Wall Street und CIA

Die Central Intelligence Agency ist ein Geschöpf zur Wahrung langfristiger Wirtschaftsinteressen der Wall Street. Die Verbindung fällt recht offensichtlich aus, wenn man sich vor Augen hält, wer an der Schaffung der CIA im Jahre 1947 und ihrer nachfolgenden Entwicklung entscheidend beteiligt war.

Von Lars Schall

Der nachfolgende Artikel ist ein Auszug aus dem Buch „Mordanschlag 9/11. Eine kriminalistische Recherche zu Finanzen, Öl und Drogen“, das alsbald im Schild Verlag erscheinen wird. Ausgangspunkt des Textes “Wall Street und CIA“ ist der vorangehende Nachweis, dass sich die CIA spätestens seit 1977 für das Phänomen des globalen Peak Oil zu interessieren begann.

Wall Street und CIA

Wenn sich die CIA für Peak Oil interessiert, lässt das insofern aufhorchen, da der Auslandsgeheimdienst der U.S.A., jene Central Intelligence Agency, zur Wahrung langfristiger Wirtschaftsinteressen der Wall Street kreiert wurde. Die Verbindung fällt recht offensichtlich aus, wenn man sich vor Augen hält, wer an der Schaffung der CIA im Jahre 1947 und ihrer nachfolgenden Entwicklung an entscheidender Stelle beteiligt war.

Der Vorgänger der CIA, das Office of Strategic Services (OSS), wurde im Laufe des Zweiten Weltkriegs mit Hilfe von Führungspersonal der Wall Street-Investmentbank Dillon Reed ins Leben gerufen. Das Hauptquartier des OSS lag im New Yorker Finanzdistrikt (i). Maßgeblich beeinflusst wurde seine Gründung ferner durch das Special Operations Executive (SOE), einer Abteilung des britischen Geheimdienstes, die ihrerseits dem Ministerium für Wirtschaftskriegsführung zugeordnet war (ii). Chef des OSS war von 1942 bis 1945 William Joseph Donovan, Mitbegründer der bis heute bestehenden Wall Street-Anwaltskanzlei Donovan, Leisure, Newton, and Irvine. Von 1945 bis 1947 bestand zunächst eine Rumpforganisation des OSS unter dem Namen Central Intelligence Group als Teil des Außenministeriums unter dem verantwortlichen General H. S. Vandenberg fort. Für die Umsetzung solch ambitionierter Pläne, wie sie in der Grand Area-Strategie und der „Politik der offenen Tür“ des Council on Foreign Relations im Zuge der von der Rockefeller-Stiftung finanzierten “War and Peace Studies“ zum Ausdruck kamen, bedurfte es jedoch eines weitaus größeren Nachrichtendienstes, als es die Central Intelligence Group darstellte, und also wurde die CIA nicht zuletzt auf Betreiben von Investmentbankern wie James V. Forrestal und Ferdinand Eberstadt durch den am 26. Juli 1947 verabschiedeten “National Security Act“ aus der Taufe gehoben. (iii)

Die enge Liaison zwischen Wall Street und CIA kann kaum als reiner Zufall abgetan werden. Schließlich stammten in den ersten zwei Dekaden ihrer Existenz alle „sieben der bekannten stellvertretenden Direktoren der CIA (…) aus denselben New Yorker Anwalts- und Finanzkreisen; sechs von ihnen wurden darüber hinaus im New York Social Register geführt.“ (iv)

Dazu wollte ich etwas mehr von Peter Dale Scott erfahren, dem womöglich herausragendsten CIA-Chronisten überhaupt auf der Welt, der die letztgenannten Fakten recherchierte.

Lassen Sie uns über die CIA reden, aber den Fokus auf Finanzen halten. In Ihrem Buch “The Road to 9/11“ weisen Sie darauf hin, dass die meisten der Schlüsselfiguren dieser Organisation einen Hintergrund in der Hochfinanz und dem Investmentbanking haben. Wäre es eine Übertreibung, wenn man annehmen würde, dass die CIA mehr oder weniger geschaffen wurde, um langfristige Interessen der Wall Street in der Welt abzuschirmen, und dass sie auf diese Weise bis heute aktiv ist?

Peter Dale Scott: Nun, ich denke, dass die CIA, die 1947 geschaffen wurde – in den öffentlichen Debatten ging es um die Notwendigkeit für einen Geheimdienst außerhalb der jeweiligen Einrichtungen der Armee, der Marine und der neuen unabhängigen Luftwaffe – das gleiche Gesetz, das die Luftwaffe schuf, schuf die CIA -, aber hinter den Kulissen wollten Leute von der Wall Street und der Finanzwelt die gleiche Kontrolle über die Geheimdienste wiedererlangen, die sie während des Zweiten Weltkriegs durch das OSS hatten. Wir könnten ein ganzes Interview nur darüber führen, aber die amerikanischen Finanzinvestitionen in Europa wurden vom OSS geschützt, es wurden wichtige Entscheidungen getroffen, um Fabriken, Staudämme etc. nicht anzugreifen, und das war das OSS. Truman hat immer versucht, eine Person zu bekommen, die nicht von der Wall Street war, um die CIA anzuführen, und das traf zu, bis Allen Dulles von der Wall Street die Leitung unter Eisenhower übernahm, aber darunter waren fast alle von Truman ernannten stellvertretenden Direktoren Leute von der Wall Street. Sie müssen sich die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg vorstellen: eine weitestgehend zerstörte Weltwirtschaft, man hatte private Geheimdienst-Unternehmen, etwas, das sich die World Commerce Corporation nannte, mit lauter Ex-Kriegszeit-Geheimdienstlern aus England und Amerika, die mit privaten Ressourcen versuchten – und jetzt hören wir möglicherweise mit beschlagnahmten Finanzmitteln der SS in Deutschland oder Österreich (v) -, den Welthandel in einer Weise anzuschieben, dass Amerika und Großbritannien ihn dominieren würden.

In seinem Buch “American War Machine“ kommt Peter Dale Scott auf einen konkreten Einsatz von Nazi-Finanzmitteln durch das umrissene Milieu zu sprechen, indem er auf den „mysteriösen“ E. P. Barry verweist, in späteren Zeiten Investitionspartner des früheren OSS-Mitarbeiters und Gründers von Drogenbanken, die mit der CIA verbunden waren, Paul Helliwell, und von Bruce Rappaport, einem Ölmann und Eigentümer der wichtigen Schweizer (Drogen-)Banken Inter Maritime Bank und Banque de Commerce et de Placements (BCP), dem Tochterunternehmen der berühmtesten Drogenbank der 1980er Jahre: der pakistanischen Bank of Credit and Commerce International (BCCI). Überdies war E. P. Barry wohl auch ein enger Verbündeter von William Casey, dem CIA-Direktor von 1981 bis 1987. (vi)

Scott schreibt: „Eine von sehr wenigen Sachen, die über Barry bekannt sind, ist, dass er während des Zweiten Weltkriegs im OSS war und dass Donovan ihn gegen Ende des Krieges zum Leiter der OSS-Gegenspionage (X-2) in Wien ernannte.

Die OSS-X-2 oder -Gegenspionage war die geheimste und am höchsten klassifizierte der OSS-Abteilungen und diejenige, deren genaue Mission darin bestand, den deutschen Sicherheitsdienst (SD) zu durchdringen. Laut einem OSS-Report von 1946: ,Eine gleichermaßen interessante X-2-Aktivität war die Untersuchung von RSHA (SD) Finanztransaktionen ‘ (Operation Safehaven). Im Laufe dieser Untersuchungen nahm die Dritte US-Armee einen SD-Major ,auf mehrere Reisen nach Italien und Österreich, und als Resultat dieser vorausgehenden Reisen wurden über $500.000 an Gold und auch Juwelen gesichert.’ Einiges von dem unter der Oberaufsicht von Barry gesicherten Nazi-Golds wurde daraufhin benutzt, um US-Geheimdienstoperationen in den unmittelbaren Nachkriegsjahren in Deutschland zu finanzieren.“ (vii)

Jenseits derartiger Dinge bewahrte die Zugehörigkeit zum New York Social Register ohnehin nicht davor, fragwürdige Allianzen einzugehen:

„Zwischen 1945 bis 1947 konspirierten Elemente in der US-Armee, um Kontakte mit früheren deutschen Anti-Kommunisten in Europa and ihrem deutschen Kommandanten Reinhard Gehlen aufrechtzuerhalten. Fünf Männer waren beteiligt, von denen drei (William J. Donovan, Allen Dulles und Frank Wisner) Repräsentanten der Wall Street-Oberwelt und auch des New York Social Register waren, das die Mitglieder der New Yorker High Society listete.” (viii)

Unter besagtem Reinhard Gehlen, der an den Planungen der „Operation Barbarossa”, dem Angriff Hitlers auf die Sowjetunion im Sommer 1941, involviert war und im Zuge des Stalingrad-Desasters zum Chef der Ostspionage („Abteilung Fremde Heere Ost“) avancierte, wurde zunächst die „Organisation Gehlen“ und dann der Bundesnachrichtendienst in Pullach aufgebaut – mit freundlicher Hilfe der CIA. Als weitere Beispiele für die dubiose Nähe zwischen „OSS/CIA – Wall Street“ einerseits und faschistischem Personal andererseits, dürfen dem interessierten Leser Stichworte wie die „Rattenlinie“ (“Ratline“), “Paperclip“, “MK Ultra“ und “Gladio“ gegeben werden. Die “New York Times“ berichtete übrigens im November 2010 unter der Überschrift “Nazis Were Given ‘Safe Haven’ in U.S., Report Says“ von einer 2006 abgeschlossenen, aber vier Jahre lang geheimgehaltenen Untersuchung des Office of Special Investigations (OSI) des US-Justizministeriums über die Schaffung eines „sicheren Hafens“ in den Vereinigten Staaten für führende Nazis und deren Kollaborateure durch US-Ministerien und insbesondere der CIA (ix). So war man sich beispielsweise keineswegs zu schade dafür, jemanden wie Otto von Bolschwing, einem fleißigen Handlanger von Adolf Eichmann bei der Ausarbeitung der „Endlösung der Judenfrage“, nach dem Zweiten Weltkrieg Einlass in die U.S.A. zu gewähren und für die CIA arbeiten zu lassen. Ende der 1960er Jahre wurde von Bolschwing gar der Vorsitzende der Hightech-Rüstungsfirma Trans-International Computer Investment Corporation, die Geheimaufträge vom Pentagon ausführte. Es gibt zahlreiche andere Beispiele für Nazi-Verbrecher, die vom CIA und weiteren US-Behörden im Dienste der „nationalen Interessen“ jahrzehntelang verdeckt verwendet wurden.

Dass die CIA primär zur Absicherung von langfristigen Wall Street-Interessen geschaffen wurde, zeigte sich während der Frühphase ihrer Existenz besonders deutlich im Zuge der „Operation Ajax“ 1953 im Iran. Schauen wir sie uns derhalben kurz genauer an; sie besaß Vorbildfunktion für ähnliche Operationen der Zukunft. Darüber hinaus ist sie ein Beispiel dafür, dass die Erfolgsaussichten demokratischer Bewegungen mithin gerade von den U.S.A., dem vermeintlichen Sinnbild moderner Demokratie, zunichte gemacht werden.

Anfang der 1950er Jahre regierte im Iran der populäre Premier Mohammad Mossadegh. Noch als Oppositionspolitiker brachte Mossadegh 1951 ein Gesetz zur Verstaatlichung der iranischen Erdölfelder im Parlament ein. Hintergrund hierfür war die strikte Ablehnung des britisch geführten AIOC-Konzerns (aus dem späterhin BP hervorging), die Gewinnanteile, die durch das Ölgeschäft im Iran erzielt wurden, mit dem Gastgeberland neu zu verhandeln. Großbritannien war seit den 1910er Jahren, insbesondere durch die „weise“ Vorausschau des damaligen ersten Lords der Admiralität, Winston Churchill, verstärkt in Persien tätig geworden, nachdem dort am 26. Mai 1908 bei Masjid-i-Sulaiman riesige Erdölvorkommen entdeckt worden waren. Verantwortlich hierfür zeichnete sich der australische Geschäftsmann William Knox D’Arcy. Sogleich horchte der britische Geheimdienst auf und schickte seine Vertrauensmänner Sidney Reilly und Lord Strathcona in die Region, um Verkaufsgespräche mit D’Arcy aufzunehmen (x). Was Churchill betraf, so „blickte (dieser) mit Sorge und Misstrauen auf die internationale Situation. Er fürchtete eine russische Expansion im Nahen Osten und misstraute dem Plan der Deutschen, eine Bahn von Berlin nach Bagdad zu bauen.“ (xi)

Die sogenannte „Bagdadbahn“, die der deutsche Historiker Golo Mann als „etwas Großartig-Kompaktes und ganz im Sinn der schönsten Träume von 1848“ bezeichnete, scheint bei der britischen Führungsschicht in der Tat arge Gedanken freigesetzt zu haben. (xii) Der US-amerikanische Finanzhistoriker Stephen Zarlenga gibt in seinem Buch „Der Mythos vom Geld“ dazu zum Besten, dass die deutsche Industrie durch Verwirklichung der von der Reichsbank finanzierten Bagdadbahn „mit noch weiter östlich gelegenen Märkten direkt verbunden werden und auf diese Weise die überlegene Seemacht Großbritannien umgehen“ hätte können. „Hjalmar Schacht, eine der Schlüsselfiguren im Finanzwesen Deutschlands des 20. Jahrhunderts“, und übrigens mit Owen D. Young zusammen der wesentliche Ideengeber dessen, was heute die Weltbank in Washington D.C. ist (die ehemalige Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, IBRD), „bemerkte, dass die Finanzierung der Bagdadbahn den Engländern ,ein Dorn im Auge’ war. Und Francis Neilson, ehemaliger Abgeordneter des britischen Parlaments und Autor des Buches The Makers of War, vertritt die Ansicht, dass sich die Altherrenriege der englischen Industrie nicht imstande sah, der deutschen Konkurrenz in industrieller Hinsicht Paroli zu bieten.

1907 erhielt der allgemein geachtete amerikanische Diplomat Henry White den Auftrag, die britische Haltung zu ermitteln. Er traf sich mit seinem Freund Alfred Balfour:

Balfour (etwas abfällig): ,Wir sind wahrscheinlich Narren, dass wir keinen Grund finden, um den Deutschen den Krieg zu erklären, bevor sie zu viele Schiffe bauen und uns unseren Handel streitig machen.’

White: ,Wenn Sie es mit dem deutschen Handel aufnehmen wollen, müssen Sie sich eben mehr anstrengen.’

Balfour: ,Das würde bedeuten, dass wir eine Senkung unseres Lebensstandards hinnehmen müssten. Vielleicht wäre es für uns einfacher einen Krieg zu führen.’ Und dann, als Reaktion auf Whites Schock nach dieser Aussage: ,Geht es denn um richtig oder falsch? Vielleicht geht es nur darum, dass wir unsere Vormachtstellung behaupten.’“ (xiii)

Damit Kehrtwende zurück zu den in dieser Ära gerade entdeckten iranischen Ölquellen bei Masjid-i-Sulaiman und den Sorgen von Winston Churchill, dem damaligen ersten Lord der Admiralität:

„Auch im eigenen Land gab es Druck, denn der eigenwillige Admiral Fisher bestand darauf, die britische Flotte von Kohle auf Öl umzustellen. Da Großbritannien noch keine eigene Ölquelle hatte – das Nordseeöl war noch nicht entdeckt –, würde die Frage der Belieferung immer kritisch bleiben, und Churchill wollte sich weder auf das amerikanische Öl noch auf Shell mit seinen holländischen Verbindungen verlassen müssen. Mittlerweile konkurrierten folgende Ölkonzerne miteinander: Royal Dutch/Shell, Gulf, Texaco und Standard Oil Company. Die Vorstellung, Zugriff auf diese Ölquelle in Persien zu haben, gefiel Churchill, und deshalb überredete er die britische Regierung, sich mit 50 Prozent am Unternehmen von D’Arcy zu beteiligen. Die Anglo-Persian Oil Company, ein Vorläufer der British Petroleum (BP), wurde im Sommer 1914 mit königlicher Zustimmung gegründet, just zu der Zeit, als die ersten Anzeichen eines neuen Krieges auftauchten. Die Anglo-Persian Oil Company war im Vergleich zu den anderen Ölkonzernen also kein privates Unternehmen, sondern ein Regierungskonzern, der die Aufgabe hatte, die Royal Navy mit Öl zu versorgen.“ (xiv)

Dies zur Gründung des AIOC-Konzerns, der sich weigerte, die Gewinnbeteiligungen Anfang der 1950er Jahre im Iran neu zu verhandeln.

Begleitet von Streiks, Unruhen und der Ermordung des bis dato herrschenden Generals Rasmara, wurde das eingebrachte Verstaatlichungsgesetz bezüglich der iranischen Ölquellen schließlich verabschiedet und Mossadegh zum neuen Premierminister ernannt. Obwohl das Gesetz Entschädigungsleistungen zugunsten der Briten vorsah, hieß die Konsequenz, dass auf dem internationalen Markt kaum noch iranisches Öl abgesetzt werden konnte. Den Ausfall, den AIOC im Iran zu beklagen hatte, kompensierte der Konzern, indem er kurzerhand die Produktionsraten im Irak und in Kuweit erhöhte (beide Länder waren Post-Weltkrieg-Eins-Geschöpfe Großbritanniens und nach wie vor intakter Teil der britischen Interessensphäre). Darüber hinaus erhielt die AIOC sämtliche Unterstützung der übrigen Ölgiganten und der britischen Regierung, was unter anderem zur Einfrierung iranischer Auslandskonten führte. Die Vereinten Nationen wollten sich des Streitfalls derweil nicht annehmen, obschon Mossadegh persönlich nach New York gereist war, um für die legitimen iranischen Interessen zu werben. Nachdem der britische Auslandsgeheimdienst bereits den Direktor des US-amerikanischen Pendants, Allen Dulles, von der Notwendigkeit eines Coups im Iran überzeugen konnte, versuchte der britische Premier Winston Churchill auf diplomatischer Ebene den amtierenden US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower „davon zu überzeugen, dass Mossadegh letztlich dem Kommunismus in Iran Tür und Tor öffnen würde.“ (xv) Die Propaganda, die alsbald einsetzte, war denn auch klare „Kalte-Kriegs-Rhetorik“, die immer wieder in den folgenden Jahrzehnten auftauchte, wo englische und amerikanische Wirtschaftsinteressen auf dem Spiel standen.

Trotz der erheblichen Einbußen, die der Iran aufgrund der Exportausfälle am Ölmarkt zu verzeichnen hatte, gewann Mossadegh im August 1953 ein Volksreferendum, das ihn mit weitreichenden Kompetenzen ausstattete. Der mächtigste Mann der iranischen Streitkräfte, Mohammed Reza Pahlewi, wurde in den königlichen Palästen unter Hausarrest gestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren Churchills Bemühungen in der Pennsylvania Avenue schon von Erfolg gekrönt gewesen: Präsident Eisenhower hatte einen Putschplan bewilligt, der von Kermit Roosevelt jr., einem ranghohen Mitarbeiter der CIA, in die Tat umgesetzt werden sollte. CIA-Direktor Allen Dulles stellte hierfür eine Summe von circa einer Million US-Dollar bereit, während sein Bruder, der amtierende Außenminister John Foster Dulles, den US-Botschafter in Teheran anwies, kraft der freigemachten Finanzmittel bereitwillige Iraner anzuwerben. (xvi)

Interessant ist nun, dass der Preis der AIOC-Aktie zu steigen begann, sobald die oberste Ebene aus Politik und Geheimdiensten in den U.S.A. und Großbritannien den Coup im Iran beschlossen hatte. Dies war mitnichten dem Zufall geschuldet, wie die Ökonomen Arindrajit Dube, Ethan Kaplan und Suresh Naidu in ihrer wissenschaftlichen Studie “Coups, Corporations, and Classified Information“ („Coups, Konzerne und geheime Informationen“) darlegen. Ihr im April 2011 veröffentlichtes Papier zeigt unter anderem am Beispiel Iran, dass Regierungsumstürze, die von den U.S.A. unterstützt wurden, nicht bloß multinationalen Konzernen zugute kamen, sondern auch bestens informierten Insidern an der Börse, die aus “Top-Secret“ eingestuften Plänen Geld für sich herauszuschlagen wussten. (xvii)

Im Juli 1953 reiste Kermit Roosevelt jr. in den Iran ein und organisierte mit General Fazlollah Zahedi die geplante „Operation Ajax“, bei der iranische Offiziere und Zivilisten eingesetzt wurden. Der eingeweihte General Mohammed Reza Pahlewi, nachfolgend der Welt als Schah von Persien bekannt geworden, floh nach Italien und wartete von dort aus die weitere Entwicklung ab. Drei Tage nach der Flucht des Schahs begann der Staatsstreich mit Schießereien vor dem Haus von Mossadegh. Die von General Zahedi befehligten Truppen obsiegten, der Schah kehrte zurück, und am 28. Oktober 1954 wurde ein Nachfolgevertrag unterschrieben, der die eingeführte Verstaatlichung des persischen Öls rückgängig machte. Der Gewinnanteil an den Erdöleinnahmen betrug für den Iran fortan 25 Prozent (zuvor 20 Prozent), der Rest ging an ein internationales Konsortium, dem neben AIOC/BP (xviii) weitere namhafte Vertreter des Ölgeschäfts angehörten: Standard Oil of New Jersey/Esso und Mobil Oil, die später zu ExxonMobil fusionierten; Standard Oil of California, woraus später Chevron wurde; Texaco, woraus durch den Zusammenschluss mit Chevron wiederum ChevronTexaco wurde (xix); Gulf Oil; sowie Royal Dutch/Shell und die in den 1920er Jahren gegründete Compagnie Francaise des Pétroles, ein Vorläufer von Total Elf Aquitaine.

Als er die CIA im Jahre 1958 verließ, ging Kermit Roosevelt jr. übrigens zu Gulf Oil, das großen wirtschaftlichen Nutzen aus dem Staatsstreich im Iran zog. Zwei Jahre später wurde Roosevelt zum stellvertretenden Vorsitzenden des Unternehmens ernannt.

Die langfristigen Wirtschaftsinteressen der Wall Street schienen durch die Intervention der CIA gesichert, wobei es nicht sonderlich schwer fällt, folgende Verbindung herzustellen: Ein Begünstigter des Staatsstreiches von 1953 waren Standard Oil-Firmen. Standard Oil gehörte zur Klientel der Kanzlei Sullivan and Cromwell (ebenso die Hausbank der Familie Rockefeller, die Chase Bank). Partner bei Sullivan and Cromwell war Allen Dulles. Und Allen Dulles wiederum verfügte über beste geschäftliche und persönliche Beziehungen zu Standard Oil beziehungsweise der Familie Rockefeller, deren Hausbank zu den größten der New York Fed gehörte (und heute als J.P. Morgan Chase noch immer gehört).

Ein näherer Blick auf das leitende Personal im Laufe der Geschichte der CIA zeigt, dass der „National Security Act“, aus dem die CIA hervorging, von Clark Clifford geschrieben wurde. Clifford war Berater von Präsident Harry S. Truman und Verteidigungsminister der U.S.A. unter Lyndon B. Johnson. Welcher Profession ging Clifford ansonsten nach? „Wall Street-Rechtsanwalt und Bankier.“ (xx) Bei der Ausarbeitung des „National Security Act“ folgte Clifford Vorgaben der Brüder John Foster und Allen Dulles. John Foster wurde US-Außenminister unter Eisenhower, Allen bekleidete zur gleichen Zeit ab 1953 die Funktion des CIA-Direktors, nachdem er sich während des Zweiten Weltkriegs als OSS-Agent von der Schweiz aus um US-amerikanische Investitionen im Dritten Reich gekümmert hatte (zum Beispiel I.G. Farben, xxi) und späterhin zeitweise Präsident des Council on Foreign Relations gewesen war. Welcher Profession gingen die Dulles-Brüder ansonsten nach? „Partner bei Sullivan and Cromwell, der – bis heute – mächtigsten Anwaltskanzlei der Wall Street“ (xxii), zu deren Klienten in der Epoche des Zweiten Weltkriegs beispielsweise das mit Nazis Geschäfte machende Finanzinstitut Brown Brothers Harriman & Co. zählte. Eine wichtige Abteilung innerhalb der CIA war in ihrer Anfangsphase das Office of Policy Coordination (OPC). Der erste Chef des OPC hieß Frank Wisner. Welcher Profession ging Wisner ansonsten nach? „Wall Street-Rechtsanwalt.”(xxiii) Ein weiterer wichtiger Mann in der Geschichte der CIA war William Casey. Unter Ronald Reagan erfüllte er die Funktion des Director of Central Intelligence, unter Richard Nixon saß er zuvor der Securities and Exchange Commission (SEC) vor, die für die Aufsicht des Wertpapierhandels in den U.S.A. zuständig zeichnet, das heißt zum Beispiel für alles, was mit dem Bereich „Insiderhandel“ zusammenhängt. Welcher Profession ging William Casey ansonsten nach? „Wall Street-Rechtsanwalt und Börsenhändler.“ (xxiv) In der Zeit von William Casey als CIA-Direktor war Stanley Sporkin der General Councel der CIA, nachdem er zuvor über zwanzig Jahre lang ebenfalls in leitender Position bei der SEC tätig war. Welcher Profession ging Sporkin nach seiner Zeit bei der CIA nach? „Wall Street-Rechtsanwalt“ in der Kanzlei Weill, Gottschall, and Menges (xxv). Sein Nachfolger als General Councel der CIA war David Doherty, der späterhin zur New York Stock Exchange wechselte, um dort als Executive Vice-President zu arbeiten (xxvi). John Deutch, der CIA-Direktor von 1995 bis 1996, wechselte im direkten Anschluss in den Vorstand von Citigroup, der nominell zweitgrößten Bank der U.S.A. (xxvii). Dort fand sich auch Nora Slatkin ein, ehemals Exekutivdirektion der CIA (xxviii). Vor seinem Engagement als Exekutivdirektor der CIA in den Jahren 2001 bis 2004 fungierte A. B. “Buzzy“ Krongard wiederum als stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Banker’s Trust und als Vorstandsvorsitzender der Investmentbank Alex. Brown (die älteste Investmentbank der U.S.A., Alex. Brown & Sons, gegründet 1800, befindet sich seit 1999 im Besitz der Deutsche Bank AG). (xxix)

Was jener Alvin Bernard Krongard mit einem bemerkenswerten Vorgang bezüglich der 9/11-Anschläge zu tun gehabt haben könnte, dazu siehe den Artikel “Insiderhandel 9/11…ungelöst“.

Quellen:

i Vgl. Michael C. Ruppert: “Crossing the Rubicon”, a.a.O., Seite 57.

ii Vgl. F. William Engdahl: “Mit der Ölwaffe zur Weltmacht“, a.a.O., Seite 22, 123 – 124.

iii Peter Dale Scott macht darauf aufmerksam, dass “this new agency, based on the precedent and personnel of the OSS, had been urged on Washington by the War-Peace-Studies Project of the Council on Foreign Relations in the early 1940s. It was reinforced by a report commissioned in 1945 by navy secretary James V. Forrestal. The report was written by Ferdinand Eberstadt, who like Forrestal was a private Wall Street banker from the investment bank Dillon Read.” Aus Peter Dale Scott: “The Road to 9/11”, a.a.O., Seite 12.

Des Weiteren ist zu beachten, dass aus dem National Security Act nicht nur die CIA, sondern auch der Joint Chiefs of Staff und der National Security Council hervorgingen. Seither steht dem US-Präsidenten ein National Security Advisor zur Seite, der den National Security Council anführt. Was die CIA betrifft, so ist auch der 18. Juni 1948 von Bedeutung, da an diesem Tage der National Security Council der “Agency“ kraft der “Directive on Office of Special Projects” die Befugnis zur Durchführung sogenannter “covert operations“ verlieh, “…which are conducted or sponsored by this Government against hostile foreign states or groups or in support of friendly foreign states or groups but which are so planned and executed that any US Government responsibility for them is not evident to unauthorized persons and that if uncovered the US Government can plausibly disclaim any responsibility for them. Specifically, such operations shall include any covert activities related to: propaganda, economic warfare; preventive direct action, including sabotage, anti-sabotage, demolition and evacuation measures; subversion against hostile states, including assistance to underground resistance movements, guerrillas and refugee liberation groups, and support of indigenous anti-communist elements in threatened countries of the free world. Such operations shall not include armed conflict by recognized military forces, espionage, counter-espionage, and cover and deception for military operations.” Vgl. hierzu U.S. Department of State: Foreign Relations of the United States, 1945 – 1950, veröffentlicht unter: http://www.state.gov/www/about_state/history/intel/290_300.html. Siehe Punkt 292: National Security Council Directive on Office of Special Projects, Sektion 5.

iv Peter Dale Scott: “The Road to 9/11“, a.a.O., Seite 12.

v Vgl. Amy B. Zegart: “Flawed by Design. The Evolution of the CIA, JCS, and NSC,“ Stanford University Press, Seite 189.

vi Vgl. Peter Dale Scott: “American War Machine. Deep Politics, the CIA Global Drug Connection, and the Road to Afghanistan“, Rowman & Littlefied, Lanham, 2010, Seite 163.

vii Ebd., Seite 164. Zum Sachverhalt, inwiefern faschistische Kräfte nach dem Zweiten Weltkrieg intensiv mit Geheimdiensten und Drogenhändlern zusammenarbeiteten, möchte ich ferner empfehlen Henrik Kruger: “The Great Heroin Coup: Drugs, Intelligence & International Fascism“, South End Press, Boston, 1980.

viii Peter Dale Scott: “The Road to 9/11“, a.a.O., Seite 12.

ix Vgl. Eric Lichtblau: “Nazis Were Given ‘Safe Haven’ in U.S., Report Says“, veröffentlicht in The New York Times am 13. November 2010 unter: http://www.nytimes.com/2010/11/14/us/14nazis.html

x Vgl. F. William Engdahl: „Mit der Ölwaffe zur Weltmacht“, a.a.O., Seite 42.

xi Colin J. Campbell: „Ölwechsel!“, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 2007, Seite 130.

xii Golo Mann: „Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts“, Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 9. Auflage 2003, Seite 518.

xiii Stepen Zarlenga: „Der Mythos vom Geld“, a.a.O., Seite 450

xiv Colin J. Campbell: „Ölwechsel!“, a.a.O., Seite 130.

xv Vgl. Wilfried von Bredow: „Spätfolgen. Der Putsch im Iran 1953“, veröffentlicht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 12. Februar 2009. Hierbei handelt es sich um eine Rezension des Buches „Im Dienste des Schah. CIA, MI6 und die Wurzeln des Terrors im Nahen Osten“ von Stephen Kinzer, Weinheim 2009.

xvi Vgl. Rainer Traub: „Im Namen der Demokratie“, veröffentlicht am 29. Juli 2008 in „Spiegel Spezial Geschichte“, Nr. 3, Seite 57.

xvii Vgl. Arindrajit Dube, Ethan Kaplan und Suresh Naidu: “Coups, Corporations, and Classified Information“, NBER Working Paper No. 16952, veröffentlicht April 2011, online abrufbar unter: http://www.nber.org/papers/w16952

xviii Aus British Petroleum wurde nach der Übernahme durch Amaco (zuvor Standard Oil of Indiana) zunächst BP Amaco, um heutzutage nur noch unter dem Akronym BP zu firmieren.

xix Für ChevronTexaco gilt ähnliches: der Beisatz Texaco wurde in der Zwischenzeit wieder fallen gelassen, seither heißt das fusionierte Unternehmen nur noch Chevron.

xx Vgl. Michael C. Ruppert: “Crossing the Rubicon”, a.a.O., Seite 53.

xxi Siehe zu den diversen US-amerikanischen Finanz- und Wirtschaftsinvestionen wie I.G. Farben, aber auch der Rolle von Sullivan and Cromwell, der Chase Bank, Standard Oil-Firmen sowie Allen Dulles insbesondere Charles Higham: “Trading with the Enemy. The Nazi-American Money Plot 1933 – 1949“, iUniverse Inc., Lincoln, 1983, 2007.

xxiiPeter Dale Scott: “The Road to 9/11“, a.a.O., Seite 12. Scott schreibt ebd. zur Rolle von Allen Dulles bezüglich des ”National Security Act“: “As CIA director Richard Helms narrates in his memoirs, Allen Dulles (…) was recruited in 1946 ’to draft proposals for the shape and organization of what was to become the Central Intelligence Agency in 1947.’ Dulles promptly formed an advisory group of six men, all but one of whom were Wall Street investment bankers or lawyers. In 1948, Forrestal appointed Dulles chairman of a committee, along with two other New York lawyers, to review CIA’s performance. ‘The three lawyers conferred for close to a year in one of the board rooms at J.H. Whitney,’ another Wall Street investment firm.”

xxiii Ebd., Seite 13.

xxiv Vgl. Michael C. Ruppert: “Crossing the Rubicon”, a.a.O., Seite 54.

xxv Vgl. ebd., Seite 54 – 56.

xxvi Vgl. ebd., Seite 56.

xxvii Vgl. ebd.

xxviii Vgl. Nafeez M. Ahmed: “Geheimsache 09/11. Hintergründe über den 11. September und die Logik amerikanischer Machtpolitik“, Goldmann Verlag, München, 2004, Seite 462. Ahmed beruft sich hierbei auf einen Bericht von Mike Ruppert unter: http://www.copvcia.com/stories/july_2001/part_2.html

xxix Ebd.

Original Artikel erschienen auf LarsSchall.com