Im Zweifel für die Freiheit

Nachtrag zur Demonstration “Ja zum Grundgesetz heißt Nein zum ESM. Ja zu Republik und souveränen Staaten in Europa. Nein zur Finanzdiktatur.” am 8. Juni in Berlin vor dem Reichstagsgebäude auf dem Platz der Republik.

Zuerst einmal möchte ich mich bei den Demokraten bedanken, die die da waren, ich schätze die Teilnehmerzahl auf 300 bis 500.
Die Antidemokraten unter Polizeischutz, die sich an uns ranstalken wollten, konnten wir nicht par ordre du mufti in Luft auflösen. Ab dem 5. Juni wurde innerhalb eines Tages durch ein ping-pong-Spiel zwischen Nazis und antideutschen Gruppen innerhalb der Linken versucht, gegen eine Demonstration unter dem Motto „Ja zum Grundgesetz heißt Nein zum ESM“ zu schießen. Das fand ich sehr bezeichnend und das habe ich auch so erwartet.

Ich darf diesbezüglich noch einmal daran erinnern, daß in Weimar das Bürgertum Demokratie und Verfassung ablehnte. Diese Entwicklung in der Berliner Republik zu verhindern ist aus meiner Sicht zentrale politische Verantwortung, auch und gerade der politischen Linken.

Was da nun geredet wurde auf der Bühne, wurde aus gutem Grund dokumentiert. Es wird schwerfallen, da etwas hinein zu interpretieren, was da nicht hingehört. Wer da klare Unterschiede in den Auffassungen der Teilnehmer und Redner bezüglich Wirtschafts- und Sozialpolitik feststellt, hat gut aufgepasst. Es geht in dieser, weltpolitisch, international und innenpolitisch mehr als wichtigen Zeitperiode, nicht etwa darum diese Unterschiede wegzudiskutieren oder zu verwischen, sondern sicherzustellen, daß diese Unterschiede an der Wahlurne ausgetragen werden und zwar unter den Regeln der Verfassung, dem Grundgesetz. Dessen Bewahrung, die Bewahrung der Verfassung der Republik, hat und hatte für mich immer oberste Priorität. Und ich denke bei diesem Vorhaben sind wir gestern einen erheblichen Schritt voran gekommen.

Ich habe gestern wieder einmal festgestellt, daß das Bedürfnis nach Dialog und Verständigung innerhalb der Bevölkerung sehr viel größer ist, als das Bedürfnis irgendwelche Konflikte zu starten. Wer aber genau dies vorhat und die inneren Spannungen in der Republik anheizen möchte, ist in der Minderheit, sogar in einer extrem kleinen Minderheit.

„Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum hat er Stiefel im Gesicht nicht gern! Er will unter sich keinen Sklaven sehn. Und über sich keinen Herrn.“ Diese Sätze von Bertolt Brecht gelten noch immer, mit Sicherheit. Der Mensch zieht die Freiheit vor. Diktatur, die mag er nicht, egal von wem. Der Chef, der Vorgesetzte, der Boss oder Firmenleiter, das ist hier immer noch kein Sklavenbesitzer, auch wenn sich manche bereits so fühlen und auch so aufführen mögen. Regierungen sind kein Herrn, sie werden gewählt. Das heisst: man kann sie auch wieder abwählen, durch das Parlament, dessen Abgeordnete gewählt und wieder abgewählt werden.

Soziale Zustände kann man nach demokratischen Spielregeln ändern und verbessern, wenn es in der Republik die entsprechenden sozialen Organisationen bis hin zu Partei-Organisationen gibt.

Diese aber gibt es nicht. Und genau das ist der Punkt.

Alle etablierten politischen Organisationen im sozialen, gewerkschaftlichen, linksdemokratischen, alternativen oder gar sozialistischen Spektrum haben versagt. Sie sind in den letzten 10 Jahren, wenn nicht sogar schon länger, nichts als zurückgewichen, haben ihre Positionen aufgegeben und ihre Mitglieder, Wähler und Basis verraten und im Stich gelassen. Wenn ich jetzt also z.B. solch maximale Hetze gegen die gestrige Demonstration lese, der allen Ernstes ein Angriff auf den Sozialstaat unterstellt wird dessen Verfassungsauftrag „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“ wir verteidigen, dann lese ich das wütende Pamphlet von Feiglingen, die in den letzten Jahren nichts als versagt haben, vor den Auseinandersetzung mit den Kapitalinteressen davon gerannt sind und das nun genau denen in die Schuhe schieben wollen, die in der Lage waren ihre Position zu halten und dem Angriff der Banken auf die Demokratien in Europa Widerstand leisten.

„Die Länder im ´Euro´-Währungsgebiet, Griechenland, Frankreich, Italien, Portugal, Spanien, Irland, die Slowakei, Österreich, um nur einige zu nennen, sind mehr als nur ´Nationalstaaten´. Es sind souveräne Demokratien, deren Schicksal uns ebenso am Herzen liegt wie das unserer eigenen. Der zynische Versuch einer bizarren Querfront von Antidemokraten, die vom Banken-Kartell, Industrie-Magnaten und transnationalen Konzernen über sogenannte “Pro-Europäer” in allen etablierten politischen Organisationen, Parteien, Gewerkschaften bis hin zu extremistischen Gruppierungen reicht, eine durch ´maximalen Marktdruck´ selbst erzeugte Krise der europäischen Demokratien zu deren Sturz zu nutzen, trifft auf unseren Widerstand und die Ablehnung der Mehrheit der Bevölkerung. Und das nicht nur in Deutschland, sondern in allen Ländern mit “Euro”-Finanzsystem.“

Dieses Zitat aus dem Demonstrationsaufruf ist unmissverständlich und gut lesbar. Wer aber nicht lesen will und lügen muß, weiß warum. Er gehört zu den „pro-europäischen“, in Wirklichkeit paneuropäischen Antidemokraten, die darin beschrieben werden.

Ich habe bereits in meinem seinerzeit viel bestaunten (und nach dem Ansteigen der FDP in den Umfragen von den meisten verschämt vergessenen) Artikel „Warum die FDP in die Bundesregierung muss“ vom 15. Dezember 2008 schon einmal meine Motivation umschrieben: Das Grundgesetz muss um jeden Preis erhalten, beschützt und in Funktion gehalten werden.

Und ich verweise nochmal auf die damalige Situation: Gleichzeitig mit dem von den Banken selbst mitverfassten Gesetzentwurf zum „Finanzmarktstabilisierungsgesetz“, der am 12. Oktober 2008 bekannt gegeben, innerhalb von fünf Tagen durch den Bundestag gepeitscht wurde und den Banken eine halbe Billion Euro zur Verfügung stellte, versuchten SPD, CDU und CSU den Einsatz des Militärs im Inneren handstreichartig in die Verfassung schreiben zu lassen.

Rief da irgendjemand aus DGB, von „Die Linke“ oder der politischen Linken „HALT“? Nein. Es waren die Liberalen, mit ihrem gerade noch rechtzeitig ins Landesparlament und dann an die Regierung Bayerns eingezogenen Landesverband von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die mit ihrer verfassungswahrenden Ein-Drittel-Minderheit im Bundesrat dieses Handbuch zum Militärputsch wieder zuklappten.

Ach, und wenn man schon die Formulierung „finanzieller Reichstagsbrand“ im Demonstrationsaufruf als „Verschwörungstheorie“, etc kritisiert, dann handelt es sich hier mindestens um eine kleine Verspätung. (7. Oktober 2008, Der finanzielle Reichstagsbrand: Chronologie eines kalten Staatsstreichs durch eine inszenierte Krise)

Es bildet sich derzeit, ähnlich wie bei der Bürgerrechtsbewegung gegen die Vorratsdatenspeicherung unter dem damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble, nun eine Bürgerrechtsbewegung gegen den ESM unter dem heutigen Finanzminister Wolfgang Schäuble. Und diese Bürgerrechtsbewegung beinhaltet, wie bei den Demonstrationen „Freiheit statt Angst“, ein breites Bündnis, das klein anfängt. So einfach ist das.

Was auch immer jetzt da erzählt und geredet wird, von wem auch immer, egal was versprochen, geschwätzt und gelogen wird – es gilt ein alter Satz, von jemandem, der fehlt, genauso wie die politische Kraft, die er und seine Partei damals repräsentierten:

Im Zweifel für die Freiheit.

(…)

Artikel zum Thema:
06.06.2012 “Ja zum Grundgesetz heißt Nein zu Nazis”: Die zweite Presseerklärung zur Berliner Demonstration
06.06.2012 “Ja zum Grundgesetz heißt Nein zum ESM”: Die Presseerklärung zur Berliner Demonstration
21.05.2012 “Ja zum Grundgesetz heißt Nein zum ESM”: Demonstration am 8.Juni in Berlin, Platz der Republik

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