Waffensysteme sind keine Waffen, deshalb klettern jetzt schon Kindergartenkinder in der Kaserne in Panzer

Grossgeräte der Bundeswehr (Panzer, Boote, Flugzeuge und andere Waffensysteme) nach sind nach § 1 Abs.2 WaffG keine Waffen und fallen nicht unter § 2 WaffG, der den Umgang mit Waffen für Personen unter 18 Jahren verbietet.


Quelle: Amtsblatt der Stadt Frankenberg und den Ortsteilen Altenhain, Dittersbach; Langenstriegis, Mühlbach, Hausdorf, Sachsenburg und Irbersdorf, 11. Mai 2012, Nr. 14, S. 7 (Abbildung zum Vergrössern anklicken)

Die schwedische Schriftstellerin Astrid Lindgren wäre empört zu hören, dass in Deutschland eine Kindereinrichtung, die sich den Namen nach ihrem Roman „Pippi in Taka-Tuka-Land“ gegeben hat, ihre Zöglinge in die Militärkaserne führt. Kurioserweise steht Taka-Tuka-Land für die indonesische Hafenstadt Larantuka auf der Insel Flores, wo vor drei-, vierhundert Jahren europäische Deserteure vor dem Zugriff ihrer Vorgesetzten in Freiheit lebten.

Mögen diese Kinder auch in zehn, zwölf Jahren bei der Wahl der Ausbildung einen grossen Bogen um die Berufsarmee schlagen, die zur bezahlten Killer- und Söldnertruppe mutieren wird, wenn die deutsche Bevölkerung nicht begreift, dass sie den schleichenden Angriff auf das Grundgesetz verhindern müssen, zu dem auch die „Bundeswehrreform“ zu zählen ist. Nicht ohne Grund wurde der Grundwehrdienst nur ausgesetzt und nicht völlig abgeschafft, das hätte einer Änderung der entsprechenden GG-Artikel erfordert.

Was sich jetzt im Bundesverteidigungsministerium abspielt hat mitnichten etwas mit einem Verteidigungsfall zu tun sondern mit der Wahrung imperialistischer Grossmachtsansprüche im Ausland auf Kosten der Zivilbevölkerung. Das Märchen der Notwendigkeit von Kosteneinsparungen durch Reformen in der deutschen Armee ist ein Baustein im Gesamtbild der Zerstörung unserer demokratischen Gesellschaft.

Um genügend frische Rekruten beizeiten heranzuziehen vergreift man sich an den Seelen junger unschuldiger Kinder um diese zum Militärdienst zu verführen. Die Erzieherinnen befinden sich noch in dem guten Glauben, etwas Richtiges für die Vorschulkinder getan zu haben und gerade sie müssten es besser wissen.

Die Kindertagesstätte Taka-Tuka-Land in der Mühlbacher Strasse 10
in Frankenberg in Sachsen hatte vor Kurzem einen Ausflug in die Wettiner Bundeswehrkaserne durchgeführt, in der neben weiteren Einheiten wie dem Fernmeldebataillon 701 das Panzerartilleriebataillon 375 der Heimatschutzbrigade 37 „Freistaat Sachsen“ (Panzergrenadierbrigade 37) der Bundeswehr stationiert ist.

Ein Blick auf die Homepage des Kindergartens zeigt, dass dieser mit naturnaher Erziehung sowie Montessori-Pädagogik beworben wird und sich den Leitspruch mit Worten von Hermann Hesse „auf die Fahnen geschrieben“ hat

„Alle Natur, aller Wachstum, aller Friede, alles Gedeihen und Schöne in der Welt beruht auf Geduld, braucht Zeit, braucht Stille, braucht Vertrauen.“

Auf den Besuch am 18.April in der Kaserne scheinen die Erzieherinnen und die Stadt so stolz zu sein, dass der Trip zu den Waffenbrüdern mit einem ausführlichen Artikel, versehen mit Danksagungen und einem Gruppenfoto im Amtsblatt der Gemeinde gewürdigt und im Netz veröffentlicht wurde (s.oben).

Bedenklich ist die Naivität der Erzieherinnen, die von der Sturmbahn verniedlichend als einem „Spielplatz der Soldaten“ reden, der von den Kleinen in Besitz genommen werden durfte.

Das Probesitzen in einem Hubschrauber und in einem GTK Boxer auf dem Waffenstützpunkt ist ein absolutes No-go!

Der Bürgermeister der Stadt Frankenberg gab auf die Anfrage in der öffentlichen Sitzung des Stadtrates eines Stadtabgeordneten, ob es „jetzt zur frühkindlichen Bildung gehört, militärische Einrichtungen zu besuchen und mit welcher inhaltlichen Bedeutung auf sie eingewirkt“ werden soll am 30.Mai 2012 eine schriftliche Erklärung ab, die in dieser pdf-Datei zu lesen ist. Dort wird der Kasernenbesuch mit der Exkursion zur Gärtnerei, Post oder Bahnhof verglichen und als Tradition bezeichnet, da auch andere Kindertageseinrichtungen der Stadt bei dem grössten Arbeitgeber bereits zu Führungen begrüsst wurden.

Eine Familie hatte die Teilnahme ihres Kindes an dem Kasernenbesuch als einzige verweigert. Für diese Standhaftigkeit gebührt ihr Respekt und volle Anerkennung, sich gegen den Gruppenzwang behauptet zu haben. Die zwei vergangenen Weltkriege hätten ohne Gedankenlosigkeit, Mitläufertum und Widerstand von Anfang an gegen die Militarisierung der Gesellschaft verhindert werden können.

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Am 8.Februar 2012 reichten die Bundestagsabgeordneten Paul Schäfer, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, Sevim Dag ̆delen, Dr. Diether Dehm, Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich, Niema Movassat, Thomas Nord, Alexander Ulrich, Katrin Werner und die Fraktion DIE LINKE einen Antrag (Drucksache 17/8609) im Bundestag ein, Kindern und Jugendlichen generell keinen Zugang zu Kriegswaffen bei Bundeswehr-Veranstaltungen zu gewähren.

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Kriegswaffen gehören nicht in Kinderhände. Kinder und Jugendliche gehören nicht in Kriegswaffensysteme wie zum Beispiel Panzer, Jagdflugzeuge oder Fregatten.

Die „Richtlinien für die Durchführung der Informationsarbeit der Bundeswehr“, die das Bundesministerium der Verteidigung am 16. Februar 2011 erlassen hat, widersprechen diesen Grundsätzen. Zwar wird Minderjährigen der Umgang mit den meisten Handfeuerwaffen untersagt, der Umgang mit anderen Kriegswaffen und Waffensystemen wird dagegen ausdrücklich erlaubt. Aufgrund der Richtlinie ist es Jugendlichen ab dem 14. Lebensjahr erlaubt, die Innenräume von
Panzern, Kamphubschraubern und weiterem fahrbaren Kriegsgerät zu besichtigen, inklusive der darin vorhandenen Waffensysteme, und auch mit diesen Fahrzeugen zu fahren.

Das Bundesministerium der Verteidigung hat dazu am 5. Oktober 2011 festgestellt:

„Die ,Richtlinien für die Informationsarbeit der Bundeswehr‘ setzen entsprechende gesetzliche Bestimmungen um und richten sich nicht nach der potentiellen Wirkung von Waffen oder Großgerät der Bundeswehr“. Der Deutsche Bundestag vertritt die Auffassung, dass eine Unterscheidung zwischen verbotenen Handfeuerwaffen und erlaubten Kriegswaffen und Waffensystemen willkürlich und nicht im Sinne des Schutzes von Kindern und Jugendlichen ist. Es sind gerade die potentiellen Wirkungen von Waffen und Großgerät der Bundeswehr auf Kinder und Jugendliche, die im Mittelpunkt der Erarbeitung einer Richtlinie für die Informationsarbeit der Bundeswehr hätten stehen müssen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, dass der Bundeswehr untersagt wird, im Rahmen ihrer Informationsarbeit Minderjährigen Zugang zu Großgerät zu gewähren.

Am 16.Februar 2011 wurden die „Richtlinien für die Durchführung der Informationsarbeit der Bundeswehr“ zur Werbung Minderjähriger aufgeweicht und das Alter für den Zugang noch weiter herabgesetzt.

Der Parlamen­tarische Staats­sekretär Schmidt antwortete am 5.Oktober 2011 auf die Anfragen des Bundestags­abgeordneten Paul Schäfer

Aus welchen Gründen hält es das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) für notwendig, Minderjährigen bei Informationsveranstaltungen der Bundeswehr gemäß den „Richtlinien zur Durchführung der Informationsarbeit“ vom 16. Februar 2011 nur den Zugang zu Waffen im Sinne des Waffengesetzes zu untersagen, den Zugang zu Kriegswaffen aber zu erlauben, und wurde für die Neufassung dieser Richtlinien auch pädagogische Expertise eingeholt?

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Christian Schmidt
vom 5. Oktober 2011

Kinder und Jugendliche dürfen mit der Neufassung der „Richtlinie für die Durchführung der Informationsarbeit der Bundeswehr“ vom 30. November 2006 bis zum vollendeten 18. Lebensjahr keinen Zugang zu Handfeuerwaffen oder Munition oder ausgestellten Waffensystemen erhalten. Damit trägt die Bundeswehr den Bestimmungen des Waffengesetzes (WaffG) Rechnung, nach dem Personen unter 18 Jahren der Umgang mit Waffen verboten ist, die nicht dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterliegen.

Die Bestimmungen gelten mit der Änderung der „Richtlinien für die
Durchführung der Informationsarbeit der Bundeswehr“ vom 16. Februar 2011 weiter. Die Änderung der Richtlinie vom 16. Februar 2011 erfolgte in diesem Fall – wie Ihnen schon mitgeteilt – zur Klarstellung des Begriffs „Waffensystem“, um eine Handlungssicherheit für die Truppe bei öffentlichen Veranstaltungen herzustellen.

Waffen gemäß § 1 Absatz 2 WaffG sind Schusswaffen oder ihnen gleichgestellte bzw. tragbare Gegenstände. Großgerät der Bundeswehr, das oftmals als „Waffensystem“ bezeichnet wird, erfasst das Waffengesetz demnach nicht. Somit gibt es kein dem § 2 WaffG entsprechendes gesetzliches Verbot zum Umgang mit Großgerät der Bundeswehr, welches in Richtlinien umzusetzen wäre.

Der Zugang zu Großgerät der Bundeswehr war schon vor der Änderung der „Richtlinien für die Informationsarbeit der Bundeswehr“ vom 16. Februar 2011 ohne Altersbeschränkung gestattet. An der Änderung der Richtlinie waren Diplompädagogen beteiligt.

60. Abgeordneter Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE.)

Aus welchen Gründen hat es das BMVg für erforderlich gehalten, die Richtlinien zur Durchführung der Informationsarbeit der Bundeswehr dahingehend zu ändern, dass Minderjährige ab dem 14. Lebensjahr die Mitfahrt in militärischen Land- und Wasserfahrzeugen erlaubt werden kann?

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Christian Schmidt
vom 5. Oktober 2011

Die Änderung der „Richtlinie für die Informationsarbeit der Bundeswehr“ vom 16. Februar 2011 gestattete die Mitfahrt von interessierten Jugendlichen ab dem 14. Lebensjahr in nicht handelsüblichen Land- und Wasserfahrzeugen der Bundeswehr im Beisein oder bei Vorliegen einer Erlaubnis der Sorgeberechtigten und erfolgte zur besseren Darstellung der Ausrüstung und Leistungsfähigkeit der Streitkräfte.

61. Abgeordneter Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE.)

Teilt das BMVg die Auffassung, dass Kriegswaffen, wie z.B. Kampfpanzer, gepanzerte Kampffahrzeuge einschließlich gepanzerter kampfunterstützender Fahrzeuge, Kampfhubschrauber, Jagdflugzeuge, Marineschiffe und U-Boote der Bundeswehr, ein zumindest genauso großes Gewalt- und Tötungspotential innehaben wie Waffen im Sinne des Waffengesetzes, und wenn ja, warum wird Minder-
jährigen der Zugang zu diesen Kriegswaffen gewährt?

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs
Christian Schmidt vom 5. Oktober 2011

Die „Richtlinien für die Informationsarbeit der Bundeswehr“ setzen entsprechende gesetzliche Bestimmungen um und richten sich nicht nach der potentiellen Wirkung von Waffen oder Großgerät der Bundeswehr.

Der sorgfältige Umgang mit nicht handelsüblichen Land- und Wasserfahrzeugen der Bundeswehr erfolgt durch Soldatinnen und Soldaten, welche eine intensive Ausbildung durchlaufen haben und als Fahrer und Bediener sowohl eingewiesen als auch überprüft sind.

Grundsätzlich sind die mit der Betreuung von mitfahrenden Zivilpersonen beauftragten Soldatinnen und Soldaten neben der allgemeinen Gefahrenerkennung und Gefahrenvermeidung auch im besonderen Umgang mit den Waffensystemen sowie der Anwendung der einschlägigen Richtlinien vertraut.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/7279

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Quellen:
http://www.bundeswehr-monitoring.de/militarisierung/vormilitaerische-erziehung-fuer-kindergartenkinder-12736.html
http://www.bundeswehr-monitoring.de/militarisierung/eine-familie-wollte-ihr-kindergartenkind-nicht-in-den-panzer-schicken-12770.html
http://www.bundeswehr-monitoring.de/militarisierung/kriegswaffen-show-fuer-kinder-ab-13-jahren-freigegeben-12246.html

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