DER VERFALL DER “EUROPÄISCHEN UNION” (I) : Aufprall am Grundgesetz und radikaler Strategiewechsel
DER VERFALL DER “EUROPÄISCHEN UNION” (II) : Gänsemarsch der Tontauben
DER VERFALL DER “EUROPÄISCHEN UNION” (III) : Schicksalstag 9.November – Chronologie einer Zeitenwende
DER VERFALL DER “EUROPÄISCHEN UNION” (IV) : Sollen sie doch Geld drucken
Nach dem am 9. Dezember 2011 gescheiterten Gipfel des „Europäischen Rates“, der ohne jeden Beschluss zu Ende ging, starteten die Illusionisten des Euro-Kapitalismus auf ihrem Teil der Weltbühne einen der zugleich verzweifelsten, wie dreistesten Zaubertricks der modernen Geschichte: die Erfindung der „Zwei Europas“.
Weil eine weitere Verschärfung des EU-Vertrags und die fortschreitende Entdemokratisierung, Entsouveränisierung, sowie letztlich Entstaatlichung aller 27 Mitgliedsstaaten auf legalem Wege als unmöglich erkannt worden war, wurde nun das bereits im Sommer 2011 vorbereitete und öffentlich angekündigte Konzept eines „Kern-Europas“ aus der Tasche geholt. Ein parallel zum EU-Vertrag geschaffener Euro-Vertrag sollte aus 17 Demokratien im Währungsbereich des Euro-Finanzsystems einen eigenen Finanzstaat, einen Euro-Staat zusammenschmelzen.
Ein epischer, rechtsunwirksamer Bluff, der unter der Tarnkappe von „zwei Europas“ nichts anderes bewirken sollte, als die schnellstmögliche Installation des „Europäischen Stabilitätsmechanismus“ und weitere, eigens auf den ESM und das Währungs- und Finanzsystem „Euro“ zugeschnittene Verfassungsänderungen der souveränen europäischen Demokratien zu erpressen.
DER EU-GIPFEL DES 9. DEZEMBERS 2011: EIN VERFALL
Entgegen den Darstellungen der Informationsindustrie, sowie der 27 Regierungsleiter im „Europäischen Rat“ selbst, wurden am 9. Dezember keinerlei Beschlüsse gefällt. Der oberste Regierungsrat gab lediglich „Schlussfolgerungen“ (1) für zukünftige Gipfel bekannt und verschob selbst die Frage einer Erweiterung des Staatenblocks um Serbien und Montenegro auf den Ratsgipfel im März 2012.
Statt eines Ratsbeschlusses aller 27 Staats- und Regierungschefs geschah nun folgendes: Die Regierungsleiter der 17 Staaten im Währungsgebiet „Euro“ gaben eine eigene, rechtsunwirksame Erklärung über kommende Vorhaben ab. In dieser Erklärung erklärte man nun allerlei Vorhaben
– das Vorziehen der Schaffung einer (völkerrechtlich völlig eigenständigen und an keinerlei staatliches oder EU-Recht gebundenen) Finanzinstitution namens „Europäischer Stabilitätsmechanismus“ ESM auf Juni 2012, als ausführendes Organ eines weder demokratisch, noch rechtlich, noch generell staatlich beeinflussbaren Finanzregimes über die (ehemaligen) Bürger der (ehemaligen) Staaten im Einflussgebiet.
– die Schaffung eines neuen „fiskalpolitischen Pakts“, dessen Vorgaben die 17 Demokratien im Währungsgebiet sich „auf Verfassungsebene oder vergleichbarer Ebene“ einzutätowieren hätten. Hierzu hieß in der Erklärung der 17 Regierungsleiter der „Euro-Zone“ unter Punkt 5:
„Die Vorschriften für das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (Artikel 126 AEUV)
werden für die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets verschärft“
Eine rechtswirksame „Verschärfung“, also Änderung des EU-Vertrags kann nur durch eine Unterschrift der Parlamente aller 27 Länder erfolgen. Wie bekannt, verweigerte aber am 9. Dezember die Regierung der britischen Monarchie (im eigenen Land unter enormem Druck stehend), die Kontrolle über die eigenen Staatsfinanzen aus den Händen zu geben und sich der geforderten Überwachung und Bewertung der Übersichten über die gesamtstaatliche Haushaltsplanung“ durch die EU-Kommissare in Brüssel zu unterwerfen. Auch die vermeintliche Zusage der anderen neun EU-Mitgliedsländer mit eigenem Währungs- und Finanzsystem, sich diesem „neuen Europa“, „Kerneuropa“ oder was auch immer anzuschließen, existierte nicht. In der Erklärung der 17 Regierungen heisst es denn auch:
„Die Staats- und Regierungschefs Bulgariens, der Tschechischen Republik, Dänemarks, Ungarns, Lettlands, Litauens, Polens, Rumäniens und Schwedens haben erklärt, dass sie sich – erforderlichenfalls nach Konsultierung ihrer Parlamente – möglicherweise an diesem Verfahren beteiligen werden.“
Was allen Beteiligten und nichtbreiten Beobachtern des Geschehens von Anfang an klar gewesen war, trat nun offen zu Tage: eine weitere Verschärfung des ohnehin schon im demokratischen Grenzbereich operierenden EU-Vertrags war politsch nicht durchsetzbar.
Was nun folgte, war ein Akt des politischen Surrealismus, der selbst Franz Kafka noch hätte bleich werden lassen.
Die (finanz)politischen, medialen und gesellschaftlichen Kräfte der sogenannten „Pro-Europäer“ gaben, wie bereits im Sommer angekündigt (siehe Teil I dieser Artikelreihe), nicht nur die vorher 20 Jahre lang viel Tamtam beschworene „Europäische Union“ auf: sie ignorierten nun – nach den eigenen Demokratien, die sie für ihre antidemkokratische Agenda stets nur als Wirtskörper betrachtet hatten – auch noch das Völkerrecht und jede existierende juristische Substanz.
Ein äußerst riskantes Vorgehen.
EURO-VERTRAG OHNE EU-VERTRAG: „POLITISCHE ABSICHTSERKLÄRUNG“ OHNE „RECHTSVERBINDLICHEN CHARAKTER“
Selbst dem Flaggschiff der „pro-europäischen“ Neokonservativen und Antidemokraten in Deutschland schwante nun, was da blühte. Bereits am 8.Dezember 2011 schrieb der „Spiegel“ (3), daß alle relevanten Juristen im Brüsseler Apparat einen neuen, separaten Vertrag, der den Regeln des zuletzt durch den Lissabon-Vertrag veränderten „Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ zuwiderhandele, als Verstoß gegen EU-Recht einstuften.
„Da die Währungsunion ausführlich im EU-Vertrag geregelt sei, könne eine Reform nur innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens umgesetzt werden, heißt es in Brüsseler Kreisen. Zu diesem Urteil kommen demnach übereinstimmend die juristischen Dienste von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und des Ratssekretariats, also der Vertretung der Mitgliedsländer in Brüssel. Ein Vertrag, der nur von den 17 Euro-Regierungen abgeschlossen wird, sei daher nicht zulässig, sagen die Beamten.
Einzelne Staaten, so zitierte der „Spiegel“ die EU-Juristen, könnten lediglich eine „politische Absichtserklärung“ ohne „rechtsverbindlichen Charakter“ unterschreiben, die zudem durch eine neue Regierung in einem einzelnen EU-Mitgliedsland sofort wieder einkassiert werden könne.
Mit diesem Wissen und den Aussagen der eigenen Juristen in der Tasche leistete sich nun am 9. Dezember Dorfzauberer Herman Van Rompuy einen seiner europaweit berühmten, gnadenlos peinlichen Auftritte.
DER GROßE BLUFF DER „ZWEI EUROPAS“
Am 9. Dezember 2011 setzte sich der „Präsident des Europäischen Rates“, Herman Van Rompuy, vor die Presse und verkündete zunächst, man habe im „Europäischen Rat“ dieses. Dann verkündete EU-Ratspräsident Van Rompuy, man habe außerdem jenes. Und dann verkündete Herman „Oz“ Van Rompuy folgendes (4):
„So weit also, was die kurzfristigen Sofortmaßnahmen angeht. Es ist jedoch auch wesentlich,
eine mittelfristige und längerfristige Perspektive aufzuzeigen. Wir haben uns daher
auf einen neuen fiskalpolitischen Pakt geeinigt. Das bedeutet, dass wir uns alle zur Einhaltung neuer solider europäischer fiskalpolitischer Vorschriften verpflichten. Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten dies in ihre Verfassung oder gleichwertige Gesetze aufnehmen. Das bedeutet auch, dass wir unsere Vorschriften für die Verfahren bei einem übermäßigen Defizit verstärken, die nunmehr automatischer werden. Und es bedeutet ferner, dass die Mitgliedstaaten der Kommission ihre Haushaltsplanentwürfe vorlegen müssen.“
Nichts von alledem entsprach der Realität. Van Rompuys Auftritt (dessen gewollt herrischer Ton in der Übersetzung gegenüber der englischsprachigen Originalfassung (5) noch abgeschwächt worden war) spielte seine Rolle des wild umher fuchtelnden und drohenden Finanzimperators without a power denn auch den Umständen entsprechend mies. Wohl nur Künstler konnten dies erkennen. Der Rest, explizit in der wie stets breiten Öffentlichkeit Deutschlands, weigerte sich wie üblich zu lesen, geschweige denn zu denken.
Dieser Bluff der „zwei Europas“ (6), denen Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy am 12.Dezember 2011 in einem denkwürdigen „Le Monde“-Interview am Horizont noch hinterher winkte, hängt dem antideutschen Ideal („hässlich und gemein“) in Berliner Kanzleramt und Finanzministerium seit dem 9. Dezember wie ein Damokles-Schwert über dem Haupte.
Zeit, wieder einmal die Fäden zu ziehen.
DER VERFALL DER “EUROPÄISCHEN UNION” (VI): Der “Fiskalpakt” fliegt auf
Quellen:
(1) http://www.consilium.europa.eu/press/press-releases/latest-press-releases/newsroomloaddocument?id=&lang=de&directory=de/ec/&fileName=126733.pdf
(2) http://www.consilium.europa.eu/press/press-releases/latest-press-releases/newsroomloaddocument?id=&lang=de&directory=de/ec/&fileName=126678.pdf
(3) http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,802582,00.html
(4) http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/11/st00/st00155.de11.pdf
(5) http://register.consilium.europa.eu/pdf/en/11/st00/st00155.en11.pdf
(6) http://www.radio-utopie.de/2011/12/12/sehen-auch-sie-manchmal-klar-zwei-europas/