Aufruf an die griechische Öffentlichkeit im deutschsprachigen Raum
Am 21.11.2012 habe ich beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag Anzeige erstattet gegen unbekannt wegen des Verdachts des Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch vorsätzliche und gleichzeitig systematische und groß angelegte Schädigung der Gesundheit der griechischen Bevölkerung (Art.7 Abs. 1 lit. k Römisches Statut).
Jeder hat das Menschenrecht auf das für den jeweiligen Menschen erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit (Art. 12 UNO-Sozialpakt). Außerdem wird das Recht auf Gesundheit geschützt für Frauen durch Art. 12 UNO-Frauenrechtskonvention (CEDAW) und für Kinder durch Art. 24 UNO-Kinderrechtskonvention (CRC). Außerdem müssen Kinder gem. Art 19 CRC vor Schäden geschützt werden. Daraus folgt, dass beim Recht auf Gesundheit weniger gespart werden darf als bei jedem anderen sozialen Menschenrecht.
Ich habe die Strafanzeige bewusst gegen unbekannt gerichtet, weil in den Entwurf und die Entscheidung über die Auflagen in Zusammenhang so viele Personen involviert sind (darunter die Troika aus EU-Kommission, IWF und EZB, die Eurogroup Working Group der Finanzstaatssekretäre, die diesen vorgesetzten Finanzminister und zahlreiche externe Berater und Lobbyisten), dass vermutlich erst die Unterlagen über das Zustandekommen der Auflagen sowie Zeugenaussagen dazu Klarheit bringen werden, welche Personen konkret verantwortlich sind für die Auflagen, welche zur Schädigung der Gesundheit so vieler Einwohner und Bürger Griechenlands geführt haben.
Mir geht es darum, dass die Schuldigen ermittelt und zur Rechenschaft gezogen werden, und dass zumindest die Schädigung der Gesundheit der Griechen durch die Sparmaßnahmen beendet, sowie dass den Einwohnern anderer Staaten zumindest die Schädigung ihrer Gesundheit erspart bleibt.
Ich habe in meiner Anzeige Zusammenhänge gezeigt zwischen konkreten Auflagen sowie deren Folgen für den Hunger und die Schädigung des Gesundheitswesens in Griechenland, zum Teil mit Bezugnahme auf bereits durch Herrn Georgios Tragkas und dessen Kollegen eingereichte Beweismittel.
Nach den mir bisher vorliegenden Informationen sind die Gesundheitsschädigungen vor allem durch die Kürzungen im Gesundheitswesen und die Verursachung von Unterernährung, aber auch durch die Verursachung von Obdachlosigkeit und fehlende Mittel zur Beheizung von Wohnungen entstanden.
Die bisher eingereichten Beweismittel bewegen sich alle auf einer abstrakten Ebene. Was vor allem noch fehlt, sind Zeugenaussagen konkreter Einwohner Griechenlands, deren Gesundheit durch die Sparmaßnahmen geschädigt worden ist. Auch Zeugenaussagen von Freunden und Verwandten von Griechen, die gestorben sind auf Grund von Gesundheitsschädigungen, die durch die Sparmaßnahmen verursacht sind, oder die Selbstmord begangenhaben auf Grund der Auswirkungen der Sparmaßnahmen, sind wichtig.
Es geht darum, nicht nur abstrakte Zahlen, Paragraphen und Statistiken zu zeigen, sondern dem IStGH auch die menschliche Seite zu zeigen. Es geht darum, aus der Opferrolle heraus zu kommen und selbst durch die Aussage aktiv zur Aufarbeitung beizutragen. Es geht darum, dass außer Journalisten und Menschenrechtlern vor allem auch die Geschädigten selbst in möglichst großer Zahl aussagen und so aktiv für die Aufarbeitung eintreten.
Und da benötige ich zur Beweisführung Ihre Hilfe durch Ihre Zeugenaussage direkt an den IStGH in Den Haag in englischer Sprache und mit Bezugnahme auf das Aktenzeichen OTP-CR-345/12.
Nach Art. 15 Römisches Statut kann jeder beweisdienliche Informationen zu Fällen des mutmaßlichen Vorliegens von Straftatbeständen nach dem Römischen Statut einreichen.
Die Anschrift for die Zusendung von Beweismitteln an den Internationalen Starfgerichtshof ist laut dessen Webseite:
International Criminal Court
Information and Evidence Unit
Office of the Prosecutor
Post Office Box 19519
2500 CM The Hague
The Netherlands
fax: +31 70 515 8555.
Das Beweisthema ist die Schädigung der Gesundheit durch konkrete Sparmaßnahmen. Bitte beschreiben Sie darin, ab wann durch welche Maßnahme Ihrer Gesundheit Schaden zugefügt worden ist.
Das kann sich beziehen auf Medikamente oder ärztliche Leistungen, die nicht mehr oder nur noch mit unerschwinglichen Zuzahlungen oder nicht mehr in erreichbarer Nähe zur Verfügung gestellt werden.
Wenn Sie unterernährt sind, kommt es für Ihre Aussage darauf an, durch welche Kürzungen (z. B. von Rente oder Gehalt) Sie ab wann nicht mehr genug Mittel gehabt haben, sich ausreichend zu ernähren. Auch wenn es an der Lockerung des Kündigungsschutzes oder an einem deutlichen Anstieg bestimmter Lebenshaltungskosten liegt, ist ihre Aussage wichtig.
Bitte sagen Sie auch aus, wenn Sie nur deshalb nicht unterernährt sind, weil sie von karitativen Organisationen unterstützt werden.
Wenn Sie obdachlos geworden sind oder aus Geldmangel in einer unbeheizten Wohnung leben müssen, geben Sie bitte an, ab wann Sie durch welche Kürzungen die erforderlichen Mittel nicht mehr aufbringen konnten.
Falls möglich, fügen Sie Ihrem Schreiben an den IStGH bitte auch Fotokopien von Belegen bei, die zeigen, dass mit Ihren verfügbaren Mitteln notwendige Kosten für Nahrung, Wohnung oder Gesundheit nicht mehr bezahlt werden konnten.
Falls Sie Indizien haben, ab wann die Personen, welche die Auflagen für Griechenland erstellt oder über diese entschieden haben, gewusst haben müssen, was sie der Gesundheit der Bürger und Einwohner Griechenlands damit antun, informieren Sie den IStGH und auch mich bitte auch über diese. Denn ein Verbrechen an der Menschlichkeit (Art. 7 Römisches Statut) liegt erst bei einem Grad an Vorsatz vor, dass man weiß bzw. wissen muss, was man anrichtet, und es trotzdem tut.
Jede Aussage mit beweisdienlichen Informationen über die Schädigung der Gesundheit konkreter Personen durch die Auflagen ist ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung. Je mehr beweisdienliche Aussagen eingehen, desto mehr wird außerdem ein Signal gegenüber dem IStGH gesetzt, dass es den Bürgern und Einwohnern Griechenlands wichtig ist, der Aufklärung der Verantwortlichen für die Schädigung ihrer Gesundheit und auch der Abschreckung gegenüber weiteren Schädigungen eine hohe Priorität beizumessen.
Die Bürgerrechtlerin Sarah Luzia Hassel-Reusing ist Mitbetreiberin von Unser Politikblog, wo auch der Aufruf erschien.