Vereinigte Staaten von Amerika: Justiz muss Polizei zur Einhaltung der Verfassung zwingen – Michael Bloomberg kündigt Widerstand an.
Bundesrichterin Shira A. Scheindlin gab heute ihre Entscheidung über die jahrelange Praxis („Stop-and-Frisk Practice“) der immer wieder in die Schlagzeilen geratenen berüchtigten Polizeibehörden in New York bekannt, dass heisst, das willkürliche Anhalten und Durchsuchungen von Passanten im öffentlichen Raum. Diese wurden mit der Polizeitaktik im Checkpoint-Stil durchgeführt in der Absicht, mit Abschreckung durch Gewehre Minderheiten von den Strassen fernzuhalten.
Tausende von Bürgern hatten sich beschwert und Eingaben an das Jusitzministerium eingereicht. Scheindlin bescheinigte nach Einleitung eines Untersuchunsverfahrens der Stadt, dass sie ein indirektes „rassistisches Profiling“ angewendet hat.
Auch in Deutschland werden in zunehmenden Maße Bürger, die nicht das entsprechende Outfit konservativer Vorstellungen tragen (a lá bunte weite Kleidung tragende Dreadlocks-Männer sind notorische Kiffer) oder von Geburt aus keine bleiche Haut besitzen, mit Taschenkontrollen in den Städten konfrontiert.
Scheidlin stellte in ihrer 195 Seiten umfassenden Entscheidung im Prozess „Floyd v. City of New York“ fest, dass die Polizisten systematisch seit Jahren unschuldige Menschen nach „rassischen Gesichtspunkten“ auf der Strasse ohne objektiven Grund anhalten, bei denen sie Fehlverhalten vermuten. Die meisten sind junge Leute der Minderheiten, die wegen Verdacht auf Waffenbesitz oder Drogen gefilzt werden, obwohl seit über zehn Jahren die Kriminalitätsrate rückläufig ist.
Afroamerikaner und Hispanics wurden eher mit der Anwendung von Gewalt als Weisse konfrontiert, trotz der Tatsache, dass „bei den Weissen eher Waffen oder Schmuggelware zu finden sind.“
Die vom Gericht bestellten Statistik-Experten kamen nach Auswertung der schriftlichen Papiere der Polizeibehörde zu der Schlussfolgerung, dass zwischen 2004 und Mitte 2012 4430000 Überprüfungen von Bürgern auf den Strassen von New York erfolgten.
Diese unbegründeten Durchsuchungen verstossen gegen den 4.Zusatzartikel der Verfassung und sowohl auch gegen den 14.Artikel (Gleichbehandlung der Bürger). Die Richterin wies das Argument der Stadt zurück, dass in Stadtgebieten, die vorwiegend von Minderheiten bewohnt werden, eine höhere Kriminalität vorherrscht und deshalb dort auch mehr Strassenkontrollen vorgenommen werden.
Die Richterin vom United States District Court for the Southern District of New York stützte sich auf die Ergebnisse einer zweimonatigen aussergerichtlichen komplexen Analyse einer Studie, die vom Bundesbezirksgericht Manhattan in Auftrag gegeben wurde. Dutzende Kläger hatten ausgesagt, dass ihre Begegnungen mit der Polizei ihnen das Gefühl gab, dass sie nicht in bestimmte Gebiete der Städte gehören. Sie empfanden jedes Anhalten als eine „erniedrigende und demütigende Erfahrung“.
Scheindlin ermittelte, dass die New Yorker Polizei die Befugnisse überschritten hatte und dass die Beamten zu schnell einer Person verdächtiges Verhalten zuordneten, die perfekt unschuldig war. Die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Normen für ein Anhalten wurde verwässert. Bei etwa 88 Prozent der gestoppten Personen kam es zu dem Ergebnis, dass die Polizei diese weiter gehen liess, ohne dass es zu einer Verhaftung oder Bußgeld kam – ein Prozentsatz, der so hoch ist, suggeriert, das es keinen glaubwürdigen Verdacht gab, bei der Person an erster Stelle Kriminalität zu vermuten.
Weiterhin hatte die Richterin auch festgestellt, dass die höheren Beamten auf beiden Augen blind sind, wenn diskriminierende Übergriffe durch die Beamten erfolgten und deckten diese.
„Niemand sollte mit der Angst leben, dass er angehalten wird, wenn er sein Haus verlässt, um den Aktivitäten des täglichen Lebens nachzugehen“, heisst es in der schriftlichen Begründung.
Völlig verbieten kann das Gericht diese Strassenkontrollen nicht, denn der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat vor langer Zeit entschieden, dass diese verfassungsrechtlich unter bestimmten Bedingungen zulässig sind. Der Sinn der heutigen Urteilsfindung ist sicherzustellen, dass die Praxis in einer Weise durchgeführt wird, die die Rechte und Freiheiten aller New Yorker unter dem immer noch dringend benötigten Polizeischutz garantiert.
Um in Zukunft rassistische Übergriffe der Polizei durch die Justiz zu überwachen, wird ein unabhängiger externer Beobachter im Auftrag des Gerichts das New York Police Department überprüfen. Dazu wurde der Anwalt Peter L. Zimroth, derzeitiger Partner im renomierten New Yorker Büro von Arnold & Porter, LLP und ehemaliger Anwalt und Staatsanwalt in der Staatsanwaltschaft von Manhattan bestellt.
Weiterhin verdonnerte das Gericht die grösste Polizeibehörde der U.S.A. dazu, Bürgerversammlungen zum Thema in den einzelnen Stadtteilen durchzuführen, um den Bewohnern Auge in Auge Rede und Antwort zu stehen, wie das zukünftige verfassungsgemässe Verhalten der Polizisten gewährleistet wird.
In einem Pilotprojekt müssen Polizeibeamte in mindestens fünf Bezirken Kameras am Körper tragen um ihr eigenes Verhalten auf der Strasse zu dokumentieren.
Bürgermeister Michael Bloomberg gab bei Bekanntgabe der Anordnungen des Gerichts an, um 13.00 Uhr (Ortszeit) eine Pressekonferenz durchzuführen, um dazu eine Stellungnahme abzugeben. Er sagte, dass mit diesem Urteil gegen die Stadt kein fairer Prozess stattfand und kündigte eine Berufung gegen das Urteil an.
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Quelle: http://www.nytimes.com/2013/08/13/nyregion/stop-and-frisk-practice-violated-rights-judge-rules.html