Liebe Frauen. Die Welt wundert sich über die Machtfülle der Kanzlerin von Deutschland, Angela Merkel und findet nicht deren Geheimnis. Ich, ganz unzweifelhaft ein Mann, bilde mir ein es zu kennen: Sie sind es. Denn Sie, liebe Frauen, sind etwas, was die vor hundert Jahren lebenden Frauen des Kaiserreichs Deutschland nicht waren: Wählerinnen. Wählerinnen einer Republik, die sich entscheiden muss, ob sie sie selbst sein will oder etwas anderes.
Sie wissen am Besten, dass Sie untereinander anders reden. Sie wissen, dass Sie die Männer, ganz für sich, im Grunde stets mit Vorsicht betrachten; Machtmenschen, Raubtiere, gefährliche Wesen, das sind wir für Sie. Und ganz kann ich Ihnen nicht widersprechen. Diese Welt ist vor allem auch das, was Männer aus ihr gemacht haben.
Aber nun ist es anders. Nun kommt es auf Sie an. Und da kommen Sie jetzt nicht heraus. Es ist Ihre Entscheidung, auch Ihre. Weil Sie eine haben. Und die kann Ihnen, jetzt und hier, keiner nehmen. Nicht einmal Sie selbst.
Aber das kann sich ändern. Wenn Sie sich, liebe Frauen, nicht entscheiden, ist das bereits eine Entscheidung. Diese Demokratie, diese Republik ist in ernster Gefahr und zwar durch diese Kanzlerin, der Sie, bewusst und unbewusst, als Frau in dieser Männerwelt zur Seite stehen, deren sympathisch wirkende Aura Sie als Erleichterung empfinden, gegenüber der Verkniffenheit, Aggressivität und dem lautem Gebaren der Männer dieser Welt, die sie als ihr Eigentum betrachten.
Betrachten Sie sich, Ihre Welt und Ihre Kanzlerin einmal in Ruhe und ganz genau. Stimmt das alles noch? Passt das alles zusammen? Bilden die Puzzleteile ihres inneren Bildes noch das Bild? Oder sind sie in Wirklichkeit Teile von etwas ganz anderem? Was macht eine Frau als Frau anders, wenn sie handelt wie sie handelt? Was macht eine Entscheidung dadurch anders? Verändert sich allein dadurch die Realität?
Die Menschen auf dem Kontinent leiden. Die Menschen in dieser Republik sind darüber verwirrt, weil sie das nicht wollten. Sie sind in etwas hineingezogen worden, was sie nie wollten und haben Angst. Angst lässt die Menschen sich zusammenkauern und sammeln um die Personen, denen sie sich verbunden fühlen. Diejenigen, die über die Macht des Geistes, der Psychologie wissen, sind über ihr Wissen in der Lage das für ihre Zwecke zu nutzen. Auch, liebe Frauen, Ihre Angst und Ihre instinktive Solidarität mit der ersten Kanzlerin in der Geschichte Deutschlands, an dessen Republik in diesen Tagen die Welt herum zerrt. Alle wollen sie etwas von uns. Alle erzählen sie uns, was wir zu tun und zu lassen haben. Alle reden sie, als ob wir ihnen gehören würden, um ihnen zu geben was sie haben wollen: den Händlern, ihren Märkten, deren Regierungen, den Bankern und Militärs. Kriege sollen wir führen, arbeiten sollen wir ohne zu murren, für die Herren dieser Erde und ihre Diener.
Diese Kanzlerin, liebe Frauen – arbeitet sie noch für Sie? Ist sie Ihre Wahl? Wem dient diese Frau eigentlich? Ihnen? Ihrer Republik, Ihrer Demokratie, ihrer und Ihrer persönlichen Geschichte, die Sie schon erlebt haben? Was würden Sie eigentlich sagen, wenn ich im Kanzleramt säße und im Duett mit internationalen Lobby-Organisationen, Privilegierten, Geldfonds und Banken in Frankfurt, London und New York befehlen würde, den Arbeiterinnen in Portugal, Spanien, Griechenland und Italien ihre Löhne zu senken, ihre Renten zu senken, ihre Mieten zu erhöhen und die Menschen in ihren eigenen Staaten solange zu drangsalieren bis über den Städten Europas die Rauchwolken aufsteigen? Würden Sie sagen: „Schade dass er keine Frau ist, dann ginge das in Ordnung“? Na?
Wissen Sie, das mit dem Femininen, das ist so eine Sache. Manche Menschen wollen nicht so recht wissen, wie sie gemacht sind und von wem. Wer so tut, als hätte dies weder mit einer Frau noch mit einem Mann zu tun (und vielleicht versucht auch so auszusehen), der verweigert die simple Erkenntnis was den Menschen und die Menschlichkeit überhaupt ausmacht.
Es hat lange genug gedauert, auch und gerade in Deutschland, bis Wissen, Erkenntnis, geistige Aufklärung und damit die elementarsten Menschenrechte in den Gesellschaften, Staaten, letztlich Demokratien Europas Einzug gehalten haben. Setzen Sie – gerade Sie – diese nicht auf´s Spiel. Setzen Sie nicht den Vertrag auf´s Spiel, der Ihnen und Ihrer Familie ihre Rechte, ihre gleichberechtigte Existenz sichert: das Grundgesetz. Setzen Sie nicht auf´s Spiel, dass Ihre Stimme nichts mehr zählt, weil Sie zwar wählen können, aber kein Parlament mehr was etwas zu sagen hätte, weil Ihre Republik aufgehört hat zu existieren.
Liebe Frauen. Es ist Ihre, auch Ihre Wahl, Ihre Entscheidung, was nun mit dieser Republik geschehen wird. Und weit darüber hinaus.