Industrieprogramm „Stuttgart 21“ (S21): Trotz Verfassungsgerichts-Urteil keine Demo im Bahnhof?
Stuttgart: Mit fadenscheinigen bis absurden Begründungen will das Stuttgarter Ordnungsamt eine für Samstag, 11 Uhr angemeldete Versammlung von 30 Personen im Stuttgarter Hauptbahnhof untersagen. Die Parkschützer haben die Versammlung unter dem Titel ‚Prellbock-Aktion‘ zu Beginn der Woche angemeldet. Damit soll an die Prellbock-Posse erinnert werden, die die Bahn am Samstag vor drei Jahren als sogenannten Baubeginn von Stuttgart 21 inszeniert hat. Die Parkschützer gehen gerichtlich gegen das Versammlungsverbot vor.
Die städtische Behörde handelt mit dem Versammlungsverbot ausdrücklich entgegen dem Fraport-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Zur Begründung führt das Ordnungsamt an, die Situation sei nicht vergleichbar, da es im Stuttgarter Bahnhof keine ‚über den Reisebedarf hinausgehenden Einkaufsmöglichkeiten’ gebe – demnach zählen Spitzenunterwäsche, kiloschwere Kristallsteine und Zahnarztbesteck wohl zum üblichen Reisebedarf der Stuttgarter Verwaltungsbeamten. Allerdings widerspricht die Bahn selbst dieser Sicht der Dinge: Für ein Konzert im Bahnhof warb die Bahn letzten Sommer mit dem Slogan ‚Ihr Einkaufsbahnhof – Gute Geschäfte. Mehr erleben‘ (siehe hier).
„Nach der Prellbock-Posse vor drei Jahren nun auch noch ein Amtsschimmel, der sich über das höchstrichterliche Urteil des Bundesverfassungsgerichts hinwegsetzen will“, sagt Versammlungsleiterin Dr. Carola Eckstein von den Parkschützern. „Ginge es nicht um die Einschränkung elementarer Grundrechte, verdiente die Begründung dieses Verbots einen Ehrenplatz in jeder Komödie. Es kann nicht sein, dass nun eine Versammlung von 30 Personen zur Gefahr für Leib und Leben hochstilisiert wird, nur weil die Bahn Demonstranten und jegliche Kritik an Stuttgart 21 aus dem Bahnhof fern halten will. Der Bahnhof ist nicht nur öffentlich zugänglich, er ist sogar öffentliches Eigentum – er muss auch für öffentliche Kritik zugänglich sein!“
Fraport-Urteil und BVerfG-Presseerklärung
Das Versammlungsverbot finden Sie hier. Weitere Kommentare zur Begründung des Verbots:
– Lautsprecherdurchsagen zu Gleisänderungen, Zugausfällen, etc. gibt es nur auf den Bahnsteigen, nicht aber in der Bahnhofshalle, wo die Versammlung angemeldet ist.
– Am angemeldeten Versammlungsort steht in der Adventszeit die große Krippe und es finden regelmäßig Werbeveranstaltungen statt (z.B. Autoverlosungen).
– Die Parkschützer haben in der Vergangenheit schon oft vergleichbare Aktionen durchgeführt – immer nach Plan und ohne Zwischenfälle. Siehe z.B. hier oder hier – von einer Gefahr ‚für Leib und Leben‘ kann keine Rede sein!
– Bundespolizei und DB-Sicherheit haben die Anwendbarkeit des Fraport-Urteils schon vor einigen Wochen bestätigt: Interne Aushänge machen die Mitarbeiter darauf aufmerksam, dass das Verteilen von Flugblättern aufgrund dieses Urteils im Bahnhof erlaubt ist.