Analyse zur U.N.-Resolution: Eine umfassende Kriegsvollmacht gegen Syrien

Wie vor der Invasion Libyens berufen sich die Vereinigten Staaten von Amerika auf das Angriffskriege verbietende Kapitel VII der 1945 beschlossenen U.N.-Charta um einen Angriffskrieg zu führen. Und Russland stimmt dem Resolutionsentwurf zu.

Als ich am 18. März 2011 den Artikel „Analyse zur UN-Resolution: Eine umfassende Kriegsvollmacht gegen Libyen“ schrieb, behielt ich Recht und Zehntausende, vielleicht Hunderttausende, verloren ihr Leben. Sie wurden ermordet, verschwanden in Kerkern und Folterkellern und, wenn das nicht geschah, verloren als Opfer eines weiteren imperialistischen Angriffskrieges der Vereinigten Staaten von Amerika, mit deren ganzen assoziierten Staatsklonen, Kolonien, abgetakelten ex-Imperien, Kirchenstaaten, Monarchien und Ablegern im Schlepptau, den bis dahin in Libyen geltenden höchsten Lebensstandard in Afrika für die ruchlose Herrschaft von Kriegsfürsten, deren erste Handlung nach der faktischen Genehmigung des U.N.O. Sicherheitsrates für eine Invasion Libyens die Gründung einer Zentralbank und eines Konsortiums für die anlaufenden Ölexporte am 19. März 2011 gewesen war, denen dann die U.S.-Regierung Tage später ihren Dollarsegen gab.

Die Verantwortung für all das trägt, bis heute, die Russische Föderation. Sie lädt sich gerade eine neue Schuld auf die Schultern.

Ich wiederhole, was ich vor zweieinhalb Jahren schrieb.

Kapitel VII der am 26.Juni 1945 aus immer noch bekannten Gründen beschlossenen UN Charta wendet sich gegen Handlungen, die eine “Bedrohung des Friedens, Brüche des Friedens und Akte der Aggression” darstellen. Wörtlich heisst es in Artikel 39, Kapitel VII, UN Charta:

“Der Sicherheitsrat soll die Existenz irgendeiner Bedrohung des Friedens, eines Friedensbruchs oder Aktes der Aggression feststellen und soll Empfehlungen aussprechen, oder entscheiden, welche Maßnahmen unternommen werden sollen, in Übereinstimmung mit Artikel 41 (Anm.: nichtmilitärische Maßnahmen, wie Abschaltung der Kommunikations-Infrastruktur) und 42 (Anm.: militärische Maßnahmen), um internationalen Frieden und Sicherheit wieder herzustellen oder zu erhalten.”

Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen dient also dazu solche Angriffskriege zu verhindern, wie sie im Zweiten Weltkrieg Europa und Teile von Asien und Afrika verwüstet hatten und allein 20 Millionen Menschen in der damaligen Sowjetunion das Leben kostete, kurz vor dem Beschluss dieses Völkerrechtsvertrages.

Die U.S.A. benutzen Kapitel VII der U.N.O. Charta um solche Kriege zu führen. Wie bekannt, wenn man lesen kann, in Libyen.

Wir lesen nun den Entwurf einer Resolution des Sicherheitsrates der Organisation der Vereinten Nationen, auf den sich gestern die Russische Föderation und die Vereinigten Staaten von Amerika, namentlich die Außenminister John Kerry und Sergej Lawrow bei ihrem kurzfristig angesetzten Treffen in New York, geeinigt haben:

„21. Entscheidet, im Falle einer Nichteinhaltung dieser Resolution, eingeschlossen dem unautorisierten Transfer von Chemiewaffen, oder jedwedem Gebrauch von Chemiewaffen durch irgendwen in der Syrischen Arabischen Republik, Maßnahmen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen zu verhängen.

Im Klartext: die Invasoren setzen einfach nochmal Giftgas ein und die U.S.A. haben, wie vor der Libyen-Invasion, ihre lang vermisste Kriegsvollmacht der U.N.O. für eine offizielle Invasion Syriens mit regulären Streitkräften. Alles andere im Resolutionsentwurf gerinnt so zu Geschwafel.

Wer da sitzt, wie Sergej Lawrow bei der „Washington Post“ am 25. September, und erklärt, dass die Russische Föderation einer U.N.-Resolution unter Bezug auf Kapital VII ausdrücklich zustimmt und dann noch erzählt, es gäbe Beweise für einen Chemiewaffeneinsatz durch die Invasoren a.k.a. „Rebellen“ und zwar „im Internet“ – was soll man von dem halten?

Der Sprecher von Lawrows eigenem russischen Außenministerium äußerte am Tages des Kriegsverbrechens, am 21. August:

Am frühen Morgen des 21. August wurde eine improvisierte Rakete aus von Militanten gehaltenen Positionen gestartet, welche ähnlich derjenigen war, die von Terroristen am 19. März Khan al-Asal benutzt worden war, mit einer gegenwärtig unbekannten chemischen giftigen Waffe.”

Wo hatte das Außenministerium der Russischen Föderation das nur im Internet gelesen?

Bis heute hat Moskau keine Satelliten-Daten als Gegenbeweise für die seitens der U.S.-Regierung behaupteten Beweise aus „Signalen und Geodaten“ und „Erfassungen von Satelliten“ (“satellite detections”) herausgerückt, die angeblich einen Einsatz von Chemiewaffen durch das Regime Syriens belegen.

Warum hat das die russische Regierung bislang nicht getan? Der einzig logische Schluss: um den u.a.-amerikanischen „Partnern“ bei Kriegsverbrechen, Massakern und imperialistischen Angriffskriegen nicht zu schaden.

Die U.S.-Politik wird nicht durch Personen bestimmt. Sie wird von „Generations-Projekten“ „determined“, festgelegt, als unwiderrufliches Dogma eines Imperiums was sich vorgenommen hat um keinen Preis zu verlieren, weil es damit „sein Gesicht“ verliert. Das Gesicht „Amerikas“ ist eine Fratze. Es ist eine Fratze von Mord und Totschlag, von Ausbeutung und Verrat, von maximalem Zynismus und einem Abgrund von allem Schlechten und Hässlichen in der Welt. Sollte „Amerika“ diese Fratze verlieren, wem sollte das wohl schaden?

Es gibt hinter der Fratze des U.S.-Imperiums und seiner herrschenden Kreise – und darüber reden wir hier, nicht über das Volk der Vereinigten Staaten von Amerika, nicht über 300 Millionen Untertanen, faktisch ohne politische oder gesellschaftliche Repräsentanz und Relevanz – noch etwas anderes. Seymour Hersh sprach darüber mit dem „Guardian“, das Interview wurde heute veröffentlicht. Möge er Erfolg haben. Ich für meinen Teil habe „Amerika“ aufgegeben.

Zu Retten ist alte „Amerika“, die Republik U.S.A., nicht mehr durch sich selbst, das ist vorbei. Die Vereinigten Staaten werden nur dann anhalten in ihrem Wahn, wenn sie auf Widerstand treffen. Erst dann wird der kranke Mann am Hudson River wieder zu Besinnung kommen. Nur dann. Wenn er geschlagen am Boden liegt und um Verzeihung fleht und wimmert, für das, was er der Welt angetan hat.

Wenn nun die Russische Föderation auch Syrien opfert – ob für Profit, Geschwätz, Öl, Deals, das ist irrelevant – wird der von den U.S.A. vor 12 Jahren begonnene Terrorkrieg weitergehen. Und er wird solange weitergehen, bis er von jemandem gestoppt wird der nicht fällt.

Die Syrer sterben in diesem Terrorkrieg. 100.000 sind es bereits. So wie es jetzt aussieht, werden es noch mehr. Nach einem Einmarsch der Invasoren in Damaskus – ob nach einem Aufhübschen durch Abtrennung von offiziell terroristischen Milizen oder nicht, spielt geostrategisch keine Rolle –  wird sich der Krieg weiter ausdehnen und die durch die Kriegsgewinnler so sehnlich erhoffte „Renaissance“ („Wiedergeburt“) antreten. Der Staat Syrien wird aufhören zu existieren. Im Norden Syriens werden die Kurden, in Zusammenhang mit dem bereits durch den ersten Irak-Krieg 1991 faktisch unabhängigen irakischen Kurdistan, unweigerlich in militärische Konfrontationen mit dem neo-imperialistischen und neo-ottomanischen Regime Tayyip Erdogans über die Republik Türkei hinein gezogen. Der Libanon wird explodieren. Die Invasionsstreitkräfte, mit ihrer als UNIFIL getarnten und durch den gescheiterten Angriffskrieg Israels auf den Libanon in 2006 in Stellung gebrachten Vorhut, stehen schon bereit. In Israel werden die 18 Familien, die das Land beherrschen, erleichtert aufatmen, weil sie durch einen neuen Krieg in der Nachbarschaft und der damit einhergehenden vermeintlichen oder tatsächlichen Bedrohung der israelischen Zivilbevölkerung weiter jedwede politische, soziale, rechtliche und gesellschaftliche Reform im Inland hinauszögern und vorerst abermals neutralisieren können. Iran wird unweigerlich ebenfalls in die militärischen Entwicklungen hineingezogen werden, deren Dynamik kein einziger Parteifunktionär tatsächlich beeinflussen kann, wenn sie erst einmal an Fahrt gewonnen haben.

Syrien, mit welchem Regime auch immer, hat diesen Krieg nicht begonnen. Es wurde angegriffen. Es hat das Recht sich zu verteidigen. Sollte es verlieren, würde nichts auf der Welt besser, sondern ausschließlich schlimmer.

Ich wünsche Syrien den Sieg im Krieg. Nichts weniger. Und ich werde nach Kräften dazu beitragen.

(…)

Rechtschreibung korrigiert am 22.09.2014. Der Inhalt wurde nicht verändert.