Die gespenstische Diskussion im leeren Bundestag über das neue BKA-Gesetz hat eine lange Tradition
Berlin: Heute betrat der Abgeordnete Frank Hoffmann (SPD), ehemaliger Kriminaloberrat beim BKA und Mitglied im Innenausschuss, anlässlich der Debatte über das BKA-Gesetz das Rednerpult und meinte, man solle endlich einmal darüber reden ob die „Entwicklung von Sicherheitsorganen nicht mit der Entwicklung von Kriminalität“ zusammen hänge.
In der Tat. Das sollte man.
GRUNDBEGRIFFE
Zuerst ein paar Grundbegriffe: Der Begriff „Terror“ heisst zuerst einmal auf lateinisch „Schrecken“.
Wie viele andere Dinge geht es also auch hier um eine „römische“ Tradition.
Wer weiss, dass der Imperator Nero Rom anzündete „um es zu retten“, danach den Christen die Schuld gab und sie zur allgemeinen Belustigung den Löwen vorwarf, der kennt diese Tradition.
Der Begriff „Terrorismus“ kam in den 60er Jahren auf. Als militärischen Fachbegriff nennt man den sogenannten Terrorismus „asymmetrische Kriegführung“. Auch deutsche Militäreinheiten wie das KSK werden darin ausgebildet, wie Einheiten aller anderen kriegführenden „Streitkräfte“ der Erde. Oft wird diesbezüglich von sogenannten „Schwarzen Operationen“ („black ops“) oder von einer „Guerilla“ gesprochen.
Tatsächlich reden wir hier über einen ganz normalen Krieg. Aber einen versteckten, einen Schattenkrieg, der sowohl im Innern wie im Äusseren geführt wird.
Für einen bestimmten Zweck.
DIE GUERILLA DER NATO NAMENS „GLADIO“
Unter dem „Gladio“-Netzwerk versteht man heute die Geheimarmeen der NATO welche während des Kalten Krieges zwischen Ost- und Westblock mit verdeckter Kriegführung durch sogenannte „terroristische Aktionen“ im Falle einer Invasion durch Truppen des Ostblocks im Hinterland als Guerilla-Truppen agieren sollten.
Die Existenz dieser „Terrorgruppen“, also verdeckter (para)militärischer Einheiten, wurde nach dem Ende des kalten Krieges 1990 öffentlich. Am 22. November drückte das Europäische Parlament seinen „entschiedenen Protest“ gegenüber der NATO und den beteiligten Geheimdiensten aus, „unter Hinweis ferner darauf, daß militärische Geheimdienste (oder von den Diensten nicht kontrollierte Geheimdienstzweige) in bestimmten Mitgliedsländern mit schwerwiegenden Terrorakten und Verbrechen in Verbindung gebracht werden, wie in mehreren gerichtlichen Ermittlungen erwiesen werden konnte“.
Bewiesen wurde die Verwicklung dieser „stay behind“-Schattenarmee in blutige Anschläge in westeuropäischen Ländern, welche das Ziel hatten über eine „Strategie der Spannung“ linke, progressive Parteien und Bewegungen zu diskreditieren und am parlamentarischen Erfolg zu hindern. Dabei wurde oft auf die Kooperation mit rechtsextremistischen und mafiösen Gruppen zurückgegriffen.
Laut dem ehemaligen Agenten des Bundesnachrichtendienstes, Norbert Juretzko, betrieb der BND den deutschen Teil der „stay behind-Organisation“. Wegen seiner diesbezüglichen Buchveröffentlichungen wurde er mehrfach vom BND verklagt.
DAS OKTOBERFEST-ATTENTAT 1980 IN MÜNCHEN
Am 26. September 1980 explodiert eine Woche vor der Bundestagswahl auf dem Münchner Oktoberfest ein Sprengsatz. Er tötet 13 Menschen und hinterlässt 211 Verletzte.
Von Anfang an gibt es Berichte über eine Verschwörung.
Noch in der Nacht versucht der damalige CSU-Kanzlerkandidat Franz-Josef Strauss aus dem blutigen Attentat Kapital zu schlagen und bezeichnet die „Rote Armee Fraktion“ als Urheber des Anschlags. Er greift den damaligen Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) an. Dieser habe schwere Schuld auf sich geladen, verharmlose den Terrorismus, demoralisiere die Sicherheitskräfte.
Dann stellt sich heraus: der Rechtsextremist Gundolf Köhler hat – angeblich als Einzeltäter – das Attentat verübt und vorher mehrfach an paramilitärischen Übungen der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ teilgenommen. Noch vor dem Attentat hatte der bayrische Innenminister Gerold Tandler (CSU) zusammen mit Strauss später verbotene Neonazi-Truppe als „Spinner“ verharmlost.
Von einem Mann, der im Moment der Explosion geflüchtet sei, ist die Rede. Eine Zeugin hört ein Gespräch nach dem Anschlag in Tatortnähe mit, eine Person ruft “Ich wollt’s nicht, ich kann nichts dafür, bringt’s mich um”. Ein Hinweis, dass möglicherweise Täter durch Hintermänner hereingelegt wurden.
Der Journalist Ulrich Chaussy wies in einem Artikel der „Süddeutschen“ am 23.September 2005 daraufhin, dass Zeugen sagten, es habe im Freundeskreis Köhlers Gespräche gegeben, die Bundestagswahl mit CSU-Kanzlerkandidat Strauss durch ein Attentat zu beeinflussen.
Die Wehrsportgruppe Hoffmann war zum Zeitpunkt des Attentats von einem V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz unterwandert, Peter Weinmann. Weinmann arbeitete teilweise gleichzeitig für mehrere Geheimdienste, u.a. für die Staatssicherheit der DDR (Stasi) und für den italienischen Militärgeheimdienst SISMI.
Agenten der SISMI waren, nur einige Wochen vor dem Oktoberfest-Attentat in München, in den Bombenanschlag im Bahnhof von Bologna am 2.August 1980 verstrickt, der 85 Menschen das Leben kostete.
WOCHEN ZUVOR: DAS BOLOGNA MASSAKER
Bereits einen Tag nach dem Massaker geriet die neofaschistische Gruppe NAR („Nuclei Armati Rivoluzionari“) in Verdacht , welche von 1977 bis 1981 insgesamt 33 Morde in Italien verübte. Gegen die Gruppe wurde aber erst ermittelt als man im Keller des Gesundheitsministeriums ein Waffenlager der NAR entdeckte. Erst 1985 wurden dann 53 Mitglieder der Gruppe wegen „terroristischer Aktivitäten“ verurteilt.
Die NAR hatte engste Kontakte zum italienischen Militärgeheimdienst SISMI und war der militärische Teil der antiparlamentarischen Nationalisten „Terza Posizione“ („Dritte Position“). Diese wiederum bildete ein enges Geflecht mit der „Banda della Magliana“, der bis in die 90er Jahre mächtigen Mafia von Rom.
Sowohl die rechtsradikale Guerilla NAR, als auch ihre nationalistische Mutterorganisation „Terza Posizione“, die Mafia und der italienische Militärgeheimdienst SISMI waren in die Durchführung des Attentats von Bologna verstrickt.
Die Fäden im Hintergrund zog aber die Freimaurer-Sekte „P2“. Ihr gehörte der Vize-Chef der SISMI General Pietro Musumeci an. Er konstruierte falsche Beweise gegen zwei Führungsmitglieder der „Terza Posizione“, Roberto Fiore and Gabriele Andinolfi, die nach London flohen um einer Verhaftung in Italien zu entgehen.
1985 wurde Militärgeneral und P2-Mitglied Musumeci zusammen mit zwei anderen SISMI-Militäragenten, Francesco Pazienza und Giuseppe Belmonte, wegen Behinderung der Untersuchung des Bologna-Massakers, Fälschung von Beweisen und Bildung einer „kriminellen“ Vereinigung verurteilt, Pazienza und Belmonte auch wegen Besitz und Transportes von Sprengstoffen.
Die nach London geflohenen Mitglieder der nationalistischen „Terza Posizione“ behaupteten beide vehement unschuldig zu sein und dass SISMI-General Musumeci durch seine Beweisfälschungen und Täuschungsmanöver nur von seinem „Verehrten Meister“ ablenken wollte:
Finanzmogul Licio Gelli, Kopf der Freimaurer-Loge „P2“.
Gelli war in den 30er Jahren Freiwilliger Mussolinis zur Unterstützung der Faschisten Francos während des Bürgerkriegs in Spanien. Nach dem 2.Weltkrieg arbeitete er für britische und us-amerikanische Geheimdienste. Er gilt heute als Kopf der verdeckten „Gladio“-Truppen und Attentate in Italien.
1992 wurde er endlich wegen des Attentats in Bologna vor Gericht gestellt. 16 Mitglieder der „P2“-Loge wurden angeklagt wegen Verschwörung gegen den Staat, Spionage und Verrat von Staatsgeheimnissen.
Letztlich wurde Gelli aber nur zu Hausarrest verurteilt, die Anklagen wegen Verschwörung wurden fallengelassen, gegen sämtliche P2-Mitglieder.
Gelli wurde dann noch wegen diverser Morde, Bankenskandale und Mafia-Verbrechen verurteilt, die Liste ist endlos.
In Verbindung gebracht wurde der „Verehrte Meister“ der Freimaurer Italiens auch zum Mord an Aldo Moro, dem damaligen Vorsitzenden der Christdemokraten im Parlament.
Moro hatte vehement den berühmten „historischen Kompromiss“ („compromesso storico“) zwischen parlamentarischen Christdemokraten und Kommunisten in Italien vertreten. Aldo Moro wurde 1977 durch die Guerilla der „Roten Brigaden“ entführt und später ermordet aufgefunden – exakt zwischen den Gebäuden der Christdemokratischen und Kommmunistischen Partei in Rom.
Daraufhin trat der damalige italienische Innenminister, Christdemokrat Francesco Cossiga, zurück und übernahm die Verantwortung dafür es nicht geschafft zu haben Moros Leben zu retten. Seine Haltung rief so grossen Respekt in der italienischen Linken hervor, dass er 1985 als erster Präsident Italiens überhaupt bereits im ersten Wahlgang gewählt wurde.
Zum Zeitpunkt des Attentats in Bologna am 2.August 1980 ist Cossiga Premierminister.
Im Senat sagt er zum Anschlag, dass „im Gegensatz zu linken Terrorismus, der das Herz des Staates über seine Repräsentanten trifft, schwarzer Terrorismus das Massaker bevorzugt, weil es Panik erzeugt und impulsive Reaktionen„.
Über 27 Jahre sagt er in einem Interview mit der angesehensten Zeitung Italiens, „Corriere della Sera“, folgendes:
„Aus Kreisen nahe dem Palazzo Chigi (Sitz der italienischen Regierung), einem wichtigen Zentrum der italienischen Geheimdienste, heisst es, die nicht-Authentizität des Videos würde von der Tatsache bestätigt, dass Bin Laden in diesem Video gestand, dass Al Kaida angeblich die Anschläge vom 11.September auf die zwei Türme in New York durchgeführt hat, während alle demokratischen Kreise in Amerika und Europa, vor allem die italienischen Mitte-Links-Kreise, doch wissen, dass die desaströsen Anschläge von der CIA und dem Mossad mit der Hilfe der Zionisten geplant und durchgeführt worden sind, um die arabischen Länder anzuklagen und um die westlichen Mächte dazu zu bewegen, sich an Kriegen im Irak und Afghanistan zu beteiligen.“
Reisen wir zurück in das Jahr 1980. Es ist der 28.September.
Zwei Tage nach der Explosion auf dem Münchner Oktoberfest verkündet der bayrische Innenminister Tandler: „Köhler war ein Einzeltäter“.
DAS MERKWÜRDIGE STERBEN DER ZEUGEN NACH DEM OKTOBERFEST-ATTENTAT
Der Rechtsextremist Gundolf Köhler, der als angeblicher Einzeltäter das Attentat verübt und vorher mehrfach an paramilitärischen Übungen der faschistischen „Wehrsportgruppe Hoffmann“ teilgenommen hat, stirbt selbst bei der Aktion, wird aber bis heute nicht der erste deutsche „suicide bomber“ der Geschichte genannt wird. Warum nicht?
Zuerst einmal wird seine Leiche nur mittels seines Reisepasses identifiziert, was an sich schon merkwürdig genug ist. Dann sterben auch noch zwei Zeugen in polizeilicher Obhut, die angekündigt hatten umfangreiche Aussagen über Hintermänner des Attentats zu machen.
Mehrere Zeugen berichten übereinstimmend, dass sie Köhler unmittelbar vor der Tat mit zwei Personen in grünen Parkas sprechen gesehen haben und sich kurz vor der Explosion ein weiterer Mann gemeinsam mit Köhler über eine Plastiktüte gebeugt habe. Ihre Aussagen werden von der deutschen Bundesanwaltschaft ignoriert.
Bereits einen Tag nach dem Oktoberfestattentat sagen zwei Mitglieder der rechtsextremen terroristischen Vereinigung „Deutsche Aktionsgruppen“ (welche enge Verbindungen zur Wehrsportgruppe Hoffmann hat), Raymund Hörnle und Sibylle Vorderbrügge, aus, dass der Rechtsextremist Heinz Lembke ihnen Waffen, Sprengstoff und Munition angeboten und von umfangreichen Waffendepots erzählt habe. Die Behörde des Generalbundesanwaltes ignoriert diesen Hinweis.
Ein Jahr später entdecken Waldarbeiter dann durch Zufall ein Waffendepot von Neonazi Lembke. In Untersuchungshaft macht daraufhin Lembke zuerst umfangreiche Aussagen über weitere Waffendepots. Insgesamt hat er in 33 Depots automatische Waffen, 14.000 Schuss Munition, 50 Panzerfäuste, 156 kg Sprengstoff und 258 Handgranaten aus militärischen Beständen, gebunkert, an die er ja irgendwie gekommen sein muss.
Als er ankündigt über seine Hintermänner auszupacken, wird er am 1. November 1981 erhängt in seiner Zelle gefunden.
Die deutschen Sicherheitsbehörden behaupten anschliessend, Lembke sei ein Einzelgänger gewesen, der die Waffendepots allein „aus Furcht vor einer sowjetischen Invasion“ angelegt habe.
Erst sehr viel später, im Jahre 1995, veröffentlichte der bekannte „Gladio“-Forscher Dr.Daniele Ganser umfangreiche Recherchen denen zufolge Lembke mutmasslich Mitglied der verdeckten NATO-Guerilla „Gladio“ war.
Ein weiterer Zeuge, Frank Lauterjung, verstirbt im Zuge von „Ermittlungen“ des bayrischen Landeskriminalamtes LKA im zarten Alter von 36 an Herzversagen. Er hatte bei seiner Vernehmung ausgesagt, der angebliche Einzeltäter Gundolf Köhler habe kurz vor der Explosion gegenüber dem Haupteingang auf der Brausebadinsel mit zwei Männern diskutiert.
Lauterjung – anfangs von den Ermittlern als „sehr glaubwürdig“ eingestuft – schildert im Laufe der Verhöre detailliert, wie Köhler mit einem Koffer in der einen und einer Tüte in der anderen Hand auf den Papierkorb zugegangen war, den Koffer abstellte, zu dem Papierkorb trat und die Bombe hineinlegte. Er konnte sogar die Abmessungen der Bombe beschreiben, bevor sie rekonstruiert wurde.
Nach dieser Aussage, die im Abschlussbericht der Bundesanwaltschaft nie erwähnt wurde, bricht plötzlich der spätere Hauptzeuge sein Schweigen und widerspricht plötzlich vehement diesen Angaben. Daraufhin versucht nun das bayrische Landeskriminalamt mehrfach Lauterjung dazu zu bringen seine Aussagen zurückzunehmen.
Der Journalist Chaussy dazu im Artikel der „Süddeutschen“:
Vier Wochen lang sucht man dann nach den besagten Männern, fordert sie auf, sich zu melden. Dann aber bricht der spätere Hauptzeuge aus Donaueschingen sein Schweigen und tischt seine völlig unglaubwürdige Version vom isolierten Einzeltäter auf.
SZ: Das ist der Wendepunkt in den Ermittlungen?
Chaussy: Ja. Von diesem Zeitpunkt an wird der Zeuge Lauterjung demontiert. Man schneidert sich die Ergebnisse zurecht und beseitigt störende Einflüsse. Die gesuchten Männer meldeten sich nicht – wahrscheinlich aus gutem Grund.
Die Behörden stellen Lauterjung dann zu einer letzten, gespenstischen Vernehmung ein. Man fragt ihn suggestiv, ob es nicht sein könnte, dass Köhler diese Leute, mit denen er hektisch geredet hat, gar nicht gekannt haben könnte. Und Lauterjung sagt, ja, vielleicht auch so.
SZ: Was war mit dem am Tatort gesehenen und später verschwundenen Koffer?
Chaussy: Es gibt ernst zu nehmende Hinweise, dass es diesen Koffer gegeben hat, auch der Generalbundesanwalt führt ihn in seinem Ermittlungsbericht an. Man bringt aber in der letzten Vernehmung Lauterjungs den Werkzeugkoffer aus Köhlers Auto und fragt, ob das nicht der Koffer gewesen sei.
Bald darauf stirbt Lauterjung. Mit 36 Jahren, an Herzversagen. Als geprüft wird, ob sein Tod in einem Zusammenhang mit dem Attentat stehen könnte, machen das dieselben Leute, die ihn zuvor vernommen haben.
SZ: Ist gezielt Einfluss genommen worden?
Chaussy: Ja. Ich weiß nicht, wann die Beamten der Sonderkommission begriffen haben, dass ihnen in ihre Arbeit reingepfuscht worden ist. Man hätte einfach sagen müssen: Wir fangen wieder von vorne an. Aber gegen Einflüsse von oben können sich wohl nur aufmüpfige Tatort-Kommissare zur Wehr setzen.
Er berichtete in dem Interview u.a. von einer ihm 2003 zugegangenen E-Mail von einer zur Tatzeit 14 Jahre alten Zeugin. Sie schilderte ihm, wie sie kurz vor der Detonation von einem Mann von der Sprengstelle weggezerrt worden sei, welcher ihr zu verstehen gab, dass hier gleich etwas passieren werde.
Als sie damit zur Polizei geht, so die Zeugin gegenüber Chaussy, gibt man ihr zu Verstehen dass der Mann sie offenbar sexuell belästigen wollte. Es sei nie nach diesem Mann gesucht worden, so die Zeugin.SZ: Sie sagen, der Generalbundesanwalt hätte Sie einmal aufgefordert, ihm die Täter zu bringen.
Chaussy: Ja. Diese Bringschuld, die mir da auferlegt wird, verstimmt mich zutiefst. Ich soll die Täter bringen, jemand, der kein Staatsanwalt ist und sich dieses Amt auch nicht anzumaßen hat.
Ich kann nicht sagen, wie es war, ich will keine Hypothese in die Welt setzen, die ich genauso wenig belegen kann. Ich kann nur sagen, dass die Behörden das Herz haben sollten, zuzugeben, dass sie ein sehr unsicheres Ergebnis präsentiert haben. Und dass es ein öffentliches Interesse gibt, die Ermittlungen wieder aufzunehmen – das sind 13 Tote und mehr als 200 Verletzte.
Bis heute weigern sich die deutschen Exekutiv- und Justizbehörden die Ermittlungen zum Bombenanschlag auf des Oktoberfest eine Woche vor der Bundestagswahl 1980 wieder aufzunehmen.
HEIMLICHE WOHNUNGSEINBRÜCHE, VIDEO-ÜBERWACHUNG IN DER EIGENEN WOHNUNG, ÜBERWACUNGSDROHNEN, BIOMETRISCHE GESICHTSERKENNUNG
Am 19.April des Jahres 2008 nun erklärt das Schäuble-Ministerium, dass es ein „flächendeckendes“ Ausspionieren des Bürgers in diesem Land nicht gäbe.
Im gleichen Atemzug listet die Sprecherin des deutschen Innenministeriums von Wolfgang Schäuble, welcher seit 1972 im deutschen Bundestag sitzt und von 1984 bis 1989 „Bundesminister für besondere Aufgaben“ und Chef des Bundeskanzleramtes unter Helmut Kohl war, diejenigen Bundesländer auf, in welchen durch einfache Polizeigesetze legitimiert bereits heimliche Wohnungseinbrüche getätigt, über versteckte Kameras Bürger 24 Stunden rund um die Uhr videoüberwacht sowie durch Wanzen abgehört werden:
– Rheinland- Pfalz. Regierung: SPD („Ob in dieser Republik schon mal übler mit jemandem umgegangen wurde, müssen Sie entscheiden“)
– Sachsen-Anhalt. Regierung: CDU
– Schleswig-Holstein. Regierung: CDU-SPD
– Nordrhein-Westfalen. Regierung: CDU-FDP
– Niedersachsen. Regierung: CDU-FDP
– Hessen. Kein Kommentar
– Hamburg. Regierung: CDU-BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Brandenburg. Regierung: SPD-CDU
– Bayern. Regierung: CSU
Bereits jetzt sind Überwachungsdrohnen in der Hand von Journalisten, Konzerngeheimdiensten, „Privatpersonen“ und staatlichen Überwachern im Einsatz. Sie werden auch in Gebieten der äusseren Kriegführung eingesetzt.
Ihren Verkauf, ihren Einsatz und den Gebrauch des aus der Luft willkürlich geschossenen Bildmaterials kontrolliert niemand, jedenfalls kein parlamentarisches oder juristisches Organ.
„Es gibt genügend Bundesländer, die unsere Drohnen bereits nutzen“, so dazu die Geschäftsführerin der Firma AirRobot, die bereits an des hessische LKA liefert. Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert dazu:
„“Im Gegensatz zu fest installierten Überwachungskameras können Drohnen gezielt eingesetzt werden.Dabei sind sie so leise, dass sie nicht gehört werden..Es handelt sich hier also um eine heimliche Videoüberwachung.“
Selbst die Polizei dürfe die Quadrokopter deshalb nur einsetzen, wenn damit eine konkrete Gefährdung der öffentlichen Sicherheit abgewehrt werde, so der Datenschutzbeauftragte.
Wer nun überprüft ob „die Polizei“ sich daran hält, wenn sie überhaupt diese Einschätzung teilt, welche von den Hunderten Polizeibehörden der Datenschutzheld überhaupt meinte und in welchem Bundesland, oder ob all diese Behörden wie jede andere Behörde auch einfach solange weitermachen mit dem was sie wollen bis sie irgendjemand dazu zwingt damit aufzuhören, dazu sagte Weichert leider nichts.
Die CDU-Regierung von Sachsen kündigte offiziell bereits im Januar an, Drohnen mit Überwachungskameras bei Fussballspielen einzusetzen.
In der Schweiz nannte Pius Valier, Kommandant der Stadtpolizei St. Gallen, nach Ausschreitungen bei einem Fussballspiel die biometrische Gesichtserkennung als ein Mittel um den Alkolholkonsum in Fussballstadien und „die Anonymität der einzelnen Personen“ anzugehen.
59 Personen waren von der Schweizer Polizei festgenommen und dann wieder freigelassen worden. „Zahlreiches Bildmaterial“ aller Zuschauer insgesamt wurde „sichergestellt“ und anschliessend „Bilder, die zur Identifikation der Vandalen führen könnten, werden auch ins Internet“.
Bereist jetzt sind ein Grossteil der 82 Millionen Deutschen der automatischen biometrischen Gesichtserkennung schutzlos ausgeliefert. Zur Einführung des biometrischen Reisepasses Oktober 2005 in Deutschland sagte der Bundesdatenschützer Peter Schaar auf die Frage, was die digitale Speicherung des Gesichtsbildes bringe:
„Außer hohen Kosten wohl nicht sehr viel. Zunächst werden die Deutschen und dann alle Europäer zwar mit biometrischen Merkmalen im Pass ausgestattet, im Moment gibt es jedoch keine Lesegeräte dafür. Die werden erst allmählich installiert. Die EU und das Bundesinnenministerium haben sich nach dem 11. September sehr schnell auf biometrische Merkmale im Pass festgelegt, obwohl fast alle Terroristen von New York mit ihren echten Papieren gereist sind.“
Die Frage nach Spionage aus dem Orbit via Satellit durch „private“ Konzerne und Geheimdienste von Staaten mit Kapazitäten der Weltraumfahrt wird dabei immer noch vollständig ausgeblendet, obwohl die ersten Spionagesatelliten durch die USA bereits 1959 ins All entsandt wurden.
1968: DIE NOTSTANDSGESETZE
Über den Beschluss der „grossen“ CDU-SPD-Koalition unter dem ehemaligen Verbindungsmann des Hitler-Aussenministeriums zur Propaganda-Abteilung von Joseph Göbbels, dem Kanzler Kurt-Georg Kiesinger, am 30.Mai 1968 die Notstandsgesetze einzuführen, schrieb am 9.Juni Hans Heinz Holz in der „Jungen Welt“:
Das Notstandsrecht vor 40 Jahren – das war in der Tat ein politischer Entwicklungsschritt in der gesellschaftlichen Wirklichkeit der BRD, der heute unter dem Gesichtspunkt der »Antiterrorismus«-Strategie der Bundesregierung zu bedenken ist. Wie ein Damoklesschwert hing dieses Notstandsrecht seit 1968 über der Verfassung – und gerade daß es im Allgemeinen nicht praktiziert werden mußte, brachte einen Gewöhnungseffekt mit sich, der die Aushöhlung des Grundgesetzes in unmerklichen, kleinen Portionen erlaubte..
Ich denke an die beiden eindrucksvollen Reden des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten von Hessen, Georg August Zinn, im Bundesrat.
Die Pläne der Regierung lehnte er ab, »weil die vorgesehene Notstandsregelung nach unserer Auffassung unabänderliche Verfassungsgrundsätze verletzt, weil sie zum anderen zur Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Staatsordnung mißbraucht werden könnte«. Und später noch schärfer: »So laufen die Entwürfe darauf hinaus, die Legislativgewalt für weite und wesentliche Bereiche der Gesetzgebung von den gesetzgebenden Körperschaften auf die Exekutivgewalt zu verlagern. Das widerspricht den Grundsätzen der Gewaltenteilung und verletzt das Rechtsstaatsprinzip. Was hier angestrebt wird, sind nach Auffassung der hessischen Landesregierung Ermächtigungsgesetze, für die in einer rechtsstaatlichen Demokratie wie der Bundesrepublik kein Raum vorhanden sein sollte.“
…
Ich gebe Hawel recht: Die »Notstandsgesetze können sich nach wie vor ganz im Sinne des Zeitzündereffektes als ›Ermächtigungsgesetze‹ gleichsam als verfassungsrechtliches Gründungsdokument eines autoritären Staates erweisen«. Aber es gibt nicht – wie er meint – eine »rückläufige Tendenz« gegenüber einer BRD, die »sich politisch und kulturell liberalisierte«, sondern nur eine kontinuierliche schleichende Destruktion des Grundgesetzes von 1949.Schily und Schäuble modernisieren das Instrumentarium, das 1968 im Arsenal gespeichert wurde. Sie modernisieren es nicht nur, sie erproben auch schon in Teilen seine Anwendung. Zwar schafft das schon Unruhe in der Bevölkerung, aber noch keinen spürbaren öffentlichen Protest. Darum ist es wichtig, allen jenen, die die Demokratie erhalten wollen, in Erinnerung zu rufen, daß es vor 40 Jahren ein massenhaftes und organisiertes Nein zur autoritären Selbstermächtigung des Staates im Dienste des Kapitals gab; und daß dieses Nein nicht hätte erfolglos sein müssen, wäre es durchgehalten worden.
(…)
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Quellen, Links, Rechtschreibung, Technisches aktualisiert am 11. Dezember 2014. Der Inhalt wurde nicht verändert. Ein „Hoffman“ zu „Hoffmann“ geändert am 19.07.2017.