Analyse: Der Libyen-Krieg bricht politisch zusammen
Offensichtlich herrscht nicht nur in der deutschen Öffentlichkeit einige Verwirrung darüber, was zur Zeit in Libyen eigentlich vor sich geht. Hier eine kurze, subjektive Zusammenfassung.
Die „New York Times“ (1) berichtet, dass US-Präsident Barack Obama bereits „vor einigen Wochen“ offenbar durch einen Exekutiv-Befehl (Exekutive Order) die Bewaffnung und „andere Unterstützung“ der Aufständischen bzw Putschisten in Libyen durch die CIA genehmigte. Die Quelle dieses Berichtes waren anonyme „US Officials“. Nahe liegt, dass es sich dabei nicht um US-Regierungsbeamte, sondern Kongressabgeordnete wie den im Bericht zitierten Vorsitzenden des permanenten Geheimdienste-Ausschusses Mike J. Rogers (Republikaner) handelt. Rogers war zusammen mit anderen Parlamentariern durch den Präsidenten, Außenministerin Hillary Clint0n, den Leiter der Vereinigten Generalstäbe des US-Militärs (“Chairman of the Joint Chiefs of Staff”) Michael Mullen, den Nationalen Sicherheitsberater Tom Donilon, sowie dem Leiter des US-Afrikakommandos (Africom) in Stuttgart, General Carter Ham, erst am Freitag (25.März) über den laufenden Libyen-Krieg unter Beteiligung der US-Streitkräfte infomiert worden.
Einen Tag zuvor hatte sich der Sprecher des Hauses John Boehner, zweithöchster Repräsentant der Vereinigten Staaten von Amerika, in einem sehr ungewöhnlichen Schritt per offenen Brief an Präsident Obama über die ausgebliebene Einholung der Zustimmung, sowie fehlende Informierung des Kongresses zum Eintritt in den Libyen-Krieg beschwert. Nach Angaben von Repräsentantenhaus-Sprecher Boehner war er erst am 21.März durch Obama in einem Brief über den Libyen-Krieg informiert worden – vier Tage nach Annahme der UNO Resolution 1973 (einer umfassenden Kriegsvollmacht gegen Libyen) im UNO Sicherheitsrat und zwei Tage nach Beginn des offenen Angriffs auf Libyen durch die regulären Streitkräfte der USA. Ein klarer Verfassungsbruch durch Obama – nur der Kongress darf für die Vereinigten Staaten den Krieg erklären, nicht der Präsident. (Imperator Obama hat da ein Problem, 27.März)
Bereits zum Zeitpunkt des durch den Kongress erzwungenen Briefings durch die Exekutive – was offensichtlich unzureichend war und nur in einer Telefon- und Videokonferenz durchgeführt wurde – hatte das US-Parlament Anhörungen für die US-Regierungszentrale („Weisses Haus“) angesetzt. Diese Anhörungen, bei denen sich die Obama-Administration sehr peinlichen Befragungen unterziehen lassen muss, werden diese Woche durchgeführt.
Dass nun heute auch die britische Regierung über die „Times“ den Einsatz des britischen MI6 im libyschen Bürgerkrieg bekannt gab (21), ist sekundär und kann als Entlastungsversuch für die Obama-Administration gewertet werden. Bereits vor Wochen wurde unter den üblichen unsinnigen Ausreden bekannt gegeben, dass die Rebellen in Ost-Libyen mit Sprengstoff, Laptops, Satellitentelephonen, satellit-gestützten Internetverbindungen, GPS-Geräten, mit Sonnenenergie betriebene Infrastruktur, Landkarten, Kreditkarten und jeder Menge falscher Pässe aus Großbritannien ausgerüstet sind, welche die britischen SAS und MI6 angeblich bei ihrem offiziellen Besuch in Benghazi vor ein paar Wochen „verloren“. Sogar Passwörter, Codes, etc, sollen die Spezialeinheiten irgendwo versehentlich liegen gelassen haben – samt einem Zugang zum weltweiten Kommunikationssystem des britischen Militärs (22). Nun, wer das glaubt, will Idiot sein.
Der aktuelle Hintergrund für die Öffentlichmachung des Geheimbefehls von Obama und die direkte Unterstützung und Bewaffnung der Aufständischen in Libyen durch die CIA ist der Versuch eine öffentlichen Kampagne zwecks offizieller Bewaffnung der Aufständischen zu starten. Auf der gestrigen, durch die Regierungen von Frankreich und Großbritannien einberufenen Londoner Konferenz (hier die offizielle Teilnehmerliste), hatten unter allerlei Gewäsch die Regierungen von Nicolas Sarkozy und David Cameron zusammen mit Clinton für eine offizielle Bewaffnung der libyschen Aufständischen durch ausländische Militärmächte ausgesprochen. Wie sich der britische Aussenminister William Hague äußerte, beinhalte Resolution 1973 die Ermächtigung
„Menschen Hilfe zu geben, sich unter bestimmten Umständen selbst zu verteidigen“.
Clinton zum selben Thema im gleichen Pressekonferenzraum, nur 15 Minuten nach ihrem britischen Amtskollegen Hague:
„Es ist unsere Interpretation, dass 1973 das absolute Verbot für Waffenlieferungen an jeden in Libyen ergänzt oder aufgehoben hat, so dass es einen legitimen Transfer an Waffen geben könnte, wenn sich ein Land dazu entschliessen sollte.“ (2)
Clinton folgte damit dem Imperator mit neuen Kleidern, Barack Obama. Dieser hatte bereits letzten Freitag, am Tage des vom Kongress erzwungenen Briefings, einen kleinen Verzweiflungsballon aufgeblasen. Ziel war es, das längst Reale dem Offiziellen anzupassen: die Bewaffnung der lybischen Putschisten durch die USA.
Gummipuppe Jay Carney gab wirklich alles: UNO Resolution 1973 sei „flexibel“ genug dies zu gestatten. „Wenn wir denken würden, das sei der richtige Weg“, so der Sprecher Obamas, sei die Bewaffnung der Aufständischen eine „Möglichkeit“. (3)
Wie Radio Utopie bereits einen Tag nach Annahme von Resolution 1973 im Sicherheitsrat ausführlich darstellte, beinhaltet UNO Resolution 1973 in der Tat auch eine Änderung von Paragraf 11 der am 26.Februar im New Yorker Sicherheitsrat beschlossenen UNO Resolution 1970, dem sogenannten „Waffenembargo“ gegen Libyen. Der Ersatz von Paragraf 11, Resolution 1970, durch einen neuen Ermächtigungstext in Res.1973 hebt u.a. für die Angreiferstaaten bzw deren an See-, Luft- und Landblockaden teilnehmenden Militärs die Verpflichtung auf, sich an die eigenen Gesetze oder internationales Recht zu halten. (Analyse zur UN-Resolution: Eine umfassende Kriegsvollmacht gegen Libyen, 18.März)
Dennoch war Clintons und Obamas gestriger Vorstoß, in Koordination mit den Regierungen Sarkozy und Cameron, schon bei seiner Präsentation am Mittwoch nach der Londoner Konferenz politisch mausetot.
Bereits am Abend vorher hatte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, später Teilnehmer der Londoner Konferenz am Mittwoch, in einem Interview mit dem britischen Sender Sky News erklärt, dass die Nato eine Bewaffnung der libyschen Aufständischen ablehne. Rasmussen wörtlich (4):
„Unsere Aufgabe ist es, Menschen zu schützen, nicht, sie zu bewaffnen“
Und schon am Sonntag hatte der Nordatlantikpakt nach seiner Konferenz auffällig unauffällig erklärt, im libyschen Bürgerkrieg „unparteiisch“ („impartial“) zu sein. (5)
Dabei bekundete die Nato die Absicht, vollständig die Kontrolle über die militärischen Angriffe und Operationen in und gegen Libyen zu übernehmen. Wann dies geschehen solle, wurde aber nicht gesagt. Man werde die Übergabe des Kommandos von der „Koalition“ – also der selbst zusammengesetzten und willkürlich entstandenen Kriegsallianz – „sorgfältig koordinieren“, hiess es da so schön, um eine „vollständige militärische Deckung“ zu gewährleisten.
Das war die übliche, verbrämte Zusage – mithin ein Kompromiß zwischen den Nato-Staaten – dass man den bereits laufenden, willkürlichen Bodenoperationen der Spezialeinheiten und Agenten aus der Kriegsallianz nicht in die Quere kommen, sondern diesen einen geordneten Rückzug ermöglichen würde.
Heute erklärte nun die Nato, sie habe das „alleinige Kommando“ über die Maßnahmen zum „Schutze von Zivilisten“, das „Waffenembargo“ (also die Luft-, See- und Landblockade Libyens), sowie über den Luftkrieg zur Durchsetzung des Flugverbotes übernommen. (6)
Von Bodenkrieg, Spezialeinheiten, Agenten, Söldner-Truppen, etc, pp, ist zwar keine Rede. Dennoch setzten dem gegenüber die Staaten der Kriegs-Allianz bisher in Libyen willkürlich alle Kräfte ein, um den Putsch gegen Gaddafi voran zu bringen und den Aufständischen einen militärischen Vormarsch zu ermöglichen. Alibi war stets der „Schutz von Zivilisten“, für dessen vermeintlichen Zeck UNO Resolution 1973 – eine umfassende Kriegsvollmacht – „alle notwendigen Maßnahmen“ legitimiert hatte.
Ein Beispiel: am Samstag (26.März) rückten Einheiten der Aufständischen – von denen wir heute durch offizielle Verlautbarungen wissen, dass die CIA eine von US-Präsident Obama erteilte Genehmigung hatte diese zu bewaffnen und zu unterstützen – in Ajdabiya ein. Vorher hatten britische Tornado-Kampfbomber vier Panzer der Regime-Kräfte von Diktator Muammar el Gaddafi in einem Luftschlag vernichtet. Anschließend bequemte sich der Verteidigungsminister ihrer Majestät vor die königliche Presse und erklärte, die Panzer hätten „Zivilisten bedroht“. (7)
Als dann die Nato auf ihrer Konferenz am 27. den Schalter umlegte und sich „unparteiisch“ zu positionieren, liess man in der britischen Regierung dann schließlich alle falschen Hemmungen fallen. Londons Militärminister Liam Fox erklärte unverblümt, er habe überhaupt „keinen Zweifel“, dass die Angriffe seiner Streitkräfte den libyschen Aufständischen helfen würden. (8)
Auf „Sky News“ machte man das – in Deutschland oft mißverstandene – Kürzel RAF von „Royal Air Force“ gleich zu „Rebel´s Air Force“ (9) und äußerte sich immer kritischer zu den Vorgängen im Libyen-Krieg, sowie der Rolle der obskuren Rebellen, die man da unterstütze. Überhaupt fragten sich nun immer mehr Beobachter, ob sie eigentlich Beobachter oder lediglich Vollidioten mit Schlips sind.
Die Kriegs-Allianz bzw „Koalition“ der Angreiferstaaten auf Libyen besteht faktisch aus einer Liste von Regierungen und Regimen, die mit einer einfachen Notiz an UNO Generalsekretär Ban Ki Moon die Erlaubnis zur Kriegführung nach eigenem Gutdünken in einem anderen souveränen Staat einholten. Dies waren die Regime, Machthaber und Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, vom Vereinigten Königreich (Großbritannien), von Frankreich, der Monarchien Spanien, Belgien und Dänemark, vom Emirat Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten, sowie von Italien, Norwegen und Kanada.
Das Emirat Katar, namentlich dessen „Premier- und Aussenminister“ in Personalunion, Hamad Bin Jassim Bin Jabr Al-Thani, hatte bereits am 20.Februar „das Schweigen der internationalen Gemeinschaft“ im entstehenden libyschen Bürgerkrieg kritisiert und eine Intervention des Auslands gefordert. Zu diesem Zeitpunkt war abzusehen, dass das Gaddafi-Regime in Tripolis nicht wie angepeilt kollabieren würde, sondern dabei war, effektive Gegenmaßnahmen einzuleiten. Al-Thani beschwerte sich beim Haus- und Hofsender Al Jazeera (der seinen Sitz in Katar hat) und vereinbarte mit Amr Moussa eine Sondersitzung der Arabischen Liga bereits am 21.Februar. (11)
Später gehörte Katar zu den treibenden Kräften des Eingreifens auf Seiten der Aufständischen in Libyen, deren Führung in entscheidenden Schlüsselpositionen von Anfang an Putschisten aus dem Gaddafi-Regime selbst inne hatten. Die Stellung dieser Putschfraktion innerhalb des libyschen Aufstands, in dessen Wasser sie sich wie die Pressefische bewegten, wurde durch entsprechende Maßnahmen wie der Anerkennung der obskuren Gegenregierung von Benghazi durch ausländische Militärmächte wie Frankreich noch verstärkt. Eine in Benghazi sitzende Gegenregierung war durch einen Teil der Aufständischen immer abgelehnt worden, da er eine Teilung des Landes zur Folge haben könnte. Genau vor dieser Teilung steht Libyen zur Zeit.
Zur Rolle von Al Jazeera ist noch hinzuzufügen, dass nach der geglückten Revolution der Ägypter dieses Medium zu einem bizarren interventionistischen und bellizistischem Medium mutierte, das im Rahmen des unmittelbar folgenden Putsches bzw Aufstands in Libyen rein zweckdienlich dem Krieg und nicht mehr der Informierung der Weltöffentlichkeit zuarbeitete.
In den letzten 48 Stunden gab es nun, surpise, surprise, keinen Luftangriff der Kriegs-Allianz auf die Gaddafi-Truppen mehr. Der von der Nato am Sonntagt (27.März) angekündigte Übergang zur eigenen Kommandoübernahme, mit der Festellung der eigenen „Unparteilichkeit“ im libyschen Bürgerkrieg, zeigte seine Wirkung. Dementsprechend fragte man sich auf Al Jazeera (11.18 a.m.), angesichts des prompt einsetzenden Vormarsches der regimetreuen Truppen Gaddafis, wo denn nun die Luftangriffe zugunsten der Rebellen blieben:
„Die Frage ist nun, wo die Luftangriffe der internationalen Koalition auf Gaddafis Truppen bleiben, während diese von Nawfaliya nach Bin Jawad und Ras Lanuf (Ras Lanouf) vorrücken. Gehorchen sie dem Wortlaut von Resolution 1973, wie der „Christian Science Monitor“-Autor Dan Murphy auf Twitter nahelegt, oder geht da etwas anderes vor sich?“ (12)
Die aus den USA nun offiziell bestätigte direkte Verwicklung der CIA in den libyschen Bürgerkrieg lässt so manch deutschen Reporter verlassen in der bellizistischen Schweinebucht stehen. (Ein kleines bisschen Schweinebucht, 3.März).
Dietrich Alexander legte am 23.Februar in der ganz eigenen „Welt“ des Axel-Springer-Verlages vor und vergriff sich als offenbarungs-eidlich geborener Schuldsünder im Pluralis Majestatis:
„Wir sind den Libyern einen Militäreinsatz schuldig“. (13)
Alexander hob völlig ab und redete verzückt mit sich selbst:
„Gaddafi entlarvte sich als fanatischer, der Welt entrückter Egomane, dem es in seiner Parallelwelt an jeglicher Realitätsnähe fehlt. Der paranoide Beduinensohn ist, wer wollte das jetzt noch bestreiten, ein Fall für den Psychoanalytiker…Er wähnt sich in seiner grotesken Wahnwelt im Recht, geradezu von einer messianischen Mission erfüllt.“
Das ist der Reporter, in seinem Wahn.
„die Vereinten Nationen sollten mögliche Sanktionen überspringen und sich auf ein Mandat, einen Blauhelm- und Kampfeinsatz vorbereiten, jetzt! Welche Veto-Macht im UN-Sicherheitsrat wollte wohl einen völkerrechtlich gestützten Einsatz internationaler Truppen gegen das Terrorregime von Gaddafi verhindern? In Somalia 1992 war das doch auch möglich.“
Welch interessante Begründung. Immerhin 19 Jahre später so eine geglücktes Vorbild an die Wand zu malen und dann auf die zahlenden Besucher zu warten.
Wolfram Lacher von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ hielt gut mit. Am 26.Februar machte er seinem Name im willigen „Tagesspiegel“ (14) alle Ehre,indem er einen Angriffskrieg gegen Libyen mit dem Ziel eines Umsturzes forderte. Dabei fand Lacher durchaus interessante Argumente:
„Eine entschiedene Intervention gegen Gaddafis Militärapparat steht nicht im Widerspruch auch zu handfesten Interessen der Europäischen Union in Libyen. Ein sofortiges Eingreifen würde das Risiko verringern, dass Libyen für längere Zeit unregierbar wird. Je länger Gaddafis Truppen im Westen und Süden des Landes weiter agieren und je länger es keine Nachfolgeregierung in Tripolis gibt, umso stärker werden sich lokale und regionale Strukturen und Milizen bilden, um den Schutz der Bevölkerung vor den regimetreuen Truppen sicherzustellen. Dies ist bereits in den Ostprovinzen der Fall. Je stärker sich diese Strukturen konsolidieren, desto schwieriger wird es für eine Regierung nach Gaddafi werden, die Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet zurückzugewinnen. Auch die Erdölindustrie wird erst wieder betriebsfähig sein, wenn eine neue Regierung in Tripolis die Amtsgeschäfte übernimmt.“
In dieser Bettelei der selbsternannten „größte Denkfabrik Europas“ und (bisher) erfolgreicher Durchreiche von imperialen Strategien für Bundestag und Bundesregierung drückt sich offensichtlich nicht nur der Zeitdruck angesichts eines bereits gescheiterten Putsches in Libyen, sondern offensichtlich auch die Sorge vor einem echten Aufstand gegen Gaddafi aus, der nicht mehr durch ausländische Strippenzieher, sondern lokale Strukturen kontrolliert wird.
Die aktive Verwicklung der CIA in den libyschen Bürgerkrieg wirft auch die Frage nach einer aktiven Verwicklung der Parteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke auf. Gerade deren Führungsfunktionäre hatten sich für eine Beteiligung Deutschlands am Angriffskrieg der Allianz internationaler Militärmächte gegen Libyen und einer Parteinahme im libyschen Bürgerkrieg ausgesprochen.
Für die Partei Die Linke stimmte der ex-Vorsitzende Lothar Bisky bereits am 18.März im EU-Parlament für eine Intervention im libyschen Bürgerkrieg. Die „Linke Zeitung“ (16) listete auf:
„Von der Europäischen Linkspartei hatten Lothar Bisky (Linkspartei, Deutschland), Marie-Christine Vergiat (Front de Gauche, Frankreich) und Miguel Portas (Bloco de Esquerda, Portugal) die Resolution mit eingebracht. Bisky ist der Fraktionsvorsitzende der gemeinsamen Fraktion der Partei der Europäischen Linken und der Nordisch grün-linken Allianz im Europäischen Parlament (GUE/NGL). Er war noch bis zum Mai letzten Jahres an der Seite von Oskar Lafontaine Vorsitzender der deutschen Linkspartei und bis zum Dezember ebenfalls Vorsitzender der Partei der Europäischen Linken. Marie-Christine Vergiat ist Schatzmeisterin der GUE/NGL und die Chefin ihrer französischen Delegation.“
Vom surrealen Joschka Fischer (den niemand mehr ernst nimmt) einmal abgesehen, waren es wieder einmal die interventionistischen Berliner (Bundes)Grünen, die am lautesten nach einem neuen Krieg schrien. Dennoch wagte man nur zusammen mit den wohlbekannten Kompagnons aus der Berliner SPD-Zentrale in einer gemeinsamen Interview-Welle den Kopf aus dem Schützengraben vor dem Bundestag heraus zu strecken.
Start der Kampagne war der 22.März. Man hatte fünf Tage lang die Reaktion der Öffentlichkeit in Deutschland auf die Enthaltung der Regierung im UNO Sicherheitsrat abgewartet, analysiert und gesehen, dass die FDP am Wahlsonntag in Sachsen-Anhalt offensichtlich nicht von der Entscheidung und der Haltung von Aussenminister Guido Westerwelle profitiert hatte. Nun legte man los – aber ganz vorsichtig. Man wollte nicht zu offensichtlich seinen Job machen.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, verlautbarte in seinem Interview, dass die Regierung mit ihrer Enthaltung im Sicherheitsrat den Eindruck erweckt habe, „als sei die Unterstützung der Opposition in Libyen kein ernsthaftes Anliegen deutscher Politik“. Man hätte sich im Sicherheitsrat nicht enthalten müssen, so Trittin. Denn man hätte sich ja dem Krieg enthalten können, dem man vorher zugestimmt habe.
SPD-Fraktionsvize Gernot Erler wiederum sprach in seinem Interview davon, dass die Regierung mit ihrer Enthaltung zu Resolution 1973 ein „Desaster“ verursacht habe, dass „Europa“ für längere Zeit schwächen werde. (15)
Mal abgesehen davon, dass der Kontinent Europa nicht aus ein paar abwählbaren Regierungen besteht – das sagen Politiker und SPD und Bündnis 90/Die Grünen, deren rot-grüne Regierung (1998-2005) an der seit den 70er Jahren laufenden regelmäßigen Ausbildung von Gaddafis Militär und Sondereinheiten durch deutsches Militär und Sondereinheiten aktiv beteiligt war und versuchte die Libyen-Affäre zu vertuschen. (Die neue Libyen-Affäre, 20.02.2011).
Das sagt ein Politiker der SPD, die mit der Staatspartei von Tunesiens Diktator Ben Ali zusammen in der „Sozialistischen Internationalen“ war, aus der die RCD erst am 17.Januar ausgeschlossen wurde (Die feinen Antennen auf dem Müllhaufen der Geschichte).
Das sagt ein Politiker der SPD, die auch mit der Staatspartei von Ägyptens Diktator Husni Mubarak zusammen in der „Sozialistischen Internationalen“ war, aus der die NDP erst am 31.Januar ausgeschlossen wurde. Auch zum Regime von Diktator Mubarak hatten die deutschen Polizeibehörden, wie die Geheimpolizei Bundeskriminalamt, noch kurz vor seinem Sturz allerbeste Kontakte (Ägypten Ticker: Volksaufstand Tag 16). Eigentlich ein Wunder, dass man nicht gleich einmarschieren wollte. Oder war man schon da?
All die bellizistischen Kräfte, die für einen neuen internationalen Krieg an der Berliner Republik herum rissen, werden sich nun erklären müssen. Sie müssen auch erklären, wieso der Milizen-Chef Abdel-Hakim al-Hasidi auf Seiten der CIA-gestützten Gegenregierung in Benghazi in einem Interview selbst erklärt, in seinen Reihen seien Libyer, die zuvor im Irak als „gute Patrioten und Muslime “ gegen die Besatzungstruppen der USA gekämpft hätten – genauso wie die Kämpfer der „Al Kaida“. Der Militärkommandeur der von der internationalen Kriegskoalition und der CIA gestützten Rebellen in Libyen in seinem Interviel mit der italienischen Il Sole 24 wörtlich (17):
„Mitglieder der Al Kaida sind ebenfalls gute Muslime und kämpfen gegen die Invasoren“
Sie müssen das erklären. Nicht wir.
Sie, die gescheiterten Kriegstreiber müssen das erklären, wie z.B. der französische Philosoph ohne Philosophie und Intellektuelle ohne Intellekt Bernard Levy, der als Aktionär und Kriegsreporter der französischen Zeitung „Liberation“ in Benghazi am Satellitentelefon den vor der Abwahl in 2012 stehenden französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zur Anerkennung der Gegenregierung der CIA-gestützten Rebellen überredete.
Nach der Enthaltung der deutschen Regierung im UNO Sicherheitsrat schnaubte der betrogene Betrüger Levy im Interview mit dem willigen „Spiegel“ (19), Deutschland werde diese Enthaltung noch „bitter bezahlen“. Heute musste Levy, angesichts des politischen Zusammenbruchs des internationalen Libyen-Krieges, in vergangener „Zeit“ (20) noch einmal nachlegen. Es wurde nicht besser. Er auch nicht.
Es war eine wahre Augenweide. Levy wetterte nicht nur gegen den neu entdeckten deutschen „Populärpazifismus“, nicht nur gegen Aussenminister Westerwelle, sondern trauerte allen Ernstes (und wahrlich passend) seinem Kollegen von Ehrendoktor, ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hinterher. Der hätte es ja vielleicht alles ins Lot bringen können.
Doch wo nun den verdammten neuen internationalen Krieg anzetteln? Wo nur? Wo nur..?
„ZEIT: …vielleicht in Syrien, wo ein libysches Szenario möglich ist?
Lévy: Gehen Sie noch einen Schritt weiter, und Sie sind bei: »Da wir nicht überall sein können, sind wir besser nirgendwo.« Hüten wir uns vor dieser Falle! Derzeit gibt es eine Operation in Libyen. Die muss zum Erfolg führen. Was den Rest betrifft, speziell Syrien: Wenn wir in Libyen Erfolg haben, dann haben die anderen Diktaturen Grund zum Nachdenken, angefangen mit Baschar al-Assad. Scheitern wir aber und Gadhafi hält sich, dann spüren die anderen Dreckskerle Aufwind. Die Intervention in Libyen ist praktisch auch eine in Syrien.“
Ich wiederhole mich ungern. Aber hier meine Analyse vom 3. März (Ein kleines bisschen Schweinebucht):
„Wer immer noch nicht begriffen hat, was da in Libyen vor sich geht: es handelt sich hier meiner Meinung nach um einen Putsch, der als Plan A den sofortigen Sturz Gaddafis und als Plan B die Intervention beinhaltete. Die USA sind an einem Sturz Gaddafis interessiert, dessen Diktatur Mitglied des EU-Ablegers Mittelmeerunion ist. Man kann also von einem Putschversuch (mit entsprechenden US-Proxy-Einheiten) gegen einen EU-Diktator sprechen, der ganz offensichtlich Hilfe aus dem EU-Raum erhält. (Der Große Diktator über Libyen)
Der Plan zum Sturz Gaddafis war miserabel, er war von noch schlechteren Menschen entworfen und schloss wieder einmal von sich selbst auf alle anderen. Statt auf basisdemokratische, ehrliche und moralisch einwandfreie Aktivisten, Persönlichkeiten und Gruppen zu setzen, die in Ägypten und Tunesien die Diktatoren stürzten, setzte man auf schmierige Wendehälse im Gaddafi-Regime selbst, auf korrupte Stammeshäuptlinge und die eigenen Agenten und Operateure. Diese verbrieten in den Medien eine aus den (authentischen) Revolutionen in Tunesien und Ägypten schlecht zusammen kopierte Doktorarbeit über die angebliche libysche Freiheitsbewegung, betrogen die naiven Libyer die sich bereits dem Putsch angeschlossen hatten über die eigene Stärke und sind zur Zeit dabei den Sturz Gaddafis gegen die Wand zu fahren. Gleichzeitig gibt man nun den arabischen Diktatoren und Monarchen die ölige Gelegenheit, dem eigenen Volk klar zu machen, was es von einer Demokratie- oder Freiheitsbewegung im eigenen Land haben könnte: eine (offene) Intervention bzw. einen Einmarsch ausländischer Militärmächte.“
Der internationale Libyen-Krieg, Plan B, ist nach Plan A ebenfalls mit Saus und Braus in sich zusammen gefallen.
Nun werden sich eine Menge politischer Akteure erklären müssen. Das geht am Besten, wenn alles ruhig ist. Da kann man ihnen besser zuhören. Ein sofortiger, bedingungsloser Waffenstillstand wäre für die bereits abgeschlossenen Öl-Deals mit den Aufständischen in Ost-Libyen sicherlich schmerzlich.
Aber mal ehrlich – müssen wir nicht alle Opfer bringen?
(…)
Artikel zum Thema:
06.03.2011 Britische Soldaten und “Diplomaten” in Benghazi
Das Vereinigte Königreich Großbritannien interveniert völkerrechtlich illegal in Libyen. Das passt zu den Versuchen von Nordatlantikpakt (Nato), USA, sowie den Staaten der “Europäischen Union” irgendwie eine Invasion oder eine militärische Intervention in Libyen durch Propaganda und Manipulation der Weltöffentlichkeit vorzubereiten. Dabei pflegt die imperiale Oberschicht Großbritanniens selbst beste Beziehungen zu den Kollegen in Libyen.
04.03.2011 Deutsche Kriegsschiffe vor Libyen: Staatsparteien, Militär und Informationsindustrie decken Vorbereitung zum Angriffskrieg
Der Staat Deutschland begeht, 69 Jahre nach dem Rückzug seiner faschistischen Truppen aus Libyen, wieder einen kriegerischen Akt in Nordafrika. Bereits seit Wochen sind deutsche Luftlande-Einheiten in Libyen aktiv. Deutsche Kriegsschiffe liefen bereits vor Ausbruch des Aufstands in Libyen aus. Alle Staatsparteien – CDU, CSU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke – lügen, kollaborieren oder verschweigen die Wahrheit vor der Öffentlichkeit. Aus Staatsmedien und Informationsindustrie strömt Militär-Propaganda.
25.02.2011 Der Große Diktator über Libyen
Italien will Truppen nach Libyen entsenden. Der UNO Sicherheitsrat tagt heute in einer Dringlichkeitssitzung. Der Nato-Generalsekretär äußert gestern, dass eine Nato-Intervention “mit einem UNO-Mandat erfolgen sollte”. In Budapest tagen die Militärminister bzw. Oberbefehlshaber der EU-Mitgliedsländer, darunter Ehrendoktor Karl-Theodor zu Guttenberg. Libyens Diktator Muammar El Gaddafi, der seit 42 Jahren über das Land herrscht, ist der Meinung, “Al Kaida” und Osama Bin Laden stecke hinter dem Aufstand. Etablierte Journalisten, Politiker, Spione, Militärs und Analysten reden den ganzen Tag nur Dreck.
Zeit für eine Analyse von Radio Utopie zur Situation in Libyen.
24.02.2011 RINGEN UM LIBYEN (I): EU aktiviert Interventions-Mechanismus
Der Aufstand in Libyen ist (..) auch ein Putsch. Ein Putsch, der offensichtlich von Teilen des Militärs mitgetragen wurde. Ein Putsch, der durch Exilgruppen mitiniitiert worden ist, die von britischen und amerikanischen Geheimdiensten schon vor Jahrzehnten als Attentats-Armeen und Proxy-Milizen finanziert und aufgebaut wurden. Und es ist ein Putsch, dessen Ablauf in großen Teilen mit einem Plan des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 für einen Militärputsch im März 1996 übereinstimmt, der im Zuge eines Angriffs auf Militäranlagen in Tarhuna, von orchestrierten Protesten in den Städten Benghazi, Misratah und Tripolis, einem durch Militärs unter der Flagge von “Islamisten” durchgeführten Attentat auf Gaddafi und der Installation einer Übergangsregierung vor Verhandlungen mit den Stammesführern erfolgen sollte. (dazu in Teil II)
Quellen:
(1) http://www.nytimes.com/2011/03/31/world/africa/31intel.html
(2) http://www.guardian.co.uk/world/2011/mar/29/london-libya-conference-leaves-gaddafi-fate-undecided
(3) http://www.washingtonpost.com/world/us-allies-ponder-arming-libyan-rebels/2011/03/25/AFJP9mYB_story.html
(4) http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/645821/NatoChef_Menschen-beschuetzen-nicht-bewaffnen?direct=634545&_vl_backlink=/home/politik/index.do&selChannel=103
(5) http://www.nato.int/cps/en/natolive/topics_71652.htm
(6) http://www.nato.int/cps/en/SID-E8FD9879-37197E33/natolive/news_71867.htm
(7) http://www.dailymail.co.uk/news/article-1370098/Libyan-rebels-regain-Ajdabiya-RAF-Tornado-jets-wreak-havoc-Gaddafis-heavy-units.html
(8) news.sky.com
(9) http://blogs.news.sky.com/eurovision/Post:c93c71fc-2f6c-4781-bd3d-474611d8ab92
(10) http://www.un.org/apps/news/infocus/sgspeeches/statments_full.asp?statID=1124
(11) http://blogs.aljazeera.net/middle-east/2011/02/17/live-blog-libya#feb17
(12) http://blogs.aljazeera.net/live/africa/libya-live-blog-march-30
(13) http://www.tagesspiegel.de/politik/gaddafi-mit-intervention-drohen/3886680.html
(14) http://www.welt.de/debatte/kommentare/article12623653/Wir-sind-den-Libyern-einen-Militaereinsatz-schuldig.html
(15) http://www.tagesschau.de/inland/reaktionenlibyen122.html
(16) http://www.linkezeitung.de/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=10702&Itemid=1
(17) http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/africaandindianocean/libya/8407047/Libyan-rebel-commander-admits-his-fighters-have-al-Qaeda-links.html
(18) http://www.tt.com/csp/cms/sites/tt/Nachrichten/NachrichtenTicker/2468683-53/sarkozys-libyen-politik-von-philosoph-levy-beeinflusst.csp
(19) http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,753404,00.html
(20) http://www.zeit.de/2011/14/Philosoph-Levy-Interview
(21) http://swampland.blogs.time.com/2011/03/30/white-house-offers-no-comment-or-denial-on-reports-of-cia-support-for-libyan-rebels/
(22) http://www.news.com.au/world/soldiers-leave-secret-codes-in-libya/story-fn6sb9br-1226020831526