Dokumentation: Die Rede von Dr. Eisenhart von Loeper, Sprecher des Aktionsbündnises gegen S21, auf der heutigen 153. Montagsdemo gegen „Stuttgart 21“ (S21).
Liebe Mitwirkende, Freundinnen und Freunde, der Bahnvorstand musste jetzt eingestehen: „Stuttgart 21“ sprengt nicht nur den viel beschworenen Kostendeckel von 4,5 Milliarden, sondern überschreitet ihn um mindestens 2,3 Milliarden Euro. Diese grobe Irreführung war maßgeblich für die Volksabstimmung über S21. Durch die dramatische Kostenüberschreitung ist auch die Volksabstimmung überholt und wertlos.
Stuttgart 21 steht auf den drei Säulen: finanzierte Kosten, um 50 % verbesserte Leistung und Einklang mit dem Gesetz. Selbst wenn die Kostensäule noch nicht eingestürzt wäre, macht S21 nie und nimmer einen Sinn, weil ein 8-gleisiger Bahnhof stets maximal 32 Züge in der Spitzenstunde bewältigen kann. Die gegenwärtige Kapazität von bis zu 50 Zügen würde dramatisch um 30% verkleinert, statt um 50% ausgebaut. S 21 bedeutet also Kostenlüge, Leistungslüge, Rechtsbruch.
Mit der Kostenexplosion um 2,3 Milliarden Euro rückt der Ausstieg erstmals in greifbare Nähe. Machen wir ihn unumkehrbar, bewirken wir ihn jetzt: Bahnchef Grube und Verkehrsminister Ramsauer behaupten dagegen, zu S21 gebe es eine Ausführungsverpflichtung. Das ist eindeutig falsch, denn nach dem Gesetz darf jeder Partner den Vertrag aus wichtigen Gründen, also auch wegen mangelnder Finanzierung kündigen.
Genau darum geht es hier: Die Bahn will von 2,3 Milliarden allenfalls 1,1 Milliarden übernehmen. Da Bund, Land und Stadt nein sagen zur Zahlung der angeblich externen Kosten von 1,2 Milliarden, klafft deshalb eine nicht überbrückbare Finanzierungslücke. Kein Wunder, dass die zwanzig Aufsichtsräte der Bahn, die eigentlich Grube und seinen Vorstand kontrollieren sollen, allmählich kalte Füße kriegen. Wir haben sie in persönlichen Schreiben darauf hingewiesen, dass ihnen Strafverfolgung wegen Untreue droht – und darum werden wir uns kümmern, spätestens, wenn sie auch noch die 1,2 Milliarden übernehmen würden.
Was aber wären die Ausstiegskosten?
Kefer nennt 2 Milliarden, das soll aber ungeniert einschließen 730 Millionen notwendiger Erstattung an die Stadt Stuttgart für die Rückgabe des Gleisvorfeldes und auch die überfällige Sanierung des Hauptbahnhofs. Beides sind jedoch von der Bahn geschuldete Sowieso-Kosten. Weil die Projektbeendigung begründet ist, greifen Ersatzansprüche nach Vergaberecht nicht ein, allenfalls gering entgangener Gewinn für unnötig erteilte Aufträge. Der Schaden des Ausstiegs liegt daher bei nutzlosen Aufwendungen in der Größenordnung von 400 Millionen Euro, teilweise mitgetragen von Finanzierungspartnern.
Unsere Botschaft sollte jetzt sein: Der Ausstieg aus S21 schafft einen gewaltigen Gewinn: Wenn nämlich die Projektkosten insgesamt bei 10 Milliarden Euro liegen, lassen sich beim Ausstieg 9,6 Milliarden einsparen.
Betragen die Gesamtkosten nach dem Bahn-Gutachter 6,8 Milliarden, spart der Ausstieg immerhin 6,4 Milliarden Euro. Für die Landeshauptstadt schafft der Ausstieg einen großen Gewinn. Sie behält nicht nur den besseren Kopfbahnhof, sie bekommt 730 Millionen Euro von der Bahn zurück und sie spart die sonst verlorenen Zuschüsse von etwa 270 Millionen Euro. Auch das Land wird gewinnt mit dem Ausstieg gewaltig: Von den 930 Millionen zugesagter Mitfinanzierung verbleiben ihm zumindest etwa 800 Millionen Euro. Der Ausstieg verschafft ferner dem Bund eine Ersparnis von etwa einer Milliarde Euro. Den Löwenanteil einiger Milliarden Euro aber spart die Bahn. Vor allem spart sie sich die endgültige Ruinierung ihres Rufs.
Wenn Kanzlerin Merkel recht hat und an Stuttgart der Ruf Deutschlands als Investitionsstandort hängt, dann lasst uns jetzt aussteigen – und umsteigen. Die dabei frei werdenden Gelder gehören in die Instandhaltung und in die ökologische Modernisierung der Bahn. Lasst uns gemeinsam zeigen, dass diese Verkehrswende in Stuttgart mit Gewinn für alle gelingt.
Oben bleiben!