Es ist ein Industrieprojekt, das muss man ganz klar sagen. Aber wenigstens überhaupt eins. Früher hätt´s sowas nicht gegeben.
Zum 4.Mal nun lädt das „Musikercamp“ junge Talente zum 5 Tage Kurs in die Wildnis von Niedersachsen. Wenigstens müssen sie nichts dafür bezahlen, Landesregierung und Sponsoren finanzieren diesen Talentmagneten, an dessen Ende vielleicht glückstrahlenden Naivlingen irgendwelche Schriftsätze zum Unterzeichnen untergejubelt werden.
Aber immerhin.
Denn während weltweit in Zeiten des Internets schon längst die Frage gestellt wird wozu man im 21.Jahrhundert für den Handel von Musik, Filmen, Kunst und Kreativität zwischen Künstlern und Fans überhaupt noch eine Heerschar von Wegelagerern in der entsprechenden Industrie dazwischen braucht, haben junge Künstler in Deutschland mit den üblichen 20 Jahren Verspätung inzwischen wenigstens die Gelegenheit ausgebeutet zu werden, oder zu mindestens dafür zu trainieren und ausgebildet zu werden.
Auch wenn sie am Ende natürlich nach anglo-amerikanischer Schule unterrichtet, abgefeilt und englisch singend irgendwo auf die Bühnen geschickt werden.
Einen jungen Musiker, eine junge Musikerin, wird das alles nicht interessieren. Die wollen Musik machen, egal wie.
Dieses Geheimnis, dieses Potential, dieses um´s Verrecken arbeiten zu wollen, das ist es, was einen Fabrikarbeiter des 19.Jahrhunderts elementar vom Kunst- und Kreativproletarier des 21.Jahrhunderts unterscheidet. Die Arbeits- und Lohnbedingungen sind es nicht, das weiss jeder der versucht weltweit als Künstler sich zu ernähren, besonders und gerade in Deutschland.
Vom 13. bis 18. Oktober 2008 werden also 80 Musiker (die vorher aus Bewerbungen ausgewählt werden) in Celle Gelegenheit zu einem 5-Tage-Crashkurs in Sachen Musikindustrie haben.
Lernen werden sie in Workshops auch über Gott selbst, aka stellvertretende Anglizismen wie Management, Marketing, Booking und Controlling, auch über Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (warum nicht promotion?) oder Veranstaltungstechnik (übersetzt: sound & light engineering).
Nebenbei sind es aber auch 5 Tage als Musiker mit Musikern (Musikerinnen natürlich auch) irgendwo weit draussen, und wahrscheinlich die einzige Gelegenheit mal 5 Tage am Stück in Deutschland Künstler zu sein ohne sich andauernd dafür entschuldigen oder leiser drehen zu müssen.
Egon Bahr (vor 30 Jahren, als er noch normal war) hätte jetzt gesagt: „Und das ist der Fortschritt“.
Neben Rock, Pop, Punk und A-Cappella soll diesmal erstmals Klassik in das Programm einbezogen werden. Als Dozenten teilnehmen werden u.a. Fabian Trentini (H-Blockx), Henning Rümenapp (Guano Apes), DAN und Kosho (Söhne Mannheims).
In dem allumfassenden Mix leitet den Unterricht, nein, Workshop „Bühnenpräsenz“ (also eigentlich performance) der Komiker, Verzeihung, comedy star Heinz Gröning.
Bewerbungen kann man noch bis zum 05.September bei Musikcamp 2008 einreichen.