Von seiten der S21-Befürworter wurde und wird immer wieder ein Gutachten von Märkische Revision, PwC und SUSAT UND PARTNER aus der sogenannten Faktenschlichtung vergangenen Jahres bei ihren Versuchen herangezogen, angebliche Ausstiegskosten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro nachzuweisen. Meldungen der Presse, z.B. „Hannover-Zeitung“ sowie der „Rheinischen Post“ vom 26. Oktober, in denen behauptet wird, die Abbruchkosten des Projekts „Stuttgart 21“ lägen bei etwa 1,5 Mrd. Euro, sind jedoch nachweislich falsch.
Dagegen entspricht die Ausstiegskosten-Kalkulation, die von den Ingenieuren22 am vergangenen Freitag veröffentlicht wurde, in Höhe und Größenordnung gut der Realität. Zu diesem Ergebnis kommt man gerade durch Studium eben dieses Gutachtens von Märkische Revision, PwC und Susat & Partner. Gegenstand dieses für die 7. und 8. Sitzung der sog. Faktenschlichtung am 15. November letzten Jahres veröffentlichten Gutachtens war eine Beurteilung der Projekt-Gesamtkosten von Stuttgart 21.
Nach eigener Aussage der Gutachter ist deren Resultat risikobehaftet, denn es gibt lediglich die Zahlen wieder, die die Deutsche Bahn den Gutachtern offengelegt hat, und es stand nicht genug Zeit für eine sorgfältige Prüfung zur Verfügung. Die im Rahmen dieses Gutachtens außerordentlich seriös arbeitenden Wirtschaftsprüfer sind sich dieses Umstands in vollem Umfang bewußt, daher heißt es beispielsweise zu Beginn auf Seite 6:
„Aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit haben wir unsere gutachterliche Stellungnahme zur Plausibilität weitgehend auf die von der DB AG zur Verfügung gestellten Berechnungen und sonstigen Angaben, insbesondere technische Angaben, gestützt und keine eigene Untersuchung technischer Art vorgenommen.
Der guten Ordnung halber weisen wir darauf hin, dass unsere Tätigkeit (auch in ihrer Gesamtheit) weder eine Abschlussprüfung noch eine prüferische Durchsicht darstellt. Da unsere Tätigkeit in erster Linie die Befragung von Mitarbeitern der DB AG sowie analytische Beurteilungen umfasst, bietet sie nicht die durch eine Abschlussprüfung oder prüferische Durchsicht erreichbare Sicherheit. Aus diesem Grunde besteht bei dem erteilten Auftrag ein gegenüber der Abschlussprüfung oder prüferischen Durchsicht höheres Risiko, dass selbst wesentliche Fehler, rechtswidrige Handlungen oder andere Unregelmäßigkeiten nicht aufgedeckt werden.“
Feststellung der „Märkische Revision“: Auf Seite 75, Punkt 226ff. sind die Kosten wie folgt gestaffelt (Zahlen in Mio. Euro):
– Kosten A1: 452,9
– Kosten A2: 200,2
– Kosten A3: 869,2
Summe: 1522,3
Unter dem folgenden Punkt 227 wird dann entsprechend erläutert:
– A1: Die im Zeitpunkt des Projektausstiegs aufgelaufenen und abzuschreibenden Planungs und Baukosten Stuttgart 21 einschließlich der Zinsen stellen echte Ausstiegskosten dar. Zusätzlich sind kalkulatorische Zinsen auf die bis zum Ausstiegszeitpunkt aufgelaufenen Planungs- und Baukosten Stuttgart 21 als Ausstiegskosten zu erfassen. Diese müssten ggfs. entsprechend berechnet werden. Bei der Berechnung der Höhe der Ausstiegskosten wären nur solche Kosten zu berücksichtigen, die keinen weiteren Nutzen für die DB oder andere Projektpartner hätten.
– A2: Die aufgelaufenen Planungs- und Baukosten der NBS Ulm – Wendlingen stellen nur dann Ausstiegskosten im Zusammenhang mit Stuttgart 21 dar, wenn das Projekt NBS ausschließlich auf Grund des Projektausstieges Stuttgart 21 beendet würde. Bei der Berechnung der Höhe der Ausstiegskosten wären nur solche Kosten zu berücksichtigen, die keinen weiteren Nutzen für die DB oder andere Projektpartner hätten.
– A3: keine Ausstiegskosten (wird in den weiteren Punkten näher erläutert und detailliert begründet)
Fazit Märkische Revision: Kosten aus der Rückabwicklung von Grundstücksverkäufen und die Rückerstattung im voraus gewährter Zuschüsse stellen keine Ausstiegskosten dar.
Besonders interessant ist der Ansatz der Wirtschaftsprüfer Susat & Partner, die folgende Bewertung getroffen haben (vgl. Tabelle Seite 82 des Gutachtens, Zahlen in Mio. Euro):
– Rückabwicklung Grundstücksverkäufe: 708
– Betriebskostenzuschuss Flughafen Stuttgart: 0
– Wertverluste A1 Flächen: 50
– Ist-Kosten Stuttgart: 122
– Planungskosten NBS: 81
– Obligo Stuttgart 21: 94
– Obligo NBS: 13
– sonstige Budgetkosten: 6
Summe: 1.074
Summiert man nun diejenigen Zahlen, die gemäß Punkt 226, Seite 75 Ausstiegskosten aus Stuttgart 21 sind und läßt mögliche Ausstiegskosten der Neubaustrecke (die bei der Volksabstimmung ja ausgeklammert ist) beiseite, so ergibt sich eine Summe für die Ausstiegskosten aus den fett gedruckten Posten in Höhe von 272 Mio. Euro, also ein Betrag noch unterhalb der 300 Mio. Euro-Grenze.
Zur Erinnerung: Die Ingenieure22 hatten in der vergangenen Woche die Ausstiegskosten mit 277 Mio. Euro beziffert. (21.Oktober, Stuttgart 21: “Ausstiegskosten” betragen etwa 300 Millionen Euro)
Damit bestätigt der völlig andere Ansatz, den Susat & Partner im Rahmen ihres Gutachtens als Wirtschaftsprüfer verfolgt haben, das Ergebnis Ingenieure 22. Abweichungen zu anderen Gutachten bestehen, liegen aber im gleichen Rahmen wie auch Differenzen zu anderen unabhängigen Experten.
Ganz allgemein sind sich die drei Wirtschaftsprüfer darin einig, daß die von Befürwortern immer wieder insistierten Rückabwicklungskosten für Grundstücke keine Ausstiegskosten darstellen.
Dem Fall, daß die Bahn Schadensersatz auf dem Klageweg einfordern würde, kann das Land aus folgenden Gründen mit Gelassenheit entgegensehen:
– Die Bahn müßte ihre Kalkulation offenlegen, verzögert aber bereits heute im Lenkungskreis hartnäckig die Herausgabe belastbarer Zahlen.
– Die Bahn müßte die Ausstiegskosten Punkt für Punkt gerichtsfest belegen.
– In diesem Zusammenhang würde die Frage der Rechtmäßigkeit der Verträge gerichtlich überprüft.
Insbesondere der gerichtlichen Prüfung der Verträge und der internen Kostenkalkulation sehen die Ingenieure 22 mit großem Interesse entgegen
Gutachten aus der sogenannten Faktenschlichtung
Die Links zu den zitierten Presseveröffentlichungen sind bereits in den Text eingearbeitet.
Presseerklärungen und Hintergrundinfos / Presseportal: www.parkschuetzer.org/presse
Internet: www.ingenieure22.de
Rückfragen: Roland Morlock, Diplom-Physiker, Tel. 0177 8117740
Kontakt: presse(at)ingenieure22.de
Quelle: Ingenieure22