Nach Ägypten und Tunesien fällt im Jemen der dritte Diktator im arabischen Raum nach einer erfolgreichen Revolution. Ali Saleh ist nach über 32 Jahren Herrschaft nach Saudi-Arabien ins Exil gebracht worden. Nachgeholfen haben die USA, die ihn in den Jahrzehnten vorher bei seinem Kampf gegen die eigene Bevölkerung stets gestützt und bis zuletzt versucht hatten, ihn unauffälliger loszuwerden, als es nun geschehen ist.
Sich als Jemens neuer Präsident oder mindestens als Königsmacher installieren will der Tycoon und Multimilliardär Hamid al-Ahmar. Bereits im August 2009 wandte er sich an die US-Botschaft in Sanaa und schlug einen Umsturzplan gegen Saleh vor. Dieser Umsturzplan aus 2009 wies, in mehreren Details, beachtliche Ähnlichkeit mit später tatsächlich erfolgten Ereignissen während der Revolution im Jemen auf. Eine entsprechende US-Botschaftsdepesche aus Sanaa vom 31.August 2009 wurde am 8.April dieses Jahres über Wikileaks veröffentlicht (1), fünf Tage nachdem die US-Regierung Saleh offiziell fallen ließ (2) (zu Einzelheiten später in einer Chronologie).
Hamid al-Ahmar (auch geschrieben Hameed bin Abdullah bin Hussein Al-Ahmer) ist Vorsitzender der Ahmar Group, die über Handel mit Energie, Telekommunikations, Technologie, Erdöl, Erdgas, Waffen und Militärmaterial so ziemlich den gesamten denkbaren Profitbereich abdeckt. Der US-Botschaftsdepesche zufolge kreiert er seinen immensen Reichtum zudem über seinen Telekommunikation-Konzerns Sabafon, der u.a. eng mit Siemens kooperiert. Einen Anteil an Sabafon hält die „Iran Foreign Investment Company“ (IFIC), was immer wieder zu falschen Umdeutungen benutzt wurde. Hamid al-Ahmar pflegt engste Beziehungen mit dem Königshaus in Saudi-Arabien und verbringt die Hälfte seiner Zeit in Jeddah, wo er dem US-Botschaftsbericht zufolge auch regelmäßig seine Bestechungsgelder abholt. Er ist Vertreter der in London sitzenden Arcadia Petroleum, die die Hauptmenge von Jemens Öl kauft und vor kurzem von ihrer Webseite genommen hat, daß sie als einer der größten der planetaren Energiebarone täglich mit 800.000 Barreln Öl Handel treibt.
Des Weiteren ist Hamid al-Ahmar Vizevorsitzender der Saba Islamic Bank, die ihren Sitz in der französischen Kolonie Djibouti hat und 2008 von der Weltbank als offizieller Partner für Jemen benannt wurde. 10 Prozent hält Berichten zufolge die saudische „Islamic Development Bank“ in Jeddah. Hamid al-Ahmar persönlich trieb die Saba Islamic Bank seit ihrer Gründung 2006 aggressiv in den unkontrollierten Djibouti-Markt, um dort Zugang zu den oberen Etagen der internationalen Geldmärkte zu bekommen.
Sadeq al-Ahmar (Sadiq bin Abdullah bin Hussein bin Nasser al-Ahmar, Hussein al-Ahmar). Jüngerer Bruder vom Hamid al-Ahmar. Haschid-Stammesführer. Seine Milizen lieferten sich in den letzten Wochen und Monaten mit Salehs Kräften in der Hauptstadt Sanaa Gefechte.
Hamid und Sadeq sind Sohn von Scheich Abdullah ibn Husayn (Hussein) al-Ahmar, gestorben 2007, der bis zu seinem Tode Stammesführer der Haschids, starker Mann im Jemen und die eigentliche Machtfigur hinter Diktator Saleh war. Al-Ahmars ältester Sohn Sadeq wurde 2007 Nachfolger als Stammesführer der Haschids, ohne die vorherige Machtstellung seines Vaters auch nur annähernd wiederzuerlangen.
Beide Ahmar-Brüder sind Mitglied der „Jemenitischen Vereinigung für Reformen“ (Islah oder Al-Islah). Islah steht politisch eher den jeminitischen Moslembrüdern nahe, stützt sich aber machtpolitisch auf die Haschid-Stämme.
Ali Mohsen Saleh (Ali Mohsen al-Ahmar, Ali Muhsin). Halbbruder von Diktator Ali Abdullah Saleh. Kommandeur der nordwestlichen Militärzone und Befehlshaber der 1.Panzerdivision. Hat sich, wie im Umsturzplan von Hamid al-Ahmar aus 2009 vorgesehen, gegen Saleh gewendet und ist zur Opposition um die Ahmar-Brüder übergelaufen. War Militärkommandeur in den Saada-Kriegen und zusammen mit Saudi-Arabien auf eigenem Territorium durchgeführten „Operation Verbrannte Erde“ gegen die nordjeminitischen schiitisch-gläubigen Houthis. Gilt als ebenso brutal wie skrupellos und ist in der Bevölkerung genauso verhasst wie sein Halbbruder, Diktator Ali Saleh.
David Craig. Länder-Direktor der Weltbank über Ägypten, Djibouti und Jemen. Bis vor kurzem Länder-Direktor der Weltbank über das Westjordanland, den Gazastreifen und Nordafrika.
Erste zusammenfassende Analyse: Bei allen Einschränkungen ist anzunehmen, daß sich die Verhältnisse für die Jeminiter nun zum ersten Mal seit Jahrzehnten grundlegend bessern werden.
JEMEN CHRONIKEN (II): Die Kopie der Idee des “kontrollierten Chaos”
Quellen:
(1) http://www.cablegatesearch.net/cable.php?id=09SANAA1617
(2) http://www.nytimes.com/2011/04/04/world/middleeast/04yemen.html