Nach dem Libyen-Krieg verursacht der imperiale Sicherheitsrat der „Organisation der Vereinten Nationen“ (UNO) mit seiner am 30.März angenommenen Resolution 1975 nun einen neuen internationalen Krieg in der Elfenbeinküste. Die im Sicherheitsrat vertretenen 15 Regierungen erfanden vorgestern erneut eine „Bedrohung des internationalen Friedens und Sicherheit“ durch einen Bürgerkrieg, beriefen sich abermals völkerrechtswidrig auf Kapital VII der Charta der Vereinten Nationen – die Angriffskriege verhindern und nicht ermöglichen soll – und gaben mit einer weiteren völkerrechtswidrigen Resolution den Militärmächten, namentlich Frankreich und seinem im eigenen Land vor der Abwahl stehenden Präsidenten Nicolas Sarkozy, erneut die Vollmacht „mit allen notwendigen Mitteln“ unter dem Siegel der UNO-Militärmission UNOCI auf der Seite eines Lagers in einem seit 2002 immer wieder aufflammenden Bürgerkrieg zu intervenieren.
Damit einher gehen Massaker eines Kriegsfürsten, der mit mit dem von UNO, EU, USA und Frankreich unterstützten angeblichen Wahlsieger der Präsidentschaftswahlen, Alassane Ouattara, verbündet ist und von diesem zum Premierminister seiner Gegenregierung ernannt worden ist.
Figuren
Der Bürgerkrieg spielt sich zwischen dem amtierenden Machthaber Laurent Gbagbo und seinen miteinander verbündeten Konkurrenten im Präsidentschaftswahlkampf Alassane Ouattara und Henri Konan Bedie ab. Ouattaras und Bedies Hintermann ist Milizen-Kommandeur und Kriegsfürst Guillaume Soro, der mit seinen Bewaffneten 2002 den Norden des Landes unter Kontrolle brachte und den Bürgerkrieg überhaupt erst begann.
Alassane Ouattara: Der vom Westen unterstützte Herausforderer von Machthaber Gbagbo ist angeblich in der Elfenbeinküste geboren, „Muslim aus dem Norden“ und hat Eltern aus der Elfenbeinküste. Ouattara studierte allerdings in den USA an der University of Pennsylvania und war danach 22 Jahre Laufbursche beim „Internationalen Währungsfonds“ (IWF). Es dürfte damit klar sein, was Ouattara aus Sicht der ausländischen Militärmächte für das Amt des Machthabers qualifiziert. Folgerichtig wurde Ouattara 1990 der „Premierminister“ von Diktator Felix Houphouet-Boigny und in der letzten Phase kurz vor dessen Tod sogar amtierender Diktator. Nach Houphouet-Boignys Tod 1993 verlor Ouattara den folgenden Kampf um die Macht gegen Henri Konan Bedie (s.o) und kehrte bis 1999 zum IWF zurück, wo er einen hochrangigen Direktoren-Posten ausübte.
Nach Bedies Sturz kehrte Ouattara 1999 in die Elfenbeinküste zurück, durfte jedoch nach Annahme der ersten Verfassung der Elfenbeinküste nicht an den Wahlen im Jahre 2000 teilnehmen, da nach damaligen Angaben seine Eltern nicht beide in der Elfenbeinküste geboren sind. In 2007 genehmigte Machthaber Gbagbo dennoch den Antritt Ouattaras zur nächsten Präsidentschaftswahl. Ouattara verbündete sich vor der Präsidentschaftswahl mit genau dem Konkurrenten, der ihn 1993 im Kampf um die Nachfolge von Diktator Houphouet-Boigny besiegt hatte: Henri Konan Bedie.
Henri Konan Bedie: Machthaber in der Elfenbeinküste von 1993-1999. Bedie war bereits 1960 erster Botschafter von Diktator Houphouet-Boigny in den USA und von 1974 bis 1976 erster Vorsitzender des gemeinsamen „Entwicklungskomitees“ von IWF und Weltbank.
Laurent Gbagbo: Seit 2000 „Präsident“ der Elfenbeinküste. Im Land aufgewachsen, erst Lehrer, dann Professor für Geschichte. Saß unter Diktator Houphouet-Boigny Jahre im Gefängnis. Er besitzt Rückhalt in den Gewerkschaften.
Guillaume Soro: Kriegsfürst und Anführer diverser Milizen mit wechselnden Namen, „Forces Nouvelles de Côte d’Ivoire“ (FN), später „Neue Streitkräfte“, jetzt „Republikanische Streitkräfte“, etc. Brachte 2002 im Laufe eines Putschversuches gegen Gbagbo den Norden der Elfenbeinküste unter seine Kontrolle und begann den Bürgerkrieg. Anschließend wurde er im Laufe von mehreren Waffenstillstandsversuchen und Verhandlungen im Rahmen einer „Regierung der Nationalen Einheit“ mehrfach Minister der Elfenbeinküste und ab 2007 sogar Gbagbos „Premierminister“.
Soro ist die Schlüsselfigur in diesem Machtkampf. Noch im Dezember Premier der Regierung der „Nationalen Einheit“ unter Gbagbo, unterstützt er zu diesem Zeitpunkt bereits mit seinen Rebellen-Verbänden dessen Konkurrenten Ouattara bei den Präsidentschaftswahlen (1). Nach dessem umstrittenen Sieg im zweiten Wahlgang lässt sich Soro von diesem zum „Premierminister“ der Gegenregierung ausrufen und seine Truppen von Westen und Norden Richtung Hauptstadt vorrücken. Es sind Soros Milizen, die nun, gedeckt von Frankreich und der UNO-Militärmission UNOCI, während ihres Vormarsches Massaker unter der Bevölkerung in den eroberten Regionen anrichten.
Vorgeschichte
Die Elfenbeinküste ist eine alte Kolonie Frankreichs und gilt seit ihrer formalen Unabhängigkeit im Jahre 1960 als französisches Einflußgebiet, entsprechend nun das der Neokolonialmacht „Europäische Union“. Postkolonialer Diktator der Elfenbeinküste und Statthalter des Elysee-Palastes wird 1960 Felix Houphouet-Boigny, der 33 Jahre lang bis zu seinem Tode amtiert.
Nachfolgender Machthaber in der Elfenbeinküste wird 1993 Henri Konan Bedie, der sich in einem Machtkampf gegen Alassane Ouattara durchsetzt, der die Geschäfte von Diktator Houphouet-Boigny bis zuletzt geführt hatte (s.o.).
Im Dezember 1999 wird Bedie durch einen Putsch gestürzt. Der Umsturz bringt ex-General Robert Guei an die Macht, einen unter der französischen Kolonialmacht ausgebildeten Militär. Danach werden die erste Verfassung der Elfenbeinküste beschlossen und Wahlen zur Präsidentschaft angesetzt. Gueis Zuarbeiter damals: der ehemalige Student und spätere Warlord Guillaume Soro, im Zuge des Putsches aus Frankreich zurückgekehrt.
In 2000 verliert Guei die Wahlen an den heutigen Machthaber Laurent Gbagbo. In 2002 versucht Guei in einem neuen Putsch Gbagbo wieder zu stürzen. Sein ehemaliger Zuarbeiter Soro – damals erst 30 Jahre alt – bringt mit seinen „Forces Nouvelles de Côte d’Ivoire“ (FN), die aus diversen Gruppen von Bewaffneten und Söldnern zusammengesetzt sind, den Norden des Landes unter Kontrolle und beginnt den bis heute andauernden Bürgerkrieg.
2002 verlaufen die Fronten noch umgekehrt: Französische Kampftruppen stützen Gbagbo, schlagen Gueis Putsch nieder und hindern Soros Milizen am Vormarsch auf die Hauptstadt Abidjan. Guei wird getötet.
Nach mehreren vorübergehenden Waffenstillständen im Bürgerkrieg wird der junge (und von unbekannter Seite finanzierte) Kriegsfürst Soro mehrfach Minister bei Machthaber Gbagbo, zuletzt von 2007 bis Ende 2010 sogar dessen „Premierminister“. Nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen wechselt Soro die Seiten und lässt sich von Ouattara zum „Premierminister“ einer Gegenregierung ausrufen. Warlord Soro lässt anschliessend seine Milizen gegen Gbagbo vorrücken und wird dabei durch die UNO-Truppen und intervenierenden Mächte gedeckt, allen voran die alte Kolonialmacht Frankreich.
Beide Seiten setzen alle Mittel ein um den Machtkampf für sich zu entscheiden.
Die Präsidentschaftswahl
Zum ersten Wahlgang um die Präsidentschaft am 31.Oktober 2010 treten folgende drei Figuren an: „Präsident“ Laurent Gbagbo, Alassane Ouattara (ex-Premier von Diktator Houphouet-Boigny bis 1993), sowie Henri Konan Bedie (von 1993-1999 zweiter Machthaber der Elfenbeinküste nach der formalen Unabhängigkeit von Frankreich 1960).
Gbagbo erringt offiziellen Angaben zufolge (dazu gleich mehr) 38 %, Ouattara 32 % und Bedie 35 %. Es wird eine Stichwahl ausgerufen. Entsprechend vorher getroffener Absprachen ruft Bedie seine Anhänger auf, für Ouattara zu stimmen. Auch die Milizen von Warlord Soro, die den Norden kontrollieren, stützen Ouattaras Kandidatur.
Das Ergebnis des zweiten Wahlgangs am 28.November, vor dem es immer wieder zu Repressalien und Massakern gerade im von Warlord Soro kontrollierten Norden des Landes kommt, ist bis heute umstritten.
Die Angaben über die Wahlniederlage Gbagbos stammen ausschließlich von der „Commission Electorale Indépendante“ (CEI) bzw „Independent Electoral Commission (IEC)“, welche die Wahl durchführte und die Ergebnisse auszählte. Der Vorsitzende der „unabhängigen Wahlkommission“ Youssouf Bakayoko war vier Jahre lang Aussenminister von Machthaber Gbagbo, bevor er im März 2010 von diesem entlassen wurde.
Offenbar nutzt der zum Präsidenten der „unabhängigen Wahlkommission“ ernannte Bakayoko seine guten Kontakte, die er sich zuvor als Außenminister erworben hat. Noch am Abend des zweiten Wahlgangs am 28.November soll Bakayoko von den Botschaftern der USA und Frankreichs in einem Wagen zum Hotel des Kandidaten Ouattara gebracht worden sein. Jedenfalls behauptet das später Gbagbo gegenüber der französischen Zeitung „Le Monde“. In der Tat verkündet der Leiter der „unabhängigen Wahlkommission“ den Wahlsieg Ouattaras ausgerechnet in dessem Hotel und zwar direkt gegenüber einem Fernsehsender. (2)
Nun drängen sich nicht nur Parallelen auf zum legendären Wahlsieger der US-Präsidentschaftswahlen George Bush im Jahre 2000 – mittels präventiv-voreiliger Bekanntgabe durch Fox News, der sich die „Demokraten“ von Al Gore dann mit allen bis heute folgenden Konsequenzen unterwarfen – sondern es stellt sich auch die Frage, ob mit dieser Medien-Operation nicht der Verkündung des gegenteiligen Ergebnisses durch den Verfasssungsrat der Elfenbeinküste schlicht zuvor gekommen werden sollte. Der Verfassungsrat wiederum ist ausschließlich durch Gefolgsleute von Machthaber Gbagbos besetzt.
Aufmerksame EU-Wahlbeobachter – nur leider nicht anwesend
Die EU-Wahlbeobachtungskommission EU EOM kritisierte in ihrem Abschlussbericht (3) zu den Präsidentschaftswahlen der Elfenbeinküste die Arbeitsweise der „Independent Electoral Commission“ recht milde. Der Name des Leiters der IEC, Gbagbos ehemaliger Aussenminister Bakayoko, taucht im gesamten Bericht bezeichnenderweise nicht ein einziges Mal auf.
Es habe da ein paar „Mängel“ („shortcomings“) gegeben, so EU EOM in ihrem Abschlussbericht. Dennoch habe es „keine größeren Verstöße“ gegen die internationalen Standards gegeben, so die EU-Wahlbeobachtungskommission unter ihrem Vorsitzendem Christian Preda, EU-Parlamentarier, rumänischer Spezialist für Frankophonie, sowie Träger des höchsten Orden von Frankreich, dem „Ordre national de la Légion d‘honneur“.
Predas EU-Wahlbeobachtungskommission bemängelte, unter viel Lob für die IEC Bakayokos geparkt, hi und da ein paar Kleinigkeiten.
– die IEC operiere in „einer sehr zentral organisierten Weise“ und „konzentriere Informationen die sie in ihren Besitz bekommt“. Als Ergebnis seien lokale Behörden „in nicht zufriedenstellender Weise“ von der Durchführung der Wahlen ausgeschlossen worden. Auch den EU-Wahlbeobachtern wurde nicht gestattet, die eigentliche Auszählung der Stimmen während allen Phasen zu überwachen. (Punkt 11)
– die „unabhängige Wahlkommission“ IEC habe leider, trotz Aufforderung, die Ergebnisse der einzelnen Wahllokale in beiden Wahlgängen nie bekannt gegeben oder veröffentlicht. (Punkt 12)
– die Logistik des Wahlvorgangs für 3600 Wahllokale lag „vor allem“ in den Händen „internationaler Organisationen“, wie der UNO-Militärmission UNOCI und dem weitgehend selbstständigen „Projektbüro“ des UNO-Entwicklungsprogramms namens UNOPS. (Punkt 13)
Aber ansonsten sei alles prima verlaufen. Ehrenwort.
Preda wurde in der Übersicht des Abschlussberichtes der EU EOM wörtlich zitiert: es habe
„`keine größeren Vorfälle, keine Anzeichen von Betrug` in den von 100 Europäern überwachten 935 Wahllokalen im ganzen Land“
gegeben, so die EU-Wahlbeobachtungsstation in ihrem Abschlussbericht.
Abgesehen davon, dass es 3600 Wahllokale gab und dass bei 100 EU-Wahlbeobachtern schon bei lediglich 935 beobachteten Wahllokalen eine beachtliche Anzahl Avatare im Geiste mitgezählt haben mussten – es gilt sich dieses denkwürdige Zitat auch noch aus einem anderen Grund zu merken. In Punkt 18 des Abschlussberichtes heisst es:
„Der zweite Wahlgang ergab den Sieg von Kandidat Ouattara. Dieses Resultat wurde vom scheidenden Präsidenten nicht akzeptiert, der eine Beschwerde vor dem Verfassungsrat anstrengte, welchen er selbst benannt hatte und der ihn unterstützte. Der Rat entschied sofort zugunsten von Laurent Gbagbo, indem er die Resultate aus sieben Regionen im Norden des Landes disqualifizierte, in welchen die EU EOM keine größeren Regelwidrigkeiten identifizieren konnte, die möglicherweise Zweifel an den von der IEC bekannt gegebenen Resultaten geweckt hätten.“
Warum hatte die EU-Wahlbeobachtungskommission EU EOM während des zweiten Wahlgangs „keine größeren Regelwidrigkeiten“ im Norden des Landes feststellen können? Weil sie gar nicht dort war.
„Internationale Wahlbeobachter hatten die Wahlen als ´weitgehend frei und fair´ bezeichnet, wenngleich sie wie etwa die Wahlbeobachterkommission der Europäischen Union keine Beobachter in die umstrittenen Nordregionen, die nach wie vor von ehemaligen Rebellen kontrolliert werden, entsandt hatten. Der Sondergesandte des UN-Generalsekretärs für die Elfenbeinküste, Youn-jin Choi, hatte die Manipulationen im Norden als ´nicht relevant für das Endergebnis` bezeichnet„,
so am 19. Dezember der Korrespondent der „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ in Johannesburg, Thomas Scheen (4).
Ergebnis
Man muss davon ausgehen, dass der vermeintliche Wahlsieg von Alassane Ouattara – einem von EU, UNO , USA und explizit Frankreich gestützten ehemaligen geschäftsführenden Diktator und hochrangigen IWF-Funktionär – niemals stattgefunden hat.
Quellen:
(1) http://de.euronews.net/2010/11/27/praesidentenwahl-in-elfenbeinkueste/
(2) http://www.stern.de/news2/aktuell/gbagbo-beklagt-us-franzoesisches-komplott-zu-seiner-absetzung-1637715.html
(3) http://eueom.eu/files/pressreleases/english/executive-summary-25012010_en.pdf
(4) http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437BAA85A49C26FB23A0/Doc~EC70ABB4AC75844F18FC1404646A61DDA~ATpl~Ecommon~Scontent.html