Die „Formulierungshilfe“ des Bundesfinanzministeriums für die EFSF-Ermächtigung
Die „Formulierungshilfe für die Fraktionen der CDU/CSU und FDP“ zum „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus“ vom Finanzministerium unter Minister Dr. Wolfgang Schäuble.
Eine kleine Analyse.
Entgegen der allgemeinen Darstellung in der Presse hat die Regierung gestern bezüglich der geplanten Ermächtigung für eine Änderung des Rahmenvertrages der Bundesrepublik Deutschland mit der luxemburgischen Aktiengesellschaft EFSF, auch genannt „Euro-Rettungsfonds, bzw „Euro-Rettungsschirm“, offiziell keinen Gesetzentwurf erstellt, oder gar ein Gesetz beschlossen (das kann nur der Gesetzgeber, der Bundestag), sondern der Unionsfraktion von CDU und CSU, sowie der FDP eine „Formulierungshilfe“ mitgegeben. Laut Angaben aus der CDU/CSU-Fraktion wird diese am Montag (5.9.) den endgültigen Gesetzentwurf beschliessen, der dann am Mittwoch in erster Lesung im Bundestag beraten werden soll.
Aus der „Formulierungshilfe“ ist bereits von den Redaktionen von „Die Welt“ (1), sowie der „Morgenpost“ (2) zitiert worden. Auf keiner Seite der fünf Bundestagsfraktionen ist die „Formulierungshilfe“ bisher online gestellt worden. Auch auf der Webseite des Bundestages ist sie bisher nicht zu finden. Doch das Bundesfinanzministerium stellte nun dankenswerterweise die „Formulierungshilfe“ auf ihre Webseite. (3)
Aus dieser seien nun Artikel 1 aufgeführt, der das am 21.Mai 2010 im Bundestag in beschleunigter Gesetzgebung beschlossene „Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus“ ändert.
Artikel 1
Änderung des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus
§ 1 Absätze 1 bis 4 des Gesetzes zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus vom 22. Mai 2010 (BGBl. I S. 627) wird wie folgt gefasst:„(1) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, für Finanzierungsgeschäfte, die eine von den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets gegründete oder beauftragte Zweckgesellschaft zur Durchführung von unter der Voraussetzung der Absätze 2 und 3 gewährten Notmaßnahmen zugunsten eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebiets tätigt, Gewährleistungen bis zur Höhe von insgesamt 211,0459 Milliarden Euro zu übernehmen. Notmaßnahmen im Sinne von Satz 1 sind Darlehen der Zweckgesellschaft an den betroffenen Mitgliedstaat, einschließlich solcher, die der Mitgliedstaat zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten verwendet, vorsorgliche Maßnahmen sowie Ankäufe von Staatsanleihen dieses Mitgliedstaats am Primärmarkt oder Sekundärmarkt. Gewährleistungen nach Satz 1 können nur bis zum 30. Juni 2013 übernommen werden. Zu diesem Zeitpunkt verfällt die Ermächtigung für den nicht ausgenutzten Teil des Gewährleistungsrahmens. Eine Gewährleistung ist auf den Höchstbetrag dieser Ermächtigung in der Höhe anzurechnen, in der der Bund daraus in Anspruch genommen werden kann. Zinsen und Kosten sind auf den Ermächtigungsrahmen nicht anzurechnen.
(2) Notmaßnahmen im Sinne von Absatz 1 können auf Antrag eines Mitgliedstaates des Euro-Währungsgebiets zum Erhalt seiner Zahlungsfähigkeit ergriffen werden, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gefährdung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets ist vor der Gewährung von Notmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets unter Ausschluss des betroffenen Mitgliedstaates gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank und nach Möglichkeit mit dem Internationalen Währungsfonds einvernehmlich festzustellen. Vorsorgliche Maßnahmen, Kredite zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten und der Aufkauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt erfolgen unter diesen Voraussetzungen zur Verhinderung von Ansteckungsgefahren.
Der Aufkauf von Staatsanleihen eines Mitgliedstaats des Euro-Währungsgebiets am Sekundärmarkt erfordert zudem die Feststellung außergewöhnlicher Umstände auf dem Finanzmarkt durch die Europäische Zentralbank.
(3) Notmaßnahmen werden an strenge Auflagen gebunden, die der betroffene Mitgliedstaat grundsätzlich im Rahmen eines wirtschafts- und finanzpolitischen Programms vor Gewährung der Notmaßnahme mit der Europäischen Kommission unter Mitwirkung der Europäischen Zentralbank und nach Möglichkeit mit dem Internationalen Währungsfonds vereinbart und die von den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets einstimmig gebilligt werden. Sollte wegen der Natur der Notmaßnahme die Vereinbarung aller erforderlichen Auflagen vor Beginn der Notmaßnahme nicht möglich sein, ist diese Vereinbarung unverzüglich und vor Abschluss der Notmaßnahme nachzuholen.
(4) […]“
Erste Analyse
Nennen wir zunächst einmal diese „Formulierungshilfe“ ab jetzt den „Entwurf“.
In diesem Entwurf taucht der Name „European Financial Stability Facility“ (EFSF) überhaupt nicht auf. D.h., es handelt sich hier nicht nur um den Entwurf einer Ermächtigung für das Finanzministerium mit dem „Rettungsfonds / Rettungschirm“ EFSF Transaktionen und Finanzgeschäfte in Höhe von 211 Milliarden Euro zu tätigen, sondern um eine allgemeine Ermächtigung für das Finanzministerium, dies mit jeder Zweckgesellschaft, also jeder Bank, jeder Aktiengesellschaft, jeder Finanzorganisation zu tun, die von den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets gegründet oder entsprechend beauftragt wird.
Lassen wir diese allgemeine Ermächtigung nun beiseite, ohne sie zu vergessen und gehen wir davon aus, daß diese allgemeine Ermächtigung konkret nur die EFSF-Aktiengesellschaft betrifft.
Durch diesen Entwurf wird das Bundesfinanzministerium ermächtigt, stellvertretend für unsere Republik den Rahmenvertrag mit der Aktiengesellschaft EFSF dahingehend zu ändern, daß diese Staatsanleihen direkt bei den Staaten ankaufen kann (Primärmarkt), oder Staatsanleihen Banken bzw Finanzorganisationen und Einzelpersonen abkaufen kann (Sekundärmarkt).
Was heisst das konkret? Zuerst einmal nur das Entgegennehmen eines staatlichen Schuldtitels, auf den man dann von dem entsprechenden Staat Schuldzinsen kassiert. Das kann grundsätzlich gewinnbringend sein. Im Falle des ausdrücklich geplanten Kaufs von Anleihen Griechenlands aber, was bereits faktisch pleite ist und noch nicht einmal die Zinsen auf bereits ausgegebene Anleihen bezahlen kann, käme dies einer direkten Vernichtung von deutschen Steuergeldern gleich, die zudem fiskalisch völlig sinnlos ist; es sei denn, man hätte vor, den deutschen Staat bewusst und gezielt zu ruinieren.
Ebenso ermöglicht dieser Entwurf, daß der EFSF von Geschäftsbanken, oder der Frankfurter Zentralbank EZB Staatsanleihen aufkauft. Gerade im Fall Griechenland wäre das wie im freien Fall seinen einzigen Fallschirm an den Nachbarn rüber zu reichen, der zwar bereits mehrere auf dem Buckel hat, sich aber weigert einen davon zu ziehen und stattdessen durch den Fahrtwind brüllt, „nö, gib mir Deinen, sonst knallen wir beide auf den Boden“.
Des Weiteren ermöglicht dieser Entwurf des Bundesfinanzministeriums, welches dafür berüchtigt ist, Entwürfe direkt von der Deutschen Bank AG eins zu eins zu übernehmen, die Bezahlung („Rekapitalisierung“) von ganz normalen profitorientierten, kommerziellen Banken durch den deutschen Steuerzahler. Ob sich diese Bank nun im Besitz von der Öffentlichkeit weithin unbekannten Einzelpersonen und Aktionären befindet (wie z.B. die im Jahre 1870 gegründete „Deutsche Bank“) oder bereits eine ganze abgetakelte Atommacht regiert, die von einer inzestiösen, kaputten Nomenklatura ausgebeutet wird, deren talentlose Zöglinge auf Privilegierten-Schulen Persilscheine ausgestellt bekommen (wie die im Jahre 1864 gegründete Societe Generale) spielt dabei rechtlich keine Rolle.
Nochmal: dieser Entwurf würde im Falle einer Zustimmung die Regierung von Deutschland äußerstenfalls ermächtigen, das ihr anvertraute Steuergeld in Höhe von 211 Milliarden Euro jeder Bank auf diesem Planeten komplett in den Hals zu kippen; entweder über den Ankauf von wertlosen Schrottpapieren (Anleihen) oder über die direkte „Rekapitalisierung“ durch den EFSF, auf Antrag eines EU-Mitgliedsstaates.
Notwendig für die Ingangsetzung dieses Prozesses ist lediglich die Zustimmung der EZB, sowie der anderen Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten in den EU-Regierungsräten – „einvernehmlich“. Das heisst nicht einstimmig. Wir reden hier also über Mehrheitsbeschlüsse in den EU-Regierungsräten, die das ganze Prozedere in Gang setzen können (die Gummi-Formulierung „nach Möglichkeit“ setzt hier übrigens den IWF vor die Tür. Das dürfte ein Grund dafür sein, daß man in Washington…ach, vergessen wir diese Stadt, daß man an der New Yorker Wall Street not amused sein dürfte darüber, daß die kleinen Wuffis vom IWF beim Aufbau des konkurrierenden Imperiums über Europa leider draußen bleiben müssen.)
Jetzt zur verheerendsten Klausel in dem Ermächtigungs-Entwurf. Wieder ein typischer Schäuble. Wenn, dann. Gefahr im Verzuge. Und wenn dann der Russe, nein, der Muselmane, nein, der Chinese kommt. Da muss man doch wettbewerbsfähig im Ausbeuten sein. (Vor zwei Jahren war unter dem Innenminister Schäuble dieser Wettbewerbsfähigkeitsbeweis noch der Militäreinsatz im Inneren. Sie erinnern sich. Nein, das tun Sie natürlich nicht. Ich erinnere Sie daran und das ist Ihnen peinlich.)
Nochmal der letzte Abschnitt der „Formulierungshilfe“. Denken Sie an einen Fischer, der von seiner Ilsebill Ackermann schon wieder zum Meer geschickt wird und dann mit roten Bäckchen dasteht und sagt:
„Sollte wegen der Natur der Notmaßnahme die Vereinbarung aller erforderlichen Auflagen vor Beginn der Notmaßnahme nicht möglich sein, ist diese Vereinbarung unverzüglich und vor Abschluss der Notmaßnahme nachzuholen.“
Na? Fällt Ihnen was auf? Nein. Es fällt Ihnen nichts auf. Ich werde es Ihnen erklären.
Der entscheidende Passus lautet: „vor Abschluss„. Dieser Text würde Schäuble ermächtigen, nach Genehmigung durch den unabhängigen Euro-Diktator EZB die im EFSF-Fonds geparkten 211 Milliarden Euro Steuergelder bereits dann an erpresste Staaten innerhalb der Euro-Währungszone auszuschütten, bevor deren Parlament rechtsgültig irgendeine Art von Entstaatlichungs-Programm beschlossen hat. Für FDP-Wähler: „Da gäbe es deutsches Steuergeld Geld für arme Schweine-Staaten, ohne daß die sich auch noch ihren Staat sparen.“
Warum weise ich daraufhin? Nun, auch Italien, Frankreich, Irland oder Portugal unterliegen offiziell noch nicht der Diktatur des Kapitals. Auch diese Staaten haben noch Parlamente. Und die machen die Gesetze. Solange müssen sich auch Regierungen immer noch gedulden. Sogar die Banken, die alle auf das frische Geld der deutschen Steuerzahler warten.
Um also sicherzustellen, daß sich vor bedeutungslosen Vereinbarungen der Regierung das Parlament des erpressten Staates den Entstaatlichungs-Programmen von EZB und anderen Frankfurter Banken unterwirft, müsste der letzte Satz von Artikel 1 Absatz 3 ersatzlos gestrichen werden.
Für die Marktradikalen könnte man das so erklären: „Keinen Cent von deutschen Steuergeldern für die Banken ohne garantierte Einsparung des erpressten Staates.“
Für Freunde der Menschheit könnte man es wie folgt erläutern: „Diese Notklausel ermöglicht den Intrigen der Regierungen, die in den EU-Räten sowieso alle unter einer Decke stecken, ein forciertes Tempo. Wenn sogenannte Sparmaßnahmen erst durch den jeweiligen Staat zwingend beschlossen werden müssen, erhält das wenigstens den demokratischen Prozess parlamentarischer Kontrolle. Wenn diese Klausel jedoch in der Ermächtigung drin bleibt, ermöglicht dies als faktische Notverordnung eine einfache Regierungsvereinbarung und schon werden Dutzende von Milliarden an diese Regierung ausgeschüttet, die sie dann z.B. an Banken ihrer Wahl weiterreicht, weil es denen so schlecht geht. Also ist es wichtig, auch im eigenen Interesse, dafür zu sorgen, daß auch in den anderen EU-Mitgliedsländern die Gewaltenteilung nicht noch weiter abgebaut wird“.
Soviel erstmal.
Ergänzung 13.45 Uhr
Der im Entwurf des Finanzministeriums freigelassene Absatz 4 soll die Entscheidungshoheit des Deutschen Bundestages regeln. Dies verhandeln die Fraktionen von CDU, CSU und FDP derzeit aus.
Dazu noch noch der Hinweis: die Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen waren ausdrücklich bereit, dem Bundesfinanzministerium von Wolfgang Schäuble jede Vollmacht auch ohne verfassungsmäßiges Haushaltsrecht des Parlamentes zu unterschreiben, da diese Fraktionen sowieso die Bundesrepublik für die Installation einer politischen Union, eines EU-Zentralstaates, der „Vereinigten Staaten von Europa“ in Frage stellen. Erst auf die Weigerung von konservativen und liberalen Abgeordneten hin, dem Bundesfinanzministerium ein Ermächtigungsgesetz zu unterschreiben, heuchelten die Fantomparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen hinterher und betonten auf einmal genau die parlamentarische Demokratie, die sie seit Jahren nichts als loswerden wollen.
Die fünfte Fraktion im Bundestag ist ein Leiche und sowieso irrelevant.
Es kommt also allein auf die Entscheidungen der CDU/CSU und FDP-Parlamentarier an, ob sie die parlamentarische Demokratie in Deutschland aufrecht erhalten wollen.
(…)
Artikel zum Thema:
22.07.2011 “Einer der größten Ausverkäufe eines Volkes durch seine politische Klasse in der Neuzeit”
Zudem ist die luxemburgische Aktiengesellschaft EFSF nun von ihren Besitzern, den 17 Staaten innerhalb der Euro-Zone, ermächtigt worden, ohne Parlamentsbeschluss in den Mitgliedsstaaten deren Steuergelder direkt in “konkursreife” Banken zu schütten – auch außerhalb der bereits unter “Hilfsprogrammen” stehenden Staaten Griechenland, Irland und Portugal.
Quellen:
(1) http://www.welt.de/print/die_welt/wirtschaft/article13577729/Wer-soll-das-verstehen.html
(2) http://www.morgenpost.de/wirtschaft/article1750472/So-verstehen-Sie-die-Gesetze-zum-Rettungsschirm.html
(3) http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_97140/DE/Wirtschaft__und__Verwaltung/Europa/Der__Euro/Stabilitaet/Stabilisierung-des-Euro/20110831__EFSF-Kabinett-anl,templateId=raw,property=publicationFile.pdf