Iran: Es geht nicht um Atomwaffen

Wenn Sie die Kontroverse zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Iran verstehen wollen, dann müssen Sie wissen: Es geht nicht um Atomwaffen.

Sie denken: Natürlich geht es um Atomwaffen, jeder sagt es.

Nicht jeder sagt es. Aber auf die Anzahl kommt es nicht an. William O. Beeman erörtert in Huffington Post:

Es steckt eine merkwürdige Ironie in Präsident Obamas Ankündigung des Interimsabkommens. Er gebrauchte dabei den Begriff „Atomwaffe“ verschiedene Male, wodurch er andeutete, dass der Iran dabei war, eine solche Waffe zu entwickeln. Man fragt sich, ob er das wirklich glaubt, oder ob seine wiederholt geäußerte Beschuldigung als rhetorische Wendung gedacht war, die seine Hardline-Kritiker beschwichtigen sollte.

Dem Präsidenten muss bekannt sein, dass es keinen Beweis dafür gibt, dass der Iran jemals ein Atomwaffenprogramm betrieben hat bzw. betreibt. Jeder relevante Geheimdienst der Welt hat diese Tatsache über ein Jahrzehnt lang bestätigt. Zwei Einschätzungen der Geheimdienste der Vereinigten Staaten von Amerika, die 2007 und 2011 veröffentlicht worden sind, unterstreichen das. Auch die Internationale Atomenergieagentur hat immer wieder bestätigt, dass der Iran kein nukleares Material für irgendwelche militärische Zwecke abgezweigt hat.

Sogar israelische Geheimdienstanalysten sagen übereinstimmend, dass der Iran für Israel “keine Gefahr” darstellt.

Ironischerweise haben Kritiker des Interimsabkommens recht, wenn sie sagen, dass der Iran wenig aufgegeben hat. „Durch sein Eingehen auf die P5+1-Forderungen hat der Iran sich im Wesentlichen dazu überreden lassen, etwas zeitweise zu unterlassen, was er nie tun wollte – eine Atomwaffe herstellen,“ schreibt Beeman. „Die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre Alliierten … gingen von der unwahrscheinlichen Annahme aus, dass die Verfügbarkeit von angereichertem Uran sofort eine Atomwaffe zur Folge hätte. Das ist ein Riesenfehler – so groß, dass man annehmen muss, dass das in Wirklichkeit für die Öffentlichkeit aufgebauscht ist.“

Als Gegenleistung für seine Zustimmung, mit etwas aufzuhören, was zu tun er nie beabsichtigt hat, wird der Iran die geringfügigste Entlastung von den Wirtschaftssanktionen bekommen, die so viel Leiden über das Volk gebracht haben.

Es gibt auch noch eine andere Ironie. Die Reaktionäre auf allen Seiten – eingeschlossen der Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika – opponieren gegen die Annäherung zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten von Amerika teilweise aus denselben Gründen.

Nehmen wir die Hauptgegner des Abkommens: Israel und Saudiarabien. Beide sind unter den engsten Verbündeten der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika im Mittleren Osten. Aus teilweise sich deckenden Gründen hassen beide die Vorstellung, dass der 34 Jahre alte Kalte Krieg zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Iran zu einem Ende kommt.

Saudiarabien, militärisch gut gerüstet von den Vereinigten Staaten von Amerika, ist ein arabisches sunnitisches Moslem-Königreich. Iran ist der große einflussreiche persische Staat, der von der anderen Seite der islamischen Spaltung beherrscht wird: den Schiiten. (Was der Iran als Persischen Golf bezeichnet, nennen die Araber den Arabischen Golf.) Der Iran war ein Klientenstaat der Vereinigten Staaten von Amerika bis 1979, als die Islamische Revolution den repressiven Schah stürzte, den die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika an die Macht gebracht hatte, nachdem sie 1953 eine demokratische Regierung gestürzt hatte. Saudiarabien, das unter dem Schutz des amerikanischen nuklearen Schirms steht, will den Iran nicht wieder in der Gunst der Vereinigten Staaten von Amerika sehen, da das seine Bedeutung im Mittleren Osten schwächen würde.

Israel, der weltgrößte Empfänger von militärischer Rüstung der Vereinigten Staaten von Amerika, eine Atommacht und daher das mächtigste Land in der Region, hat seine Macht benutzt, um die Palästinenser zu unterjochen, systematisch ihr Land zu stehlen und seine Nachbarn zum Beispiel dadurch einzuschüchtern, dass es immer wieder in den Libanon eindringt. Seine Führung muss Feinde produzieren, um die Welt von ihrer menschenverachtenden Politik abzulenken, die die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, gedrängt von der Israel-Lobby, möglich macht. Daher werden die Iraner, die immer wieder Friedensangebote gemacht haben, als eine „existenzielle Bedrohung“ hingestellt, was völlig absurd ist: sogar wenn jemand von all den fantastischen Annahmen ausgehen würde, die es bräuchte, um den Iran ausgestattet mit einer Atomwaffe zu sehen, was würde das schon ausmachen gegen Israel, das hunderte Atomwaffen besitzt, einige davon auf unverletzlichen Unterseebooten?

Yoel Guzansky, ein ehemaliges Mitglied des israelischen nationalen Sicherheitsrates, ließ die Sau heraus, als er das Interimsabkommen verdammte, da es „dem Iran schriftlich bestätigt, dass er ein legitimes Land ist.“ Wie scheinheilig.

Das iranische Volk mit seiner großen, gebildeten Mittelklasse würde die Freundschaft mit Amerika begrüßen. Sowohl das iranische wie auch das amerikanische Volk hätten Vorteile aus Handel, Tourismus und anderen persönlichen Kontakten.

Darüber hinaus würde eine solche Freundschaft unweigerlich die iranische Theokratie schwächen – aus diesem Grund sind die Hardliner auf allen Seiten entschlossen, sie zu verhindern.

Orginalartikel „Iran: It’s Not about Nuclear Weapons“ vom 26. November 2013

Quelle: http://antikrieg.com/aktuell/2013_11_27_iran.htm