte, das vor zwanzig Jahren von einem brutalen Nachbarn überfallen wurde. Ihr Nachbar, der Ihre Souveränität nicht respektierte, drang in Ihr Land ein und zerstörte Teile der Hauptstadt.
Bei einem so ordnungsgemäss regulierten Handel in der Verteidigung ist nichts, dessen wir uns schämen sollten. Das unterstreicht die Tatsache, dass britische Unternehmen bei diesem Besuch wie British Aerospace oder Thales oder andere dabei sind, die das volle Recht in dieser Hinsicht für sich beanspruchen.“
Großbritannien hat 1155 genehmigte militärtechnische Ausfuhrlizenzen für Kuwait seit dem Jahr 2003.
Die Schlüsselrolle der Angebote, die in dieser Woche auf den Tisch kamen, spielte der Verkauf von Eurofightern in die Golfstaaten.
In den fünf unterzeichneten Absichtserklärungen tauchen Begriffe zum Waffenhandel nicht auf sondern wurden mit „Energie und Technologie“ umschrieben.
Wie hoch die Abkommen zu den neuen Rüstungsvereinbarungen sein müssen, lässt sich nur vermuten. Immerhin beeilte sich der Premierminister von Kuwait, Scheich Nasser Mohammed al-Ahmed al-Sabah, zu versichern, dass nicht nur der Waffenhandel eine Rolle spielen würde:
„Die verehrten Delegierten, die mit dem Ministerpräsidenten angekommen sind, vertreten verschiedenen Angelegenheiten – nicht nur militärische Aspekte – in unserem Vier-Jahres-Plan beträgt dieses Budget 70 Milliarden Pfund. Wir.. begrüssen alle britischen Unternehmen und gehen mit ihnen gemeinsam vorwärts.“
Inzwischen hielt sich Gerald Howarth, ein britischer Mitarbeiter des Verteidigungsministers zu Besuch der grössten Waffenmesse International Defence Exhibition and Conference (IDEX) in der Region in Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) auf, wo weitere 93 britische Unternehmen ihre Waren anpriesen. Zu diesen Artikeln gehörten Gummigeschosse und CS-Gas sowie schwer gepanzerte Transporter gegen die Niederschlagung von Aufständen und Menschenansammlungen. (2)
Dass auch die führenden deutschen Rüstungskonzerne an diesem Futternapf voller fetter Knochen nicht fehlen versteht sich von selbst.
Erst einen Tag vor seiner Reise, am vergangenen Wochenende musste Cameron zugeben, dass die Zusicherung, dass keine britische Waffen gegen Demonstranten eingesetzt wurden, in Libyen und Bahrain gescheitert waren – obwohl angeblich Grossbritannien einige der härtesten Regeln für Waffenexporte in der Welt hat.
Der britische Verteidigungsminister Liam Fox verteidigte am 22.Februar die Waffengeschäftsreise seines Premiers in die arabische Welt. Grossbritannien soll sich eine gesunde Portion – „a healthy slice“ – des Verteidigungsmarktes im Mittleren Osten sichern.
Der „Fuchs“ – Mitgründer der Amerikanisch-Britischen Denkfabrik „Atlantic Bridge“ – drückte sich in seinem Vokabular zur Beschreibung der Geschäfte der Rüstungskonzerne sehr gewählt aus: ein „defence market“ ist ein Begriff, der nicht negativ besetzt ist, schlieslich hat jeder Mensch bei einem Angriff das Recht auf Selbstverteidigung.
Diese Lobbyisten und Erfüllungsgehilfen der Rüstungsindustrie tragen dazu bei, dass diese Waffen zur Unterdrückung von Aufständen gegen diktatorische Regime oder gegen ein anderes Land eingesetzt werden, wenn Staaten bis an die Zähne bewaffnet sich als Nachfolger des Römischen Imperiums fühlen.
Es wurden immer mehr Stimmen laut, die ihre Bedenken zum Ausdruck brachten, dass in Grossbritannien produzierte Geräte verwendet werden, um die derzeitige Welle der populären Unruhen zu unterdrücken.
Anlässlich einer Veranstaltung des Civitas Think Tank in London sagte Fox, dass diese Fragen auf einer „case-by-case“-Basis behandelt werden sollten, je nachdem, wie sich die Ereignisse in den betroffenen Ländern entwickeln und meinte in typischer überlegener Kolonialherrenmanier:
„Wir haben festgestellt, dass die Länder ein Recht auf Selbstverteidigung haben und nicht alle von ihnen verfügen über eine Rüstungsindustrie, so dass sie immer extern kaufen müssen.
Ich möchte für das Vereinigte Königreich sichergestellt haben – in den Grenzen, die wir uns selbst aus ethischen Gesichtspunkten zu den „defence“-Exporten gesetzt haben – eine gesunde Scheibe davon erhält.
„Es gibt immer noch eine grosse Anzahl von Unbekannten da draussen und wir müssen die Dinge auf einer Fall-zu-Fall-Basis betrachten.“ (3)
Ausserdem würde man diesen Ländern den Gefallen schuldig sein, so Fox, schliesslich unterstützen sie die britischen Truppen auf ihrem Weg zu den Einsätzen in Afghanistan – dem längsten Kriegsschauplatz in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika.
Quellen:
(1) http://www.guardian.co.uk/politics/2011/feb/22/david-cameron-britain-arms-trade
(2) http://www.guardian.co.uk/politics/2011/feb/21/cameron-cairo-visit-defence-trade?INTCMP=SRCH
(3) http://www.independent.co.uk/news/uk/politics/liam-fox-defends-mideast-arms-sales-2222027.html