Barrieren bei Stuttgart 21 unvermeidlich

Presseerklärung der Initiative Barriere-Frei,

Laut Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie („Wirtschaftsfaktor Alter“, Faktenblatt 4“) ist Barrierefreiheit für 10% der Bevölkerung zwingend erforderlich, für 40% notwendig und bedeutet für 100 % Komfort und einen Qualitätsnachweis. Es gehe also nicht allein um Rollstuhlfahrer, sondern um die Hälfte der Bahnkunden, sagt Cornelia Single, die auf längere Strecken selbst auf einen „Rolli“ angewiesen ist.

Man sollte also davon ausgehen, dass ein neu geplanter und milliardenteurer Großstadtbahnhof nicht nur einen optimalen oder größtmöglichen, sondern umfassenden Komfort bietet. Sicherheitsmaßnahmen dürfen nicht nachrangig berücksichtigt werden und Barrierefreiheit vorbildlich und zukunftsfähig in allen Bereichen zu 100% ausgeführt werden.

Als 1996 über Stuttgart 21 abgestimmt wurde, war auch zur möglichen oder unmöglichen Barrierefreiheit nichts bekannt, sagt Gerd Weimer, der damalige Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Baden-Württemberg, inzwischen Landesbehindertenbeauftragter Baden-Württemberg.

Politiker informieren sich nicht hinlänglich, sondern vertrauen der DB blind, beklagt Cornelia Single. Ute Vogt (SPD) teilte ihr mit: „Bitte haben Sie Verständnis, dass es nicht viel bringt, wenn ich alle Ihre Punkte versuchen würde, nachzuprüfen. Zum einen ist das technisch und praktisch nicht möglich. Ich vertraue darauf, dass der Bahnhof richtig gebaut wird.“

Der Dachverband integratives Planen und Bauen e.V. (DIPB), der die Behindertenverbände bei Stuttgart 21 vertritt, diskutiert die Problemfälle mit der DB, nimmt aber stillschweigend hin, wenn die korrekte Darstellung von Barrierefreiheit schlichtweg nicht möglich ist. Unerklärlich ist, wie der DIPB den Stuttgart21-Bahnsteigengen zustimmen kann, wenn er doch selbst in seiner „Checkliste für Neubauten öffentlicher Gebäude“ Wegbreiten von 1,50 m fordert.

Die Bahn hingegen wiederholt gerne: „Wir haben es mit den Behindertenverbänden besprochen.“ So auch im Fall der Tunnel-Fluchtwege, die jedoch wie auch der Brandschutz im Tiefbahnhof niemals auf der Tagesordnung des DIPB standen.

Ein halber Quadratmeter Bahnsteigfläche pro Person ist für einen Großstadtbahnhof in der Rush hour unvorstellbar. Engstellen mit Gehspuren weniger als einem halben Meter, in denen sich gerade Aufzugnutzer mit Kofferkuli, viel Gepäck, Kinderwagen, Rollatoren und Rollstühlen begegnen, haben mit Barrierefreiheit nichts zu tun. Eine Sondergenehmigung des Eisenbahnbundesamtes. Eine Verbreiterung ist aufgrund der begrenzten Schneise zwischen Bonatzbau und LBBW nicht möglich. Die Sondergenehmigung des Gefälles in Höhe des Sechsfachen der Regel ignoriert die Risiken. Durch Brandschutz-Maßnahmen würden sich allerdings die genannten Engstellen um weitere 20 Zentimeter verringern.

Die erste Personenstromanalyse war, wie Christoph Engelhardt von wikireal ausführlich erläutert, grob fehlerhaft erstellt: Zum Beispiel ohne Berücksichtigung des Personenaufkommens in der Rush hour mit vier zeitnah ankommenden Züge pro Bahnsteig, ohne Einbeziehung von Menschen mit viel Gepäck, Kofferkuli, Kinderwagen etc. und ohne die Relevanz der Bahnsteig-Engstellen. Dass die im März 2013 neu erstellte Simulation nicht veröffentlicht wurde, stellt wieder einmal die Transparenz in Frage und erweckt den Eindruck, dass hier weiter gemauschelt wird.

Offen sei auch die Frage, so Hans Heydemann von den Ingenieuren 22, ob die DB den Brandschutz tatsächlich so ernst nimmt, wie sie ständig beteuert. Werden die Treppenblöcke und Verteilerstege umhaust, damit Rauch nicht die Fluchtwege abschneidet? Beim Kopfbahnhof stellt sich diese Frage nicht, denn der Rauch würde ungehindert abziehen und Mobilitätseingeschränkte könnten sich ohne auf fremde Hilfe angewiesen zu sein durch den geöffneten Nordausgang und die Bahnsteige ins Freie retten.

Zwar wurden seit über 20 Jahren von der Stadt Stuttgart für Renovierung und Nachbesserung des Kopfbahnhofs Millionen an die DB gezahlt, aber nichts geschah. Selbst Leitlinien für Blinde fehlen bis heute. Stuttgart 21 wird Murks für viel Geld, sagt
Cornelia Single, und kann niemals so komfortabel, sicher, barrierefrei werden wie der Kopfbahnhof für wenig Geld schon längst sein könnte. Beim bestehenden Bahnhof könnten die Bahnsteige sogar locker noch um die Postbahnsteige verbreitert
werden.

Die Presseerklärung, sowie eine detaillierte Zusammenfassung der wichtigsten Projektmängel bei Stuttgart 21 bez. Sicherheit und Barrierefreiheit, als PDF.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert