Heute wird im Parlament von Deutschland über Summen in Höhe von mindestens einer Billion Euro debattiert. Um 12.00 Uhr beginnt dazu die Sitzung des Bundestages mit einer Rede von Kanzlerin Angela Merkel. Anschließend wird über einen – rechtlich völlig unverbindlichen – gemeinsamen Entschließungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP abgestimmt, welcher sich zur Handhabung der 211 Milliarden deutscher Steuergelder im Fonds der luxemburgischen Aktiengesellschaft EFSF äußert, dem sogenannten „Euro-Rettungsfonds“ oder „Euro-Rettungschirm“. Entschieden wird dabei nichts. Über jede konkrete Entscheidung des EU-Gipfels bezüglich der Ausgaben von deutschen Staatsgeldern im EFSF-Fonds entscheidet nachfolgend der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages. (25.Oktober, Bundestag entscheidet noch einmal nach EU-Gipfel über EFSF-Leitlinien)
Gleichwohl ist dieser Entschließungsantrag des so ungewohnt teiltraditionell in Blockformation marschierenden Eurobundestages von gesteigertem öffentlichen Interesse. Dennoch, oder vielleicht deswegen, ist dieser Entschließungsantrag z.Z. weder auf der Seite des Bundestages, noch sonst irgendwo im Internet zu finden. Radio Utopie erlaubt sich daher, etwas nachzuhelfen.
Der Inhalt des interfraktionellen Entschließungsantrags, der heute gegen Nachmittag im Parlament von Deutschland verabschiedet wird:
Entschließungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat und zum Eurogipfel am 26. Oktober 2011 in Brüssel
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Sachverhalt
Die Europäische Finanzierungsfazilität EFSF ist nach Beschluss des Europäischen Rates vom 21. Juli 2011 und nachfolgender nationaler Umsetzung mit einem Kreditvergabevolumen von 440 Mrd. Euro ausgestattet. Die weiterhin angespannte Marktlage macht es erforderlich, einen möglichst effizienten Einsatz dieser Mittel zur Stabilisierung der Eurozone sicherzustellen.
Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone beabsichtigen am 26. Oktober 2011, die Eurogruppe bzw. die EFSF mit der Konkretisierung von Optimierungsmodellen zur EFSF zu beauftragen. Ein Modell zielt darauf ab, ein unter Druck stehendes Land der Eurozone am Markt zu halten und hierfür eine Teilabsicherung neuer Staatsanleihen zu übernehmen. Unter Einsatz einer Zweckgesellschaft zielt ein weiteres Modell auf eine Risikoteilung zwischen öffentlichen Mitteln der EFSF und Drittmitteln insbesondere von privaten Investoren. Beide Modelle schließen sich nicht gegenseitig aus.
Die Modelle sollen im weiteren Verfahren mit Beteiligten besprochen und dann konkretisiert werden.
II. Vor diesem Hintergrund stellt der Deutsche Bundestag fest, dass
• die vorhandenen EFSF-Mittel möglichst effizient eingesetzt werden sollen, um die Stabilität der Eurozone zu unterstützen. Dabei ist uns bewusst, dass durch die Erhöhung der Kapazität (sog. „Leverage“) der EFSF das Verlustrisiko sich verändern kann;
• dabei das bereits vorhandene EFSF-Instrumentarium genutzt werden wird;
• ein Einsatz nur unter den im EFSF-Rahmenvertrag und den Leitlinien vorgesehenen Konditionen vorgesehen ist;
• mit dem Inkrafttreten der EFSF die Notwendigkeit zur Fortführung des Sekundärmarktprogramms (SMP) der Europäischen Zentralbank entfällt.
III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, im weiteren Verfahren
• die strikte Einhaltung des vorgegebenen Garantievolumens der EFSF zu gewährleisten;
• eine Änderung des beschlossenen EFSF-Rahmenvertrages durch Optimierungsmodelle auszuschließen;
• den Mitteleinsatz so zu optimieren, dass Ansteckungsgefahren innerhalb der Eurozone vermindert werden;
• bei einer Konkretisierung die Vorgaben des in Art. 123 AEUV festgelegten Verbots von Zentral-bankkrediten sowie des unmittelbaren Erwerbs von Staatsanleihen (Primärmarktkäufe) durch die EZB einzuhalten und die Unabhängigkeit der EZB zu wahren;
• über die weitere Konkretisierung der Modelle zu berichten;
• bei einer Überführung der Modelle in Leitlinien der EFSF diese rechtzeitig dem Deutschen Bundestag bzw. dem Haushaltsausschuss zur Zustimmung vorzulegen;
• dafür zu sorgen, dass sich die europäischen systemrelevanten Banken entsprechend der Vorgabe der Europäischen Bankenaufsicht bis zum 30. Juni 2012 zunächst in eigener Verantwortung rekapitalisieren;
• Vorschläge der Europäischen Kommission zur Finanztransaktionssteuer zügig nach den G20-Treffen Anfang November 2011 in den Gremien der Europäischen Union einer Entscheidung zu-zuführen.
Berlin, den 25. Oktober 2011
Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion
Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion