Es gibt keine Euro-Krise

Es gibt fundamentale kollektive Aussetzer. Fast die gesamte Menschheit und fast alle ihrer Gelehrten glaubten über ca. 1500 Jahre an das Ptolemäische Weltbild, also daran, dass die Sonne sich um die Erde dreht. Millionen Menschen sind Hitler, einem erklärten Massenmörder, hinterher gerannt und habe ihm beim Morden kräftig unterstützt. Und der religiöse Wahn und die religiös motivierte Gewalt feierten in den letzten Jahren, also in neuester Zeit, Urstände, dass man sich ins Mittelalter zurückversetzt glaubt.

Das bewusstlose Geschwätz von der Euro-Krise, ein fundamentaler kollektiver Aussetzer auch dies, hat inzwischen epidemische Ausmaße angekommen. Von pseudolinks bis de facto rechts wird etwas behauptet, was es nicht gibt.

Denn kann mir mal irgendein Trottel sagen, was Griechenlands Schulden mit dem Euro zu tun ha­ben — oder was der Euro, die Währung der mit Abstand größten Wirtschaftsmacht der Welt, mit Griechenlands Schulden zu tun hat? Griechenlands Schulden sind ein winziger Tropfen im Oze­an der Umsätze, die auf den internationalen Finanzmärkten auch nur an EINEM Tag ab­lau­fen — ja selbst im Vergleich mit den jährlichen Umsätzen einer auch nur mittelgroßen Bank. Ich sagte EINER Bank! Und bei wem hat Grie­chen­land größtenteils seine Schulden? Bei euro­pä­i­schen Banken. Der Euro-Raum hat also quasi Schulden bei sich selbst. Das klingt schon mal recht dra­matisch, Schulden bei sich selbst zu haben!
Und warum redet niemand von einer Dollar-Kri­se, obwohl die USA und vor allem viele ihrer Bundesstaaten (gemessen am jeweiligen BIP) weit hö­here Schulden haben als Griechenland, ja oft faktisch Pleite sind? Und redet ir­gend­jemand von einer Yen-Krise — obwohl Japans Schuldenstand um gute 50 Prozentpunkte höher liegt als der Griechenlands? Fällt denn niemandem der reihum in der sogenannten Wirt­schafts­wissen­schaft, in Politik und Medien neoliberal gleichgeschalteten Euro-Krisen-Schwät­zer auf, wer das be­wusstlose Geschwätz von der Euro-Krise kolportiert aus welchen profitablen Grün­den? Grie­chenland zahlt für seine Staatsanleihen inzwischen teilweise bis zu 25 Prozent Zinsen. Klin­gelt es so langsam in der Birne? Oder lügt ihr Euro-Krisen-Schwätzer bewusst, weil ihr Angst habt, sonst euren Job zu verlieren? Ich wüsste nicht, was schlimmer wäre.

Und um es abzuschließen in Richtung der Pseudolinken bis de facto rechten Euro-Krisen-Schwätzer, die anempfehlen, Griechenland solle aus dem Euro-Raum austreten, die Drachme wieder einführen und diese or­dent­lich abwerten, um wieder international konkurrenzfähig zu werden: Eine Ab­wertung der Drach­me gegenüber dem Euro (und damit auch gegenüber dem Dollar oder dem Yen) um bei­spielsweise 50 Prozent hätte eine schlag­artige Verdoppelung der Schulden Griechenlands zur Folge, die in Euro beglichen werden müs­sen! Ihr Trottel fordert also de facto eine Verdop­pe­lung der Schul­den Griechenlands! Wie heilt man jemanden, der sich ein Bein gebrochen hat? Indem man ihm auch das zweite bricht! Ich könnte in die Tischkante beißen ob der Dummheit und Verantwortungs­losigkeit unserer reihum neoli­be­ral gleichgeschalteten ,Wirtschaftsexperten’ von pseudolinks bis de facto rechts!

Hier und da wird aber inzwischen zum Glück gefordert, was man bei mir schon vor längerer Zeit nach­lesen konnte: ein Schuldenschnitt, die Verlängerung der Rückzahlungsfristen der ver­blei­benden griechischen Staatsanleihen und eine drastische Senkung der Zinsen, die Grie­chen­land zu zahlen hat. Die Banken würden jeweils und über ein paar Jahre ein paar Milliarden we­ni­ger Gewinne machen und die Weltwirtschaft würde ihren geregelten, von irgendwelchen Fi­nanz­­krisen ungestörten Gang nehmen. Im Detail ist das hier nachzulesen, geschrieben schon im Mai 2010: www.egbert-scheunemann.de/Griechenland-und-Euro-Krisenmythos-Scheunemann.pdf

Schuldenschnitt? Aber sind die Griechen nicht vor allem selbst schuld an ihren Schulden? Nun, es gibt viele Gründe, warum der griechische Staat sich übermäßig verschuldet hat. Daß er diese Schulden nun aber hat — dafür gibt es exakt nur einen Grund: Entsprechende Kredite wurden ihm von zinsgierigen Banken und Anlegern gegeben. Der Zins gilt auch und vor allem als Risiko­prä­mie. Wer bis zu 25 Prozent Zins einstreicht, der muss auch damit rechnen, daß er gelegentlich auf seinen Krediten, die er einem bekanntermaßen Überschuldeten gibt, sitzen bleibt. Nichts erscheint also gerechter als ein drasti­scher Schuldenschnitt.

Alle aktuellen Meldungen und Kommentare von Egbert Scheunemann können in der „Chronik des (nicht nur) neoliberalen Irrsinns“ nachgelesen und verfolgt werden. (Anm. d. Redaktion)

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