Libyens Staatschef Muammar al-Gaddafi möchte gern die Schweiz auflösen.
Was sind wir nicht alles schon von unseren Meisterregenten in Berlin, Paris, ergo Brüssel gewöhnt. Deren Brettspiele muss auch die Berliner Republik seit dem Ende des Kalten Krieg ständig ausbaden. Letzter Geniestreich, der seit letztem Jahr gemalt unerkannt an der Wand rumlungert: die Mittelmeerunion. Jetzt fängt man offenbar an auch den Rest vom Kuchen Europa aufzuteilen.
Libyens All-Time-Favorite seit 40 Jahren, Muammar al-Gaddafi (genaue Bezeichnung: „Brüderlicher Führer und Leiter der Revolution“) hat da eine seiner Meinung nach gute Idee: die Schweiz solle aufgelöst und unter ihren Nachbarn verteilt werden. Die UNO solle das mal in Angriff nehmen.
Gut, im Berliner Regierungsviertel mochte man da vielleicht schon Kalkulationen anstellen. Schliesslich hatte man letztes Jahr (gemeinsam mit dem Elysée-Palast und seinem stets historisch-episch gestikulierenden Hausherrn) unbedingt auch noch die Mittelmeerunion samt Gaddafi (und anderer Witzbolde) verzapfen müssen. Und in die EU will man die Schweiz ja sowieso quatschen.
In der Eidgenossenschaft wiederum war man nun nicht so begeistert, wie man nach dem Gebaren des Bundesrates in den letzten Jahren eigentlich hätte vermuten können. Schmiss man sich bisher Kanzlerin Merkel, Präsident Sarkozy oder Cäsar Obama immer glatt vor die Füsse und brachte gleich noch alle erdenklichen Tributgeschenke mit, ruckte und zuckte es heute doch ein wenig in den Gesichtern der Eidgenossenschaft.
„Die Schweiz kassiert von Libyen Ohrfeigen – und das Motto heisst: auch noch die andere Backe hinhalten! Bald werden wir auch noch in der Uno durch den Dreck gezogen.“
Hintergrund für den rot angelaufen „Blick“ (1), wo gleich präventiv neue Landkarten gemalt wurden, sind zwei in Libyen festgehaltene Schweizer Geschäftsleute. Die behält Gaddafi erstmal und gibt stattdessen fleissig Ideen raus.
Vorher spann sich eine herrliche Posse um Herrn Gaddafi Junior, der bei einem Hotelbesuch in Genf letztes Jahr gerne einen saufen wollte ohne das Frau Gaddafi Junior etwas davon spitzkriegte, was Frau Gaddafi Junior dann aber doch tat und dann beide zur Strafe den Kellner verprügelten der die Pulle an den Start gebracht hatte. Zwei Tage dauerte es, bis die Gaddafis wieder aus dem Knast kamen und ungefähr ebenso lange bis Libyen sehr viel weniger Öl in die Schweiz lieferte.(2)
Gaddafis Knaller mit der Erweiterung Bayerns (Gott, was bedeutete das für die CSU?) ist in der Tat schon einige Tage alt. Sogar beim G8-Gipfel soll er ihn schon auf den Teppich des Hauses gelegt haben. Gestern erklärte nun die FDP-Nationalrätin Christa Markwalder gestern gegenüber der Sendung „10 vor 10“ des Schweizer Fernsehens, dass Gaddafis Libyen bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen für die nächste Sitzung Ende September einen offiziellen Antrag mit diesem Inhalt eingereicht habe.
Erstens ist das interessant was man da bei der UNO alles für Anträge einreichen kann und zweitens sah man sich nun in der Schweizer Presse genötigt wild um sich zu telefonieren. Bald hiess in New York wegen der vielen Anrufe „What the..“, man suchte und suchte bei der UNO, aber niemand konnte dort irgendeinen Antrag aus Libyen finden. Dabei hatten ausser Markwalder noch zwei weitere Mitglieder der „Aussenpolitischen Kommission“ von einem solchen gesprochen. (3)
Fazit: auch der Schweizer an sich ist nicht mehr sicher vor Begehrlichkeiten. Sogar vor der eigenen Regierung nicht. Man ahnt es schon, irgendwann ist es auch in Bern und Genf soweit – geht man einmal einkaufen, schon ist der Staat weg, weil irgendwer nur kurz drauf aufpassen sollte und dann verduftet ist.
(…)
Artikel zu längst verdrängten Themen:
15.04.2008 30 Jahre Libyen-Affäre: Was ist mit Pakistan, China, Afghanistan?
09.04.2008 Libyen-Affäre: PKG-Mehrheit deckt Hanning und Brandis
08.04.2008 Grosse Koalition wusste von Gaddafi-Deal
21.03.2008 Zusammenhänge zwischen Irak-Krieg und Mittelmeerunion
04.03.2008 Von der Mittelmeerunion zur Abendlandunion
05.12.2007 “Mittelmeer-Union”: Konzern-Wüste EU vor dem Verfall
Quellen:
(1) http://www.blick.ch/news/schweiz/gaddafis-uno-scherge-wetzt-schon-die-messer-127662
(2) http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~EB6F7C5B9CD8E41F398C7FE6E4CA0217B~ATpl~Ecommon~Scontent.html
(3) http://bazonline.ch/schweiz/standard/Niemand-weiss-von-Qadhafis-Antrag/story/11043006