Auszug aus dem Redebeitrag des SPD-Fraktionsvorsitzenden Dr. Peter Struck auf der 215. Bundestag-Plenarsitzung.
.
Datum: Freitag, den 27. März 2009
Ort: Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode
Anlass: 215. Bundestag-Plenarsitzung
Thema: Tagungsordnungspunkt 30a: Drucksache 16/12410:
eingebrachter Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 91c, 91d, 104b, 109, 109a, 115, 143d)
sowie Tagungsordnungspunkt 30b: Drucksache 16/12400:
Entwurf eines Begleitgesetzes zur zweiten Föderalismusreform
Protokoll – Stenografischer Bericht Seiten-Nr. 23364
„Aus verfassungsästhetischen Gesichtspunkten würde ich allerdings ein deutliches Fragezeichen machen. Wir haben als Juristen gelernt, eine Verfassung sollte klar und einfach formuliert sein. Was wir jetzt aufgeschrieben haben, ist mit Verfassungsästhetik kaum zu vergleichen……Das man in eine Verfassung sogar Eurobeträge hinein schreiben muss, ist auch nicht der Normalfall. Aber es ist notwendig gewesen, um die Beträge, die festgelegt worden sind, verfassungsfest zu machen und nur mit einer Zweidrittelmehrheit ändern zu können…….Ich frage mich, warum wir wie bei der ersten Föderalismusreform ein eigentümliches Missverhältnis zwischen einerseits der Leidenschaft, mit der wir, also die politische Klasse, über dieses Thema diskutieren, und dem grossen Engagement in vielen Fragen und andernseits dem gewissen Desinteresse an diesem Thema und teilweise auch Unverständnis in den öffentlichen Medien für das, was wir in den vergangenen zwei Jahren beraten haben. Die Medien haben eigentlich nur beobachtet: Bekommen die einen Kompromiss zustande? Die Inhalte dieses Kompromisses, die wirklich sehr schwierig waren, haben nur die wenigsten verstanden. In der öffentlichen Bewertung der von uns vorgelegten Abschlussvorschläge ist man uns, glaube ich, nicht gerecht geworden.“
Diese Tagungsordnungspunkte und noch weitere dieser Sitzung dienen dem weiteren Abbau unserer Demokratie, nachzulesen in unten empfohlenen auf Radio Utopie erschienenen Artikeln.
Der kurze oben genannte Ausschnitt aus dem Redebeitrag verdeutlicht die Arroganz und Abgehobenheit der Kaste. Da wird von Verfassungsästhetik gefaselt und von nicht erhaschtem Beifall der öffentlichen Presse (seit wann interessiert man sich für die Meinung der Öffentlichkeit? Beifall und Sympathie kann man eben nur durch eine integeren Dienst am Volk erwerben), weiterhin beklagt er Unverständnis für die Grundgesetzartikeländerungen (der Aufschrei dagegen ist viel zu gering bei dieser Tragweite) und, da hat er recht: die wenigsten haben die Inhalte dieses Kompromisses verstanden.
Und in der sehr ehrlichen Aussage „wir, also die politische Klasse“ muss ihm volle Zustimmung seiner Selbsteinschätzung gewährt werden. Mit diesen Gesetzesvorlagen arbeitet er und seine „Wir“ gegen die Bevölkerung Deutschlands.
Politische Klasse
Der Begriff politische Klasse, auch Classe politique, erstmals von dem italienischen Politikwissenschaftler Gaetano Mosca formuliert, bezeichnet kritisch Politiker als selbstverfangene und machtversessene soziale Klasse.
Als sozialwissenschaftlicher Fachbegriff bezeichnet politische Klasse eine politische Elite, für die Politik nicht nur längst zum Erwerbsberuf geworden ist, sondern die sich auch zunehmend von der Bevölkerung abkapselt, sich nicht mehr durch Mobilität erneuert und dadurch zunehmend von den Interessen entfernt, die sie zu vertreten beansprucht. Eine solche Entwicklung widerspricht der demokratietheoretischen Idee, dass ein ständiger Austausch und eine gewisse Durchlässigkeit zwischen Bevölkerung und (in ihrem Auftrag handelnden) Politikern und Politikerinnen stattfinden muss. Klaus von Beyme sieht ein Wiedererstarken der Politischen Klasse durch eine Entideologisierung der Parteien, einer Annäherung aller Parteien an den Typus der Volksparteien, der Angleichung des sozialen Hintergrunds der Parlamentarier zusätzlich zu Einkommensangleichungen und der daraus resultierenden Entstehung einer Berufspolitikerschicht.
In der Schweiz wurde Classe politique zum politischen Reizwort, mit dem insbesondere die Schweizerische Volkspartei (SVP) „die da oben in Bern“ kritisierte und sich selbst als die wahren Volksvertreter darstellen wollte.
In Frankreich ist classe politique schon lange ein gängiger politischer Begriff, was auch daran liegt, dass das Führungspersonal der Parteien und der Ministerien sich fast ausschließlich von den Elitehochschulen rekrutiert. Die Politische Klasse in Frankreich ist „abgehobener“ von den Wählern als in anderen Ländern (wiki).
Artikel zum Thema
06.09.08 Das Schwarz-Rote Loch: Die Republik wird verkauft
12.06.06 Regierung startet Kampagne gegen Vorgesetzten Grundgesetz