Mit Wirkung zum 01.03.2013 hat die Faktencheckplattform WikiReal.org, vertreten durch Marc Braun, beim Bundesministerium für Verkehr, Bauwesen, Städtebau und Raumordnung sowie dem Wohnungswesen, kurz BMVBS, nach dem Informationsfreiheitsgesetz Antrag auf Veröffentlichung der Wirtschaftlichkeitsrechnung zu Stuttgart 21 gestellt.
Wie aus einem internen Schreiben vom 29.April 2008 hervorgeht liegt dem BMVBS die im September 2006 von der DB AG aktualisierte, komplette Wirtschaftlichkeitsrechnung zu Stuttgart 21 und eine darauf basierende, im April 2007 abgeschlossene, gutachterliche Stellungnahme von Susat & Partner vor. Diese zur Klärung der Wirtschaftlichkeit von Stuttgart 21 wichtigen Unterlagen müssen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Darüber hinaus fordern wir das BMVBS auf:
· Die Wirtschaftlichkeit sowie die des Vergleichsfalls „Weiterführung des Kopfbahnhofs“ nach der damals angewandten Methodik einer Aktualisierung zu unterziehen.
· Die DB AG muss die Realisierung der NBS Wendungen – Ulm mit Anschluss an den Kopfbahnhof in die aktualisierte WR einbeziehen. Der Anschluss der NBS an den Kopfbahnhof ist planfestgestellt und die Realisierung der NBS Wendlingen-Ulm muss mittlerweile als gesichert angenommen werden kann.
· Die in die WR eingeflossenen Annahmen der DB AG müssen hinsichtlich des Mengengerüsts und dessen Bewertung, sowie Ermessensspielräume durch Dritte überprüft werden.
· Damals von der DB AG in ihre WR einbezogene Risikoübernahmen der Projektpartner, wie bspw. des Landes BW müssen korrigiert werden.
Nur auf Basis einer derart abgesicherten Wirtschaftlichkeitsrechnung und dem Verständnis der Unterschiede der Berechnungen von 2007 und heute lässt sich eine fundierte Entscheidung über den Weiterbau von Stuttgart 21 fällen, insbesondere durch die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat. WikiReal.org wird sich für die öffentliche Aufbereitung der Zahlen engagieren.
Hintergrund
Vor Unterzeichnung des sog. Memorandum of Understanding zu Stuttgart 21 im Juli 2007 forderte das BMVBS von der DB AG eine aktualisierte Wirtschaftlichkeitsrechnung zu Stuttgart 21, für die das BMVBS bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Susat & Partner eine gutachterliche Stellungnahme beauftragte. Die Wirtschaftlichkeitsrechnung geschah durch den Vergleich eines Planfalls (P-Fall) mit einem Weiterführungsfall (W-Fall), auf Basis einer Datenerhebung aus 2004. Für den Planfall wurde ein wirtschaftlicher Verlust von knapp 2 Milliarden Euro für die DB bei Durchführung des Projekts Stuttgart 21 ermittelt, für den W-Fall ein Verlust von 465 Millionen Euro für den Ausstieg aus Stuttgart 21 und die notwendigen Sanierungsmaßnahmen des Kopfbahnhofs.
Der W-Fall beinhaltete darüber hinaus keine Realisierung der NBS Wendlingen-Ulm. Zur Rechtfertigung von Stuttgart 21 aus Sicht der DB AG (ausdrücklich nicht aus volkswirtschaftlicher Sicht) ergab sich damit eine Wirtschaftlichkeitslücke, die über geplante Beiträge von 1,6 Milliarden Euro der Finanzierungspartner geschlossen werden sollte. Auch nach Einbeziehung aller Finanzierungsbeiträge ergab die korrigierte Wirtschaftlichkeitsrechnung im Falle der Realisierung von S21 jedoch schon 2007 einen Verlust für die DB AG von -24 Millionen Euro.
Der Kostenstand von Stuttgart 21 betrug zum damaligen Zeitpunkt € 2,8 Mrd., inkl. eines Risikopuffers von ca. 1 Milliarden Euro Im Rahmen der im April 2009 geschlossenen Finanzierungsvereinbarung wurden die Finanzierungsbeiträge der Projektpartner verbindlich vereinbart. Das Land BW hat seinen Finanzierungs-Anteil an Stuttgart 21 auf 930 Millionen fixiert.
Auf dieser Grundlage und auf Basis eines seriösen Vergleichs mit der Weiterführung des Kopfbahnhofs wird deutlich, dass beim aktuellen Kostenstand von 6,8 Milliarden Euro die Weiterführung des Kopfbahnhofs die bei weitem wirtschaftlichere Variante ist. Notwendige Sanierungsmaßnahmen für den Kopfbahnhof summierten sich lt. DB AG in 2007 auf lediglich 295 Millionen Euro Susat & Partner kommt dabei außerdem zum Ergebnis, dass bei der Beurteilung des WFalls die DB AG den Ermessensspielraum einseitig ausnutzt.
Bereits in 2007 wurde darüber hinaus deutlich, dass durch Stuttgart 21 in erheblichem Maß freie Eigenmittel der DB AG gebunden oder aufgezehrt werden und weitere, erhebliche Kostenrisiken bestehen, die letztlich von der der DB AG getragen werden müssten. In der Folge gehen diese zu Lasten anderer, wichtiger von der DB AG durchzuführender Schienen-Infrastrukturmaßnahmen.