Mein Rat an den Stuttgarter Ratschlag: Kurs halten, Aktionskonsens halten, zur OB-Wahl antreten

Geschätzte Stuttgarterinnen und Stuttgarter.

Eure in der Republik einmalige Bürgerbewegung gegen das urbane und verkehrsindustrielle Programm „Stuttgart 21“ (S21), welches wie die Hochgeschwindigkeitsstrecke von Turin nach Lyon durch das Susa-Tal Teil der Jahrzehnte alten EU-Agenda TEN („Transeuropäische Netze“, „Transeuropean Networks“) ist, steht vor einem Großen Ratschlag. Überwacht von Geheimdiensten und Polizei, verraten und verkauft von den etablierten Parteien, im Widerstand gegen ein sinnfreies, verfassungswidrig über Mischfinanzierung aus Mitteln von Bund und Land subventioniertes kommerzielles Industrie- und Immobilien-Programm der vom Allgemeingut zum Staatskonzern mutierten Deutschen Bahn AG, seid Ihr nach Jahren der selbstorganisierten und mühsam allein gegen alle aufgebauten Bürgerbewegung fest verankert in der Bevölkerung, die Euch auch nach den von Kapital und Staat im Stadtgebiet zelebrierten Zerstörungsorgien und Demütigungsversuchen viel Sympathie, viel Respekt und signifikante Unterstützung gibt, nicht nur in Stuttgart selbst, sondern in der ganzen Republik.

Nun werdet Ihr in einem neuen Großen Ratschlag mit Euren Aktiven und Aktivisten beraten, wie es weiter gehen soll. Aus Berlin schreibe ich Euch meinen Rat zum Ratschlag und ich werde Euch keinen Schnee erzählen, sondern aus Erfahrung sprechen.

Über Jahrzehnten hinweg wurde die parlamentarische Demokratie in Deutschland sukzessive mehr und mehr außer Kraft gesetzt. Gleichzeitig wurde die Bevölkerung enteignet. Armutsgesetze nach Vorgaben von Gewerkschafts-, Industrie- und SPD-Bossen wie Peter Hartz, Ausverkauf ganzer Innenstädte durch „Cross-Border-Leasing“ an „Investoren“, militärische Kriege in Asien und Afrika und psychologische in Deutschland, gegen Bürgerrechte und Zivilgesellschaft, Lügenorgien und Geschnatter in der Informationsindustrie, allgegenwärtige Korruption in Ämtern und Behörden, Milliardentribute an die Finanzfürsten bei gleichzeitigem Aderlass aller Finanzierungen von gemeinnützigen und unersetzlichen Errungenschaften, wie Universitäten für jedermann, Schulen mit Büchern für alle Kinder, Bildungseinrichtungen mit Chancen für den zweiten Bildungsweg, Kulturstätten nicht nur für Reiche und Mittelschichtler, sozialen Projekten um die Armut etwas erträglicher zu machen, Sportstätten die wie Sportler heissen und nicht wie Konzerne, usw, usw, liebe Stuttgarter, seid versichert –  der in der Nacht des 14. auf den 15. Februar 2012 von der Bahn AG im Schutze der Polizei vor Euren Augen zelebrierte Zerstörungswahn im Stuttgarter Schlossgarten ist nur ein kleines Puzzleteil in diesem Vernichtungskrieg gegen das Grundgesetz, unsere Republik, unser Gemeinwohl, ja, unseren Staat.

Sagte ich unseren Staat? Ja, das sagte ich.

Als ich am 25. Oktober 2010 am Berliner Hauptbahnhof stand und Eure rund 600 Personen starke Delegation auf Besuch in der Hauptstadt mit in Empfang nahm, erlebte ich folgende Szene: Euer berühmter Stelzenmann stellte sich vor Euren übermüdeten Haufen, deren kleine Augen lebendig und lebenslustig umher blickten und rief: „Wessen Park?“. Ihr: „Unser Park!“. Er rief: „Wessen Deutschland?“ Ihr: „Unser Deutschland!“. Ich hab das nicht vergessen. Diese Szene zeigte mir ein ganz anderes Bild von diesem Land und dieser Republik. Ein Bild, was jede einzelne etablierte politische Organisation in all den Jahrzehnten seit dem Mauerfall irgendwie vergessen hatte an die Wand zu malen, im Gegensatz zu jedem anderen nur denkbaren hässlichen Schrott und Dreck.

Jede einzelne etablierte politische Organisation in Deutschland ist alt. Keine einzige dieser Organisationen wurde in der Berliner Republik gegründet. Alle stammen sie entweder aus Westdeutschland oder, wie die alte Blockpartei CDU mit ihrer Kanzlerin, aus der DDR. Wenn man sich einmal den „Deutschen Gewerkschaftsbund“ DGB, attac, oder die etablierten Parteien anschaut, dann müssen wir zuerst einmal fragen, was diese Organisationen in den letzten 20 Jahren eigentlich geleistet haben.

Die Antwort ist zunächst einfach: nichts. Etwas tiefer geblickt, haben sie aber in der Tat eine ganz erhebliche Leistung vollbracht: sie haben – mit aller Macht, mit aller nur denkbaren Heuchelei, mit allem miesen, gemeinen Verrat zu dem ihre Funktionäre fähig waren – sogar aktiv und umtriebig verhindert, das Andere das taten, was sie selbst hätten tun müssen. Das kalte Abwürgen der Montagsdemonstrationen von 2004, Euren Vorgängern, liebe Stuttgarterinnen und Stuttgarter, sollte Euch da ein mahnendes Beispiel sein.

Meine Erklärung dafür wird Euch nicht gefallen. Ich werde sie Euch trotzdem sagen. In den letzten zwei Jahrzehnten, seit Gründung der „Europäischen Union“ in 1992, ist jede einzelne etablierte politische Organisation in einem gespenstischen, schleichenden Prozess okkupiert worden. Okkupiert worden von einem Kult, einem antidemokratischen Kult, dessen Protagonisten ihre Seele verkauft haben und ihren Verstand ausknipsen wie eine Stehlampe, sobald sie das Wort „Europa“ hören.

Spätestens, allerspätestens seit die Merkel-Regierung mit Unterstützung bzw unter Stillschweigen der sogenannten „Opposition“ versucht hat, das bereits im Koma liegende Parlament vollständig von seinem harten Schicksal zu „erlösen“, muss es jedem klar geworden sein, was hier passiert. Die Berliner Republik sieht sich auf allen Ebenen einem Staatsstreich gegenüber, der von allen etablierten politischenParteien getragen und befördert wird. Das Einzige, was SPD, CDU, CSU, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und der 2005-2007 durch das Blutinfusionsopfer WASG zur „Linken“ mutierte alte Vampir PDS versuchen, ist, ihren Einheitsparteien auf EU-Ebene zuzuarbeiten und diese Demokratie von innen zu lähmen, zu zersetzen und wo sie nur können zu zerstören.

Diesen geschichtlichen, geostrategischen Hintergrund, mit all den Wahnsinns-Summen von erfundenen Geldforderungen der Finanzalchemisten, die hier in Berlin, in Karlsruhe, in ganz Europa mit roten Bäckchen wutentbrannt wie wild auf ihrem an die Wand gemalten Demokratie-Knopf rumdrücken und dazu „AUS!! AUS!!! DIE DEMOKRATIE IST AUUUSSS!“ brüllen,  halte ich hinsichtlich Eurer Situation für relevant. Ich halte diesen Hintergrund ebenfalls für relevant, wenn ich mir solchen Schwachsinn durchlese wie den von Wolfgang Hänisch aus einem „Bündnis für Versammlungsfreiheit“ und einem „AK S21 ist überall“, von dem ich noch nie etwas gehört habe.

„Die OB-Wahl zu einer „Oben-Bleiber-Wahl“ machen will Hannes Rockenbauch, mit einem Bürgerkandidaten zu neuen Mehrheiten kommen. Was aber macht der Bürgerkandidat im zweiten Wahlgang ? Zurückziehen zugunsten des Grünenkandidaten, um einen CDU-OB zu verhindern? Dann wäre der S21-Widerstand wieder dort gelandet, wo er bei der Landtagswahl war – als Wahlhelfer der Grünen. „

Wir versuchen mal die Stehlampe wieder anzuknipsen und bemächtigen uns des Einmaleins: in einem zweiten Wahlgang gibt es nur zwei Kandidaten. Der Kandidat der Bürgerbewegung wäre entweder noch im Rennen, dann bräuchte er nicht zurückziehen, oder er wäre es nicht mehr, dann könnte er nicht zurückziehen. Soweit klar?

Ich schlage vor, „Bei Abriss Aufstand“ gibt sich den inoffiziellen Untertitel „Auch bei Abriss Verstand“ und denkt vielleicht erst einmal nach, bevor sie das nächste Mal so etwas veröffentlichen. Außerdem sollten sich alle fragen, wer dieser Wolfgang Hänisch ist und warum er offensichtlich vor nichts mehr Panik hat, als das Hannes Rockenbauch bei der OB-Wahl gegen das Grünen-Fossil Fritz Kuhn gewinnt und in die Stichwahl gegen diese CDU-Schlaftablette Sebastian Turner einzieht.

Der bis dato so unauffällige (und deswegen so obereffektive?) Geheimwiderständler Wolfgang Hänisch lancierte aber gestern in einem so ungewohnt öffentlichen Aktivitätsanfall auch noch einen ganz anderen genialen Vorschlag. Opfer diesmal: Trueten.de, wo sie sich offenbar auch schon über alles freuen, was sie veröffentlichen können.

„Nicht nur Steinfests Romanfigur Tobik hat so seine Schwierigkeiten mit der „unbedingten Gewaltlosigkeit“ (Hannes Rockenbauch), die doch schon sehr nach „unbedingtem Gehorsam“ klingt.“

?!

„Nach dem 14./15.2. hatten wir eine tolle Presse, von Züfle bis Kretschmann gab es Schulterklopfen und Lobeshymnen auf die Friedlichkeit der S21-Gegner. Aber leider sind jetzt eben die Bäume weg. ´Wenn der Gegner uns lobt, haben wir einen Fehler gemacht !?´“

Aber damit nicht genug. Veni, vidi, ich traue meinen Augen nicht:

„Um diese längst fällige Diskussion zu führen, ist es vielleicht sinnvoll, den schon in die Jahre gekommenen Aktionskonsens der aktiven Parkschützer im Lichte der gemachten Erfahrungen auf seine Tauglichkeit zu überprüfen.“

Ich vermag jetzt nicht exakt zu beurteilen, wo genau Wolfgang Hänisch schon für tauglich befunden wurde und für was. Ich rate nur jedem und allen in der Stuttgarter Bürgerbewegung sich vor solchen Hirnsaugern in Acht zu nehmen.

In langen Jahren des politischen Widerstands und der politischen Aktivität, vom Schülervertreter im Kulturausschuss des Stadtrats einer westdeutschen Kleinstadt, quer durch jede Menge Tränengasnebel, knüppelnde Polizeihorden, besetzte und legalisierte Kommunen und Häuser bis zu dieser meiner Medienstation (ich höre es kreischen: „AUS!! AUUUUSS!!, DAS INTERNET MUSS AUUUUSSS!“) und mancherlei Bühnen und auch Applaus hi und da, habe ich eins gelernt:

immer dann, wenn die Demokratie in Deutschland ernsthaft Gefahr läuft tatsächlich angewendet zu werden, fangen ein paar Leute an richtig nervös zu werden. Und genau das ist derzeit der Fall. In Stuttgart und Baden-Württemberg wurde und wird sie derzeit angewendet (oder warum ist dieser Heuchler und ZK-Katholik Kretschmann jetzt Ministerpräsident?) und in Berlin werden sie nervös, wenn auch nicht bei mir um die Ecke, sondern in Berlin Mitte, im Turm der DB AG und im Regierungsviertel.

Seit langer Zeit frage ich mich, wie Tausende von aktiven und wachen Menschen in Stuttgart ihre mühevolle Arbeit und ihre eigene Arbeitsleistung so versenken können. Wie kann man nur so desorientiert und unorganisiert sein? Wer sitzt da mit breitem Grinsen und noch breiterem Hinterteil eigentlich auf der Handbremse? Wer sabotiert eigentlich jeden nur minimalen organisatorischen Ansatz, von gemeinsamer Pressearbeit (ich kriege immer noch diese verdammten PDFs), rudimentärster Koordindation der eigenen unabhängigen Medien (wie viele Online-Medien, You Tube Kanäle, Twitter Kanäle, Facebook Seiten aus der Bürgerbewegung gibt es eigentlich und wird nur eine(s) davon optimal verwaltet?) über das unfassbare Verpatzen alle bundesweiten Unterstützergruppen in einem simplen Verein zu bündeln, dem man überall beitreten kann, von Greifswald bis München, Berlin bis Köln?

Wie viele Tausend Menschen – politisch Aktive, keine Leichen und Phantome, wie bei der Nomenklatura und ihren Partei-Witzen – wie viele Unterstützer für Euch kämen in der ganzen Republik mit Windeseile zusammen, wenn Ihr, liebe Stuttgarterinnen und Stuttgarter es endlich mal peilen würdet einen einfachen Verein zu gründen?

Soll ich Euch sagen, warum das bisher nicht passiert ist? Weil alle etablierten politischen Organisationen und ihre gut bezahlten (Plenums-)Hooligans bei jedem auch nur nebelhaft erkennbaren Organisierungsansatz sofort anfangen zu kreischen „AUUUSSS! AUUUUSSS!! UNSER SPIEL, ÄHHH, DER WIDERSTAND IST AUUUUUUSSS!!“ und alles daran setzen, eine unabhängige und dass heißt neue politische Organisation zu verhindern.

Ich mach jetzt mal meinen Rat vor Eurem Ratschlag konkret:
1. Kurs halten
2. Aktionskonsens halten
3. Medienarbeit koordinieren, Techniker für Optimierungen beauftragen und Autoren einsammeln
4. Verein gründen, Mitglieder bundesweit einsammeln
5. Alle Partei-Organisationen aus dem „Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21“ rausschmeissen, aber Parteimitgliedern weiterhin die Teilnahme ermöglichen
6. Kandidat für die Wahl zum Stuttgarter Oberbürgermeister am 7. Oktober aufstellen (ich halte Stadtrat Hannes Rockenbauch für einen ehrlichen, integren und politisch geeigneten Kandidaten, der aus seiner Teilnahme an der Beschlichtigung Heiner Geisslers gelernt hat)
7. Wahlkampf vorbereiten. Das heisst: ein Plakat und ein Video erstellen, Künstler und Bürgerrechtler im ganzen Land ansprechen. Nein, nicht in der ganzen verdammten EU. Im ganzen Land. Der Rest wird sowieso angeschlichen kommen. Nur um mal zu gucken. („OFF!! OFF!!! THAT FUCKING GERMAN DEMOCRACY MUST BE SWITCHED OFF!!“)
8. Wahlkampf führen. Wahlkampf führen. Wiederhole: einen Kampf führen. Und die Grünen plattmachen, besiegen, fix und fertig. Daß sie noch bei uns in Berlin, im Regierungsviertel Rotz und Wasser heulen.
9. Immer an die alte 30 Jahre Grundregel von Joseph Beuys denken: „Wer nicht denken will fliegt raus“.

Das ist mein Rat zu Eurem Ratschlag. Uns allen viel Glück.

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