Dokumentation: Offener der Parkschützerin Carola Eckstein aus der Stuttgarter Bürgerbewegung gegen „Stuttgart 21“ (S21), Versammlungsleiterin einer vom Stuttgarter Ordnungsamt unter Missachtung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts verbotenen Versammlung am 2. Februar im Stuttgarter Hauptbahnhof, an den Ordnungsbürgermeister Dr. Martin Schairer.
Sehr geehrter Herr Schairer,
ich möchte Sie als Ordnungsbürgermeister auf folgende Vorgänge beim Ordnungsamt hinweisen, mit denen ich als Versammlungsleiterin nicht einverstanden bin:
Vor einer Woche habe ich für den gestrigen Samstag eine Kundgebung mit ca. 30 Personen im Stuttgarter Hauptbahnhof angemeldet. Geplant war eine Aktion in kleinem Rahmen, so wie wir sie in letzter Zeit öfter durchgeführt haben. Bereits Dienstag früh teilte mir eine Mitarbeiterin des Ordnungsamtes telefonisch mit, die Versammlung im Bahnhof könne nicht genehmigt werden. Trotz meiner ausdrücklichen Bitte und trotz telefonischer Zusage bekam ich jedoch weder am Dienstag noch am Mittwoch einen Verbotsbescheid, gegen den ich juristisch hätte vorgehen können.
Auch der von mir eingeschaltete Anwalt telefonierte mit der Mitarbeiterin des Ordnungsamtes, bekam auch keinen Bescheid, jedoch die Auskunft, der angemeldete Zeitraum von zwei Stunden sei zu lang. Da der genaue Zeitraum für uns eher unerheblich war, änderten wir die Anmeldung auf eine wesentlich kürzere Zeit. Donnerstag Mittag kam dann endlich ein Verbotsbescheid – der zwar u.a. die Länge der angemeldeten Versammlung bemängelte, aber die gemeldete Änderung, d.h. Kürzung nicht berücksichtigte. Ein passender Verbotsbescheid kam schließlich erst am Freitag, viel zu spät für eine gerichtliche Klärung. Das trotzdem angerufene Gericht bemängelte denn auch die kürze der Zeit und zog keines der vorgetragenen Argumente in Betracht. Für eine Berufung war es schlicht zu spät. Wäre das beim Ordnungsamt offenbar bereits Dienstag früh beschlossene Versammlungsverbot auch direkt und nicht erst am Freitag beschieden worden, so wäre ausreichend Zeit gewesen, die inhaltlichen Differenzen gerichtlich zu klären.
Nun zu den inhaltlichen Differenzen: Die Missachtung des Bundesverfassungsgerichtsurteils zu Versammlungen in Flughäfen und Bahnhöfen (Fraport-Urteil) begründet das Ordnungsamt folgendermaßen:
„Der Stuttgarter Hauptbahnhof ist im Gegensatz zur im Fraport-Entscheidung angesprochenen Örtlichkeit nicht zu Zwecken des Flanierens, Verweilens und der Begegnung geschaffen worden, sondern soll der Abwicklung des Reiseverkehrs und den damit verbundenen Einkäufen (insbesondere Schnellimbisse und Verkauf von Reiselektüre) dienen.“
– im Widerspruch dazu wirbt die Bahn selbst auf der Webseite für eben diesen Bahnhof als lebendigen Marktplatz;
„Über 40 attraktive Geschäfte laden zum Flanieren, Einkaufen, Schlemmen, Sehen und Gesehenwerden ein“,
so wörtlich. Letzteres entspricht auch der Realität vor Ort, es sei denn, das Ordnungsamt zählt kiloschwere Kristallsteine, meterhohe Grünpflanzen und Rüschenunterwäsche zum unmittelbaren Reisebedarf. Eine Uhr, Gepäckwagen oder einen Fahrplanaushang sucht man am vorgesehenen Versammlungsort vergebens. Durchsagen zu den Zügen gibt es ebenfalls nur im Bahnsteigbereich, nicht aber in der Haupthalle, um die es ging. Eine solche Argumentation vorbei an jeder Realität ist blamabel und traurig für eine städtische Behörde!
Leider ist es nicht das erste Mal, dass das Ordnungsamt das Versammlungsrecht in dieser oder ähnlicher Weise behindert. Beispielsweise habe ich bereits Mitte Dezember eine Versammlung für den 11. Februar 2013 auf dem Marktplatz angemeldet. Erst über einen Monat später – nachdem die Einladungs-Flugblätter für die Versammlung bereits gedruckt waren und die bezahlten Werbeanzeigen nur in allerletzter Minute noch geändert werden konnten – teilte mir das Ordnungsamt mit, dass der Marktplatz an diesem Tag bereits durch eine andere Veranstaltung belegt sei. Wenn im Dezember schon eine andere Anmeldung bestand, so muss es doch möglich sein, dies auch im Dezember schon mitzuteilen!
Nun kann man über die Inhalte der Versammlungen unterschiedlicher Meinung sein. Sie durch eine verschleppte Bearbeitung und die Verdrehung von Tatsachen einfach zu torpedieren, finde ich inakzeptabel und einer Behörde unwürdig, die allen Bürgern gleichermaßen verpflichtet ist. Ich möchte Sie als zuständigen Ordnungsbürgermeister bitten, für eine Bearbeitung von Versammlungsanmeldungen zu sorgen, die der Versammlungsfreiheit angemessen ist.
Mit freundlichen Grüßen,
Carola Eckstein