Über das schmutzige Spiel der Spieltheoretiker am Beispiel Zypern

Der Präsident der „Europäischen Zentralbank“ E.Z.B. und der Finanzminister von Deutschland streiten über die „Systemrelevanz“ der Republik Zypern für das Euro-Finanzsystem. Hintergrund ist die vorläufig gescheiterte Intervention in die inneren Angelegenheiten eines souveränen europäischen Staates durch die Regierung Deutschlands, sowie der gescheiterte Versuch den mit Staatsgeldern prall gefüllten „Europäischen Stabilisierungsmechanismus“ E.S.M. über den Umweg involvierter Regierungen für die direkte Finanzierung von Geschäftsbanken zu benutzen.

Spielstand in einem schmutzigen Spiel der Spieltheoretiker.

Wie der „Spiegel“ heute morgen meldete, gab es „beim jüngsten Finanzministertreffen Anfang vergangener Woche“ eine ernsthafte Auseinandersetzung zwischen zwei Spielern des Währungs- und Finanzsystems namens „Euro“: dem Präsidenten der Zentralbank E.Z.B., Mario Draghi, und dem Finanzminister von Deutschland, Wolfgang Schäuble.

Zuerst einmal gilt es festzuhalten: es handelt sich bei dem „jüngsten Finanzministertreffen Anfang vergangener Woche“ offensichtlich um das erste Treffen der Finanzminister aus den 17 Staaten mit Euro-System in diesem Jahr, am 21. Januar in Brüssel, also letzten Montag.

Am Montag ging es nun bei diesem Treffen der sogenannten „Euro-Finanzminister“ – die immer noch die Finanzminister ihrer Staaten und deren parlamentarisch-demokratisch legitimierten Regierung sind – um den mit Staatsgeldern von 700 Milliarden Euro und mit einem „restlichen Haftungskapital“ von weiteren 630 Milliarden Euro prall gefüllten „Europäischen Stabilisierungsmechanismus“ E.S.M..

Bereits vor dem Treffen der 17 Finanzminister, an dem wie selbstverständlich auch der Präsident der Zentralbank E.Z.B und andere teilnahmen, hatte die Kommission der „Europäischen Union“ durch die „Financial Times“ durchsickern lassen, dass die geplante direkte Kapitalisierung von Geschäftsbanken durch den E.S.M.-Staatsfonds abgeblasen sei. Auch die Übernahme von Staatsgeldern, die bereits in die Banken geflossen waren, wurde plötzlich verworfen.

Gerade für Irland war diese Nachricht verheerend. Es hatte ein „Hilfspaket“ in Höhe von 85 Milliarden Euro bekommen – welches über den Staatsgelderfonds des E.S.M-Vorgänger E.F.S.F. bezahlt wurde und dem der Bundestag am 2. Dezember 2010 zugestimmt hatte – und 32 Milliarden Euro direkt für die Schulden der Banken im Staat bezahlt (die Zahl dürfte weit untertrieben sein, diese Quelle z.B. bezifferte die Summe auf 70 Milliarden Euro).

Auch in Zypern wartete man vor dem Finanzministertreffen dringend auf die bereits im Sommer zugesagten rund 17 Milliarden Euro für die Banken mit Sitz im Staat, also die Societe Generale, die Hellenic Bank, die UBS, die National Bank of Greece, die Eurobank, usw.

Allerdings hatte Zyperns Präsident Dimitris Christofias gegenüber der „Troika“, der E.Z.B, den E.U.-Kommissaren und der E.Z.B., bereits verlauten lassen, dass er nicht gewillt sei sich weiter der explizit aus der Berliner Regierung betriebenen „Taktik der Strenge“ („austerity policies“, im Allgemeinen mit „Sparpolitik“ übersetzt) zu unterwerfen. Konkret verweigerte er sich dem geforderten flächendeckenden Verkauf von Staatseigentum an internationale „Investoren“, also Kapitalisten.

Zudem  hatten in Deutschland die Parteien S.P.D. und Bündnis 90/Die Grünen die Richtung gewechselt. Der Vorsitzende der S.P.D., Sigmar Gabriel in einem Interview am 9. Januar:

Ich kann mir nicht vorstellen, dass deutsche Steuerzahler zyprische Banken retten, deren Geschäftsmodell auf Beihilfe zum Steuerbetrug basiert.”

Im Juni 2011 hatte Gabriel noch genau das Gegenteil gefordert. Nun aber der Schwenk, offensichtlich in Angst vor den steuerzahlenden Wählerinnen und Wählern, nicht nur in Niedersachsen. Die Kanzlerin Merkel und ihr Finanzminister Schäuble, die sich bei ihrer Finanzpolitik bislang vor allem auf S.P.D. und Bündnis 90/Die Grünen stützten konnten, standen plötzlich ohne Mehrheit im Bundestag da. (Zypern: 15. Januar, Wie der Kontinent Euro fast im Mittelmeer versunken wäre)

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Eine kurze Zusammenfassung wie die Systematik des Raubzugs im Euro-System funktioniert.

A (Deutschland) gibt einen Kredit an B (Zypern), damit B weiter an XY (die Banken) zahlen kann. Damit B diese neuen Schulden von A bekommen darf, muss es in deren Höhe mit Eigentum an XY („Investoren“, indirekt wieder die Banken) bezahlen.

Statt B (Zypern) also zu helfen, hat es A (Deutschland) durch seinen Kredit zu seinem Schuldner gemacht, dessen Schulden noch erhöht und zu dessen Ausplünderung durch XY (das Kapital) beigetragen.

Das Geld von A ist weg, bei XY. Gleichzeitig verbindet nun A (Deutschland) und XY (das Kapital) ein gemeinsames Interesse: beide sind Gläubiger von B (Zypern, Griechenland, Irland, etc, etc) und wollen, dass B weiter an sie (Zinsen) bezahlt.

Die Rollen von A (die Republik Deutschland) und XY (das Kapital) nähern sich an und verschmelzen schließlich (die Instrumente E.S.M., E.F.S.F., usw, sind lediglich dazwischen geschaltet, um den Vorgang zu vernebeln und die „Interoperabilität“ der Transformation zum Staatskapitalismus zu gewährleisten).

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Am 21. Januar, letzten Montag also, stockte in Brüssel dieser gesamte Plünderungs-Mechanismus. Er setzte aus – und zwar wegen einem Deutschen Bundestag, dem das Bundesverfassungsgericht (widerwillig und blutenden Paneuropa-Herzens) den im Grundgesetz nicht wegzuschwatzenden absoluten Mindeststandard an „Beteiligung“ des Parlaments an der parlamentarischen Demokratie aufgenötigt hatte.

Weitere Milliardentribute an das weltweite Interbankensystem – dessen Kernargument ja die unaufhebbare Verflechtung und damit die Unmöglichkeit einer einzigen Pleite einer einzelnen Bank ist – waren vor der Bundestagswahl schlicht nicht mehr durchsetzbar, mit Parteien, die die Hosen vor einer Bevölkerung voll haben die eventuell anfangen könnte richtige Zeitungen zu lesen und am Ende auch noch richtige Parteien zu wählen und wenn die nicht da sind eben welche zu gründen.

Seinen Ausdruck fand dieser systemische Bruch, dieser Kollaps der Systematik des Raubzugs im Euro-System, am 17. Januar, vier Tage vor dem Treffen der „Euro-Finanzminister“ (Montag 21.) und fünf Tage vor dem unmittelbar danach stattfindenden Treffen aller 27 Finanzminister aus den E.U.-Mitgliedsstaaten.

An jenem 17. Januar also hielt im Bundestag ausgerechnet einer der Hauptakteure und Entwickler des Euro-Systems in seiner jetzigen Form, einer der Hauptverantwortlichen für das sich nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages in Windeseile massenhaft über den Kontinent ausgebreitete Elend und eine langjährige Schlüsselfigur des Systems Merkel eine Rede, in welcher er nicht nur all das drei Jahre zu spät sagte was er in dieser Zeit selbst mitverursacht und beschlossen hatte, sondern eben auch das, was in all dieser Zeit erst andere der Bevölkerung in den Schädel hämmern mussten, bis diese der S.P.D. solange über den Umfragen-Schädel hämmern musste, bis sich dann schließlich dieser noble Herr dazu herab ließ im Bundestag zu Wort zu schreiten.

So sprach er also, Peer Steinbrück, am 17. Januar des Jahres 2013, im Deutschen Bundestag, der Versammlung der klügsten, gebildetsten, verantwortungsvollsten, urdemokratischsten und menschenfreundlichsten Exemplare, die der Homo Sapiens in seiner gesamten Existenz je auf dem Markt geschmissen hat:

„Es gibt Finanzinstitute in Europa, denen es gelungen ist, Infektionskanäle in die Staatshaushalte zu legen. Sie haben ein Drohpotenzial, das lautet: Wenn ihr mich nicht rettet, bricht eure Volkswirtschaft zusammen; und im Übrigen bin ich so groß, dass ich gar nicht scheitern darf, und deshalb werden mich die Staaten finanzieren müssen. – Diejenigen, die die Haftenden in letzter Instanz sind, sind die Steuerzahler in diesen Staaten. Die Folge ist die steigende Schuldenlast gewesen, die jetzt aber als Ursache dargestellt wird, obwohl sie eine Konsequenz, eine Folge dieser Entwicklung ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das beste Beispiel ist übrigens Irland. Irland galt einmal als Musterknabe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Ich kann mich erinnern, dass es vor über zehn Jahren Empfehlungen aus den Reihen der FDP gab, wir sollten uns an Irland ein Beispiel nehmen,

(Thomas Oppermann [SPD]: Genau! – Weiterer Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

auch und gerade ordnungspolitisch, auch und gerade hinsichtlich der Deregulierung und der Privatisierung. Es ist erstaunlich, dass das Kurzzeitgedächtnis einigen Parteien mehr nützt als anderen, wenn man sich daran erinnert, dass die FDP uns dieses Irland in mehreren Reden im Deutschen Bundestag als nachahmenswert vorgehalten hat.

Irland musste inzwischen Mittel in der sagenhaften Größenordnung von 269 Prozent seiner jährlichen Wirtschaftsleistung aufwenden, um seine Banken zu stützen – fast 270 Prozent; das entspricht fast dreimal seiner jährlichen Wirtschaftsleistung –, um die irischen Banken vor einem Kollaps zu bewahren. Deshalb war es kein Wunder, dass die irische Staatsverschuldung, die im Jahre 2007 mit 25 Prozent, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, relativ niedrig war, nun inzwischen über 100 Prozent beträgt.

Die Finanzmarktkrise als Verursacher der Staatsverschuldung kommt aber in der Analyse der Bundesregierung schlichtweg nicht vor. Ich zitiere die Bundeskanzlerin aus einer Regierungserklärung vom Oktober des letzten Jahres:
´… die Probleme, mit denen wir zu kämpfen haben,… sind auf eine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit,`

– nicht falsch –

´sie sind auf die Überschuldung einzelner Mitgliedstaaten sowie auch auf Gründungsfehler des Euro zurückzuführen.´

Das alles ist nicht zu dementieren.“

Wir halten fest: auch für Steinbrück ist die „Wettbewerbsfähigkeit“ der Sklaventreiber im Vergleich zwischen Zypern, Heilbronn, Timbuktu oder Singapur immer noch heilig. Die Demokratiefähigkeit müssen Steinbrück und seiner Schröderpartei, fürchte ich, nochmal die wettbewerbsfähigen Wählerinnen und Wähler überhämmern, solange und so brutalstmöglich, bis diese verstanden haben dass sie für irgendeinen Kapitalistendreck nicht mehr gewählt werden.

Auch über die „Gründungsfehler“ des „Euro“ wird noch zu sprechen zu sein. Und dann darf auch die S.P.D. dementieren was sie will. Und das Recht auf einen Anwalt hat sie auch und alle ihre Funktionäre, die in Westdeutschland und später in der Berliner Republik seit dem gleichzeitigen Inkrafttreten der „Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion“ in der westeuropäischen „Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft“ und der Einführung der D-Mark in der D.D.R. am 1. Juli 1990 in leitender Funktion waren.

Steinbrück, Bundestag, 17. Januar 2013, weiter im Text:

Der Punkt ist aber: Der labile Bankensektor und die Finanzmarktkrise kommen dabei nicht vor.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Gegenteil stimmt aber nicht nur für Irland, wie Sie wissen. Das Gegenteil stimmt auch für Spanien, das übrigens vorher eine günstigere Verschuldungsquote hatte als Deutschland. Und der nächste Fall, der uns hier im Deutschen Bundestag beschäftigen dürfte, wird, wie ich befürchte, im März Zypern sein. Es hat einen Bankensektor, dessen Bilanzsumme so aufgebläht ist, dass sie fünf- bis sechsmal so hoch wie die jährliche zypriotische Wirtschaftsleistung ist. Auch andere Faktoren, die im Fall von Zypern eine Rolle spielen, werden uns in den Debatten hier noch sehr stark beschäftigen.

Das Ergebnis dieser Politik ist, dass sich die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sowie auch die anderer europäischer Länder in einer riesigen Haftungsunion befinden und vom Geschäftsgebaren einzelner Banken abhängig sind. Sie sind abhängig von Fehlentscheidungen der Risikoignoranz, der Renditejagd dieser Banken und haften in letzter Instanz. Das ist grotesk und verletzt zunehmend das Gerechtigkeitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das berührt eine Gretchenfrage der sozialen Marktwirtschaft, nämlich, ob in einer sozialen Marktwirtschaft Haftung und Risiko zusammenfallen. Deshalb sage ich häufiger, dass diese Krise nicht nur Geld und Vertrauen kosten kann, sondern eventuell auch das Vertrauen in unsere wirtschaftliche Ordnung, weil viele Menschen den Eindruck haben, dass sie die Geschädigten sind und für Schäden haften müssen, die andere verursacht haben, die aber zu deren Folgekosten nicht herangezogen werden.

Bei der Bundesregierung wird die neue Bankenunion zu einer Umwälzanlage von Kapital aus den Staatshaushalten in Bankbilanzen; denn anstatt beim Europäischen Rat Ende Juni 2012 endlich einen europäischen Abwicklungsmechanismus zu etablieren und damit die Staatshaftung zu beenden oder zumindest deutlich einzugrenzen, haben die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen zugestimmt, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus in Zukunft – jetzt kommt es – Banken direkt rekapitalisieren kann, und das, obwohl weite Teile von Ihnen im Haushaltsausschuss vorher aus einer richtigen Erkenntnis heraus explizit das Gegenteil beschlossen haben. Jetzt haften die Steuerzahler in Deutschland nicht nur für die Banken im eigenen Land – siehe das Finanzmarktstabilisierungsgesetz und Folgegesetze, die wir hier gemeinsam beschlossen haben –, sondern auch für Banken in der gesamten Euro-Zone.

Richtig ist, Sie haben eine Konditionierung vorgenommen, Herr Schäuble und Frau Merkel. Sie haben die Konditionierung vorgenommen, dass vorher eine Bankenunion geschaffen werden muss. Es fällt auf, wie lange Sie die Schaffung der Bankenunion vor sich herschieben, sodass diese Union garantiert nicht vor dem magischen Datum im September 2013 gegeben sein wird – das hätte nämlich zur Folge, dass Banken dann direkt rekapitalisiert werden könnten und eine gewisse Empörungswelle auch bei deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zu erwarten wäre –, sondern erst im Folgejahr nach der Bundestagswahl. Das ist das, was ich als Schleiertanz bezeichne, Herr Kauder.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was, so frage ich, nützt eine bessere Bankenaufsicht auf europäischer Ebene, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist und der Steuerzahler weiterhin der Haftende in letzter Instanz ist? Sagen Sie den Bürgerinnen und Bürgern im Sinne von Wahrhaftigkeit endlich, was Sie im Juni beschlossen haben. Sie haben mit Ihrer Zustimmung auf dem Europäischen Rat Ende Juni 2012 eine Staatshaftung für Bankenrisiken in Europa geschaffen.

Wer hat Frau Dr. Merkel eigentlich noch nie widersprochen? Wer war das nochmal? Und wessen kleine Wuffis von Fantompartei der Soziopathen?

„Wir brauchen, meine Damen und Herren, einen klaren Blick auf den Kern dieser Krise. Fünf Jahre nach dem Bankrott von Lehman sind die Infektionskanäle aus den Bankenbilanzen in die Staatshaushalte immer noch nicht trockengelegt. Das heißt, wir brauchen endlich einen Schutz der öffentlichen Haushalte vor den Gefahren der Finanzmärkte. Wir brauchen ein Ende der Staatshaftung, und wir brauchen eine Beendigung des Erpressungspotenzials großer, systemrelevanter Banken, die uns auch hier im Deutschen Bundestag Entscheidungen abnötigen, weil wir wissen, dass ein Scheitern dieser Banken Konsequenzen hätte, die wir dem öffentlichen Wohl schlechterdings nicht mehr zumuten können.“

Wir halten fest: der Kanzlerkandidat der S.P.D. bestätigt, dass „systemrelevante Banken“ dem Parlament von Deutschland Entscheidungen „abnötigen“ können. Aber ein „Scheitern“ dieser Banken, die unseren Staat erpressen, das hätte laut Steinbrück Konsequenzen, die man „dem öffentlichen Wohl schlechterdings nicht mehr zumuten“ könne.

Ich möchte hier nur kurz auf die kongeniale Antwort von Steinbrücks alten Koalitionskollegen Schäuble eingehen. In seiner Antwort auf Steinbrücks Rede im Bundestag sagte Schäuble an jenem 17. Januar:

„Natürlich haben wir den Fehler gemacht – wir alle, sowohl in der Regierung als auch in der Opposition; ich war auch lange genug dabei –, zu glauben: Je weniger Regulierung, umso besser für den Finanzplatz Deutschland. Am Schluss hatten wir überall auf der Welt so wenig Regulierung, dass die Finanzmärkte begonnen haben, sich ohne Regeln und Grenzen selbst zu zerstören.

Keiner wird leugnen, dass Regierungen und Banker ausschließlich Banken die Absolution der „Systemrelevanz“ erteilt haben, nicht etwa europäischen Demokratien oder das System der Demokratie selbst. Und die ist es, die hier  von den Banken und „Finanzmärkte“ zerstört wird, auch noch bestens versorgt mit „Hilfspaketen“ der Idioten die ihnen zu Füßen liegen.

Ich verweise nochmal auf die umschriebene Systematik des Raubzugs im Euro-System, das von keiner einzigen Bundestagspartei in Frage gestellt wird, im Gegensatz zum Grundgesetz, welches jede einzelne Bundestagspartei bereits in Frage gestellt hat (Chronologie).

Schäuble am 17. Januar weiter.

So ist die Wirklichkeit, und das müssen wir ändern. Es ist aber nicht getan mit einer einfachen Beschimpfung der Banken oder mit der Behauptung, dass die Finanzinstitute Infektionskanäle in die Staatshaushalte in Europa gelegt hätten. Das ist eine Verschwörungstheorie, die nun wirklich zum Himmel schreit, und zwar schreit sie nach Erbarmen.“

Zum Auftritt Steinbrücks und Schäubles und dem damit dokumentierten Bruch in der Front der Euro-Systemiker schrieb Oliver Das Gupta in der „Süddeutschen“ einen schreckensbleichen Kommentar, der tief in eine Euro-Seele blicken lässt.

Von der Aufnahme Peer Steinbrücks in die Riege der Ketzer, Verzeihung, „Verschwörungstheoretiker“ bekam die breitere Öffentlichkeit in Deutschland bislang nichts mit; genauso wenig davon, wie entsetzlich die gesamte etablierte Parteienlandschaft Deutschlands – ein Haufen finanzorthodoxer, herrschaftssüchtiger Hinterwäldler – unsere Republik mit ihren perfiden, wahnhaften Großmachtsträumereien bereits weltweit blamiert und in Verruf gebracht hat.

Zurück zum Anlass dieses Artikels: dem vom „Spiegel“ berichteten Streit zwischen E.Z.B.-Präsident Draghi und Minister Schäuble.

Dem Bericht zufolge bezeichnete Schäuble Zypern – das ist heutzutage gleichzusetzen mit „alle internationalen Banken, die sich auf dem Territorium dieses Staates befinden – als „nicht systemrelevant“. Ein Staatsbankrott Zyperns gefährde nicht das Euro-System.

E.Z.B.-Präsident Draghi, unterstützt von E.S.M-Leiter Klaus Regling und E.U.-Währungskommissar Olli Rehn, widersprach Schäuble. Die Kompetenz eines Urteils, ob ein Staat bankrott gehen dürfe, fiele nicht in die Kompetenz von Juristen wie Schäuble, sondern in die von Ökonomen. Und zweitens, Zitat „Spiegel“:

„Das Trio hielt dem Finanzminister entgegen, dass die beiden größten Banken Zyperns ein ausgedehntes Filialnetz in Griechenland unterhielten. Wären ihre Einlagen nicht mehr sicher, könnte die Verunsicherung der Sparer schnell wieder auf griechische Banken überspringen. Griechenland drohe damit ein ernsthafter Rückfall.“

Wir erinnern uns: bei den „zypriotischen Banken“ geht es um die Societe Generale, die Hellenic Bank, die UBS, die National Bank of Greece, die Eurobank, usw, usw. Die simple Namensnennung derjenigen Banken, für die die zypriotische Regierung 17 Milliarden Euro aus dem E.S.M.-Töpfchen haben will, dürfte zur Klärung des Sachverhalts beitragen. Genau deswegen haben sich bislang auch alle Beteiligten in Bundestag und Regierung davor gedrückt.

Der tatsächliche Hintergrund ist wie folgt: Merkel und Schäuble bekommen vor der Bundestagswahl für das nächste Geschenk an die Banken schlicht nicht den üblichen Allparteien-Mehrheitsautomatismus im Bundestag in Gang.

Da nicht nur Wähler von S.P.D. und Grünen, sondern auch die der Konservativen und Marktradikalen von Gemeinheit und Sozialsadismus angetrieben werden (ohne zu begreifen dass durch die Systematik des Raubzugs im Euro-System Zypern genau wie Griechenland im Zuge von „Hilfen“ schlicht auch noch zum Zinssklaven Deutschlands und der E.Z.B. gemacht wird), braucht die Merkel-Schäuble-Regierung mehr Opfer von Zypern, um die eigenen Abgeordneten bei der Stange zu halten und der Öffentlichkeit die zynische Botschaft zu verkünden, sehet her, die tun was für unsere Hilfe: sie werden „wettbewerbsfähig“.

„Wettbewerbsfähig“ heisst übersetzt: auch Zypern verkauft Staatseigentum, senkt die Löhne (bzw arbeitet der Senkung durch die Konzerne zu), senkt die Renten, senkt den Lebensstandard der Bevölkerung und entrechtet diese schließlich so weit wie möglich, dann das Parlament so weit wie möglich, bis der gesamte Staat entstaatlicht wird. So läuft es seit Jahren. Und Niemand – das bin ich – hat es nicht nur gemerkt, sondern vorausgesagt. (27.März 2010, DIE GRIECHENLAND-KRISE (III): Das “nächste Lehman Brothers” – die Entstaatlichung der Staaten)

Nun hat sich aber, wie beschrieben, Zyperns Präsident Dimitris Christofias geweigert für die erbetene Finanzierung seiner geliebten Societe Generale, Hellenic Bank, UBS, National Bank of Greece, Eurobank, usw, usw, Zypern zu entstaatlichen, um so an die „Hilfe“ für die Banken zu kommen.

Was macht Dr. Merkel und die „Europäische Volkspartei“, deren Kanzlerin von Deutschland sie ist? Sie trifft sich beim Treffen der „Europäischen Volkspartei“ (Kodename in der deutsprachigen Presse: „Europäische Konservative“) am 11. Januar auf Zypern mit Nikos Anastassiadis, dem „konservativen“ zypriotischen Präsidentschaftskandidaten, damit der Präsident der „Europäischen Volkspartei“ über Zypern wird und damit neuer Kalif der Finanzkalifen anstelle von Dimitris Christofias. Die Präsidentschaftswahl Zyperns steht im Februar an. Und wie schreibt es sich so schön im „Deutschlandradio“:

„Zypern wählt im Februar einen neuen Präsidenten. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die Geldgeber von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds vorher eine Entscheidung über ein Hilfspaket für das kleine Euroland fällen.“

Alles klar? Schäuble braucht die Drohungen gegen Zypern („nicht systemrelevant“) um dessen Präsidentschaftswahlkampf zu beeinflussen und die Republik Zypern zu erpressen. Und natürlich schnaubt Schäuble dabei in hilfloser Wut darüber, dass er im E.Z.B.-Rat keine Zwei-Drittel-Mehrheit zum Stopp des „Emergency Liquidity Assistance“ (E.L.A.) Programms zusammen bekommt, das wiederum der Zentralbank Zyperns erlaubt Geld zu drucken und es den Banken zu schenken, was wiederum bedeutet dass die Erpressung Zyperns nicht mehr funktioniert, weil die Systematik des Raubzugs im Euro-System nicht mehr funktioniert.

Es gibt in diesem nach allen Regeln der Spieltheorie (ausführliche Dokumentation zur „game theory“ hier) ausgetragenen Spiel der Mächtigen keine Guten. Eben das ist die Regel der „game theory“, dass es keine Guten gibt, sondern dass alle Menschen ausschließlich durch Selbstsucht angetriebene, fast roboterartige Wesen sind und das genau das gut ist, weil nur die Selbstsucht angeblich ein gesellschaftliches Gleichgewicht herstellen könne.

Die Psychologie und das Menschenbild des Kapitalismus regieren durch seine „Spieltheoretiker“, die versuchen die Welt entsprechend ihrer eigenen Persönlichkeit zu transformieren. Jeder, der ihr Spiel spielt, kann nur verlieren – egal ob das Spielfeld Zypern, Deutschland oder der ganze Planet ist.