Was ist eigentlich normal?

Die Rede von Stefan Krüger, Unternehmer gegen S21, bei der 103. Montagsdemo gegen „Stuttgart 21“ am 12. Dezember.

Jeder von uns kennt die Frage „Bist Du eigentlich noch ganz normal?“, gerne auch in der Unterstellung „Du bist ja wohl nicht ganz NORMAL!!!“. Jeder von uns hatte sich in den letzten zwei Wochen die Frage zu stellen „was ist nun eigentlich normal???“, wie verhalten wir uns nach der Volksabstimmung?

Nach einem Ergebnis, das uns auf den ersten Blick klipp und klar dargestellt hat, dass wir mit unserer Position gegen das Großprojekt Stuttgart 21 nicht die Mehrheit vertreten, nicht einmal im Großraum Stuttgart! Ich danke meinem Unternehmerkollegen Dr. Robert Schmittmann für diese unbestechliche Fragestellung.

„Normal“ ist meist die Mehrheit, sie gibt die Normen vor, die für eine Gesellschaft gelten und eben diese Mehrheit hat sich positiv zum Immobilien-Bahn-Projekt gestellt. Ist es also jetzt „normal“, sich still und leise in sein Kämmerlein zurückzuziehen und die Klappe zu halten???

Nun gibt es auch reflexartig einen Haufen Leute, die uns da Nachhilfe geben wollen. „Normal“ sei es jetzt, ein guter Demokrat zu sein, sich für den Zirkus, den man veranstaltet hat, das viele Geld, das es alles gekostet hat, die vielen schlechten Gefühle, die man erzeugt hat, zu entschuldigen, die Niederlage einzugestehen und der „schweigenden Mehrheit“ zu gratulieren. So konnte man es den Stuttgarter Medien entnehmen, auch der SWR hat uns diese Art der „Normalität“ nahegelegt, bevor man sich wieder lustvoll den vielen Demonstrationen weltweit gewidmet hat, die so herrlich weit weg sind.

Für mich persönlich ist es „normal“, anzuerkennen, was etwas gebracht hat.

Unsere Bewegung hat einen ungeheuerlichen Filz aus Politik und Wirtschaft sichtbar gemacht. Sie hat unsere Demokratie, die schon ein gutes Stück weit eingerostet war, kräftig aufgemöbelt. Unser Land hat durch unsere Bewegung ein ungeahntes Wissen über Bahn-Infrastruktur erarbeitet. Und ich möchte sagen: wenn eines Tages die Energiewende in unserem Land gelungen ist, dann ist es unsere Bewegung, die auch dafür die richtigen Mehrheiten auf den Weg gebracht hat. Unsere Bewegung hat es geschafft, gut 1,5 Mio. 33 Menschen im Land zu überzeugen, gegen die ganzen Bürgermeister, Landräte, Parteifürsten, Manager-Könige und Medien-Mogule zur Wahlurne zu gehen und den Zweifel am Projekt zu bekunden. Das ist ungeheuerlich – das ist auch eine Verpflichtung.

Diese 1,5 Mio. Menschen und sehr viele von den gut 2 Mio., die „Nein zum Ausstieg“ gesagt haben, sind der Meinung, dass das Projekt zu teuer ist. Diese Menschen erwarten nun, dass die Kosten peinlich genau eingehalten werden.

Für mich als Unternehmer, der 13 Jahre seine Stellung am Markt behauptet hat, ist es normal, wenn man vor der Schaffung irreversibler Tatsachen glasklar und lupenrein über den Projektstand kommuniziert. Was für jeden voll haftenden Unternehmer in diesem Land wie ein Grundgesetz gilt, nämlich dass vor dem Start einer Investition alle Eventualitäten mit den Anteilseignern, Investoren und Geldgebern zu klären sind, gilt ja wohl erst Recht für Manager und Politiker, also für solche Leute, die für ihr Handeln nie persönlich haften. Dass vollständige Kostentransparenz und damit letztlich auch die gesellschaftskonforme Nachführung und Einhaltung des Projektbudgets möglich sind, macht wieder einmal unser südlicher Nachbar, die Schweiz und ihre schweizerischen Bundesbahnen mit dem Bau des Mega-Projektes „Neue Alpen-Transversale“ mit dem Gotthard-Basistunnel vor.

Was passiert, wenn man mit dem Geld der Bürger schlampig umgeht und sich niemand kümmert, sieht man wunderschön an der neuen Elbphilharmonie in Hamburg, die momentan eine Verdoppelung der Bauzeit und eine Versechsfachung der Baukosten erlebt. Für uns ist es daher normal, dass wir an den für Kosten im Land verantwortlichen Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid die Ansage machen, dass wir in Bezug auf die S21-Kosten keinen Spaß verstehen.

Herr Schmid, wir fordern Sie als verantwortlichen Projektbefürworter und stellvertretenden Ministerpräsidenten auf, die von Seiten der Bahn seither hartnäckig verweigerte Kostentransparenz herzustellen. Stellen Sie sicher, weder die Bäume abgeholzt werden noch Südflügel abgerissen wird, weil bis heute weder die glaubwürdige noch die umfangreiche Einhaltung der Projektkosten auf dem Tisch der Öffentlichkeit liegt. Machen Sie sich nicht zum Komplizen von bewährten Kostenschwindlern, lösen Sie Ihre Wahlversprechen und die Formulierungen im Koalitionsvertrag ein.

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