Admiral Mike Mullen, General David Petraeus, General Stanley McChrystal, Admiral James G. Stavridis und weitere Top-Militärs ringen in einer ausweglosen Lage um eine Position
Präsident Obama steht den Kriegstreibern im US-Kongress, die weitere Truppen für Afghanistan fordern, gegenüber.
Diese sind bedauerlicherweise in der Mehrzahl gegenüber denjenigen, die einen Abzug fordern. Auseinandersetzungen sind unter den Abgeordneten entbrannt. Die Motive sind verschiedener Art.
Die einen fürchten den Prestigeverlust für Amerika, dass man sein Gesicht als Weltmacht verliert oder hängen einem dümmlichen Nationalstolz der Vorherrschaft über andere Völker an.
Einige können sich nicht damit abfinden, dass die grossen finanziellen Aufwendungen für den Krieg in all den Jahren mit den vielen Todesopfern umsonst gewesen sein sollen.
Nur werden diese eigenen verlustreichen Opferzahlen und die der Gegenseite weiter zunehmen, wenn man im Land bleiben wird.
Dann gibt es die Gruppe, die mehr Truppen fordert, um die jetzt in Afghanistan stationierten Soldaten vor weiteren Übergriffen zu schützen.
Andere wiederum vertreten die Interessen verschiedener Lobbygruppen, die aus finanziellem Interesse die Kriegsmaschinerie am Laufen lassen wollen. Das dürften nicht wenige sein. Militärs werden ohne Zweifel auch ihre Interessen im Kongress vertreten lassen.
Zur Zeit finden heftige Diskussionen über die Weiterführung des Krieges in der amerikanischen Bevölkerung und in Regierungskreisen statt.
Präsident Obama lehnt eine schnelle Entscheidung über die geforderte Truppenerhöhung ab und zögert sie hinaus.
Als Begründung wird die Ausarbeitung einer neuen Afghanistanstrategie genannt.
Dazu müsste man noch die verschiedenen Lageberichte und Auswertungen der Expertengruppen abwarten. Den 66 Seiten umfassenden Lagebericht zur Situation in Afghanistan von General Stanley McChrystal vom 30. August 2009 an den Verteidigungsminister Robert Gates können interessierte Leser hier studieren.
Von McChristal erwartet man einen Antrag auf Truppenerhöhung, um der katastrophalen Lage Herr zu werden. Diesen Antrag muss er über den Dienstweg an den US-Verteidigungsminister Robert Gates stellen. Dieser wiederum entscheidet, wann er dem Präsidenten vorgelegt wird.
Am Freitag trafen sich unangekündigt die ranghöchsten Vertreter des US-Militärs in der Air-Force-Basis Ramstein in Deutschland zu einer mehrstündigen Besprechung.
Diese hochkarätige Besetzung lässt erahnen, wie verzweifelt die Lage für die US-Intervention inzwischen geworden ist und nach Lösungswegen gesucht wird.
Wie es hiess, wollte man den Antrag auf Truppenerhöhung des befehlshabenden Generals der Mission in Afghanistan diskutieren, bevor er an den US-Verteidigungsminister geleitet wird.
An dieser Besprechung nahmen der Admiral Mike Mullen, chairman of the Joint Chiefs of Staff, General David Petraeus, General Stanley McChrystal, und viele andere Top-Militärs daran teil. Admiral Stavridis kam als Vertreter der NATO-Seite, teilte der US-General-Sprecher Oberstleutnant Tadd Sholtis mit.
Verschiedenen Presseberichten zufolge konnte man bisher entnehmen, das General McChrystal bis zu 40.000 für seine weitere Afghanistankrieg benötigen und beantragen würde.
Ein Militärbeamter sagte, Herr Mullen wollte im direkten persönlichen Gespräch mit dem General sich ein Bild über die Situation machen, welche Ressourcen und wie viele Soldaten er benötigt, um in Afghanistan erfolgreich zu sein. (1)
„He wanted to understand the request for himself before it arrives in Washington and he is asked to discuss, defend it.“
In der Nacht zum Samstag flog Admiral Mullen mit Kopien des Antrages in die USA zurück.
Verteidigungsminister Robert Gates hatte angekündigt, den Antrag auf Truppenerhöhung dem Weissen Haus erst vorzulegen, wenn dazu der richtige Zeitpunkt wäre, sagte ein Pentagon-Sprecher. Vorher wäre er zu verfrüht und wird erst in Betracht gezogen, wenn das Weisse Haus und das Pentagon zu einer gemeinsamen Bewertung der Lage gekommen sind.
Das US-Militär ist kein monolithischer Block. Diese Feststellung machte Präsident Obama, als es jetzt darum geht, abzuwägen, ob mehr Truppen nach Afghanistan gesendet werden. General George W. Casey Jr., der Generalstabschef der Armee, bezweifelt, dass es genug Kapazitäten gibt. Dazu ist der Kampf zu aussichtslos geworden. Auch mehrere zivile Berater, deren Meinung der Präsident sehr respektiert, äusserten die grössten Bedenken. (2)
Innerhalb des Militärs ist jetzt eine heftige Debatte darüber ausgebrochen, ob die Strategie der Aufstandsbekämpfung, die von General David H. Petraeus im Irak eingesetzt wurde und von General McChrystal vertreten wird, überhaupt ihre Wirksamkeit in Afghanistan zeigen würde.
Colin L. Powell hatte eine lange Unterredung mit Präsident Obama und drückte seine grosse Skepsis dabei aus, dass mehr Truppen an der Lage etwas ändern würden.
Senator John F. Kerry and Senator Jack Reed raten dem Präsidenten ebenfalls davon ab, da sie keinen Nutzen und Klugheit für das Entsenden sehen. Senator Kerry, Demokrat für Massachusetts and chairman of the Foreign Relations Committee warnte vor dem gleichen Schicksal wie in Vietnam.
Vizepräsident Joseph R. Biden verteidigt eine alternative Strategie zur Truppenverstärkung. Rahm Emanuel, chief of staff und General James L. Jones, der Nationale Sicherheitsberater, äusserten sich nur unklar und hatten keine eindeutige Meinung, sagten einige Leute aus, die mit ihnen darüber gesprochen hatten. (3)
Wie es hiess, holte sich der Präsident auch die Meinungen von Hillary Rodham Clinton und Richard Holbrooke, dem Sonderbeauftragten für Afghanistan und Pakistan ein.
Etwa die Hälfte aller Amerikaner sprechen sich nach einer am Freitag veröffentlichten Umfrage gegen eine Truppenaufstockung in Afghanistan aus. Die New York Times/CBS News-Umfrage ergab, dass nur 29 Prozent der Befragten glaubten, die USA sollten Truppen in Afghanistan hinzufügen, gegenüber 42 Prozent im Februar. Die Umfrage, die vom 19. bis 23. September durchgeführt wurde, hat eine Fehlerquote von 3 Prozentpunkten. (4)
NBC-Reporterin Andrea Mitchell sagte, dass in der Öffentlichkeit widersprüchliche Angaben zu der Zahl der Anforderung der Truppenstärke in dem Bericht von General Stanley McChrystal vorliegen. Spekuliert wird dort von einer Zahl zwischen 10000 bis 40000 Mann. (5) Sie sagte
„The numbers are really pretty horrifying. What they say, embedded in this report by McChrystal, is they would need 500,000 troops – boots on the ground – and five years to do the job. No one expects that the Afghan Army could step up to that. Are we going to put even half that of U.S. troops there, and NATO forces? No way!“
General Stanley McChrystal hatte angegeben, dass mindestens fast eine halbe Million bewaffneter einheimischer Kräfte notwendig wären, das Land unter eine einigermassen funktionierende Kontrolle zu bekommen.
Dass das ein unerreichbares Ziel bleiben wird, wissen sowieso alle Beteiligten. Afghanistan hegt und pflegt die meisten Mohnfelder auf der ganzen Welt und unter den fürsorglichen Augen der ISAF gedeihen sie besonders prächtig, um bloss keinen Clanführer zu verprellen und kräftig mit zu kassieren. (8)
Afghanistan braucht eine andere Strategie der Westmächte, anstatt immer mehr afghanische Soldaten und Polizisten zu versuchen zu rekrutieren, die nur wieder neue Gewalt provozieren. Je mehr ausländische militärische Truppen in das Land gesandt werden, umso grösser wird der Widerstand und die Opfer werden.
Nach dem jüngsten UN-Bericht starben in den letzten acht Monaten eintausendfünfhundert Zivilisten, ein Viertel davon allein nur durch Luftangriffe des US-Militärs, sagte Adrian Edwards, der UN-Sprecher in Afghanistan. Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) sagte, dass die Ermittler Beweise für angebliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Afghanistan studieren. (7)
„You know, the favorite saying…‘To a man with a hammer, everything looks like a nail.‘ We can‘t walk with only a hammer in our hands.“
sagte Andrea Mitchell und hat vollkommen recht. Die USA müssen ihren Hammer aus der Hand legen. Und nicht nach Pakistan werfen und hinterher rennen, um ihn dort wieder in die Hand zu nehmen! (6) Er könnte zum Bumerang werden.
Vietnam, Afghanistan, Pakistan – diese unrechtmässigen US-Kriege sind zum Scheitern verurteilt.
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21.09.2009 Truppenerhöhung in Afghanistan: Obama blockt ab
20.09.2009 CIA und Special Operations Forces: letzter Gewaltakt der Verzweiflung in Afghanistan
20.09.2009 General Petraeus baut sich eigenen Geheimdienst in Afghanistan/Pakistan auf
30.01.2009 Meuterei in der NATO: Die Craddock-Affäre und das Opium Afghanistans
06.08.2009 Afghanistan-Krieg vor dem Ende?
Quellen:
(1) http://www.foxnews.com/politics/2009/09/25/aides-mullen-likely-sign-afghanistan-troop-request/
(2) http://www.msnbc.msn.com/id/33036093/ns/world_news-the_new_york_times/
(3) http://www.nytimes.com/2009/09/27/world/asia/27military.html?_r=1&partner=rss&emc=rss
(4) http://www.msnbc.msn.com/id/33016210/ns/world_news-south_and_central_asia/
(5) http://www.presstv.ir/detail.aspx?id=107188§ionid=351020403
(6) http://www.focus.de/panorama/vermischtes/pakistan-mindestens-zehn-tote-durch-raketen-beschuss_aid_438931.html
(7) http://www.presstv.ir/detail.aspx?id=107213§ionid=351020403
(8) http://www.radio-utopie.de/2009/01/30/meuterei-in-der-nato-die-craddock-affaere-und-das-opium-afghanistans/