Wenn man derzeit den Redebeiträgen im Jenaer Stadtrat folgt, ist es die Frage wie man ihm folgt. Recht und Ordnung scheinen dabei nicht mehr das vorrangige Bedürfnis zu sein, eher die persönliche Darstellung eigenen Meinungen stehen immer öfter im Vordergrund. So auch geschehen zu Beginn des Stadtrates am 26.11.2013.
Nachdem Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter im Rathauseingang die ersten 4577 Unterschriften vom Eichplatzmoratorium in Empfang genommen hatte, ergriff er zu Beginn des Stadtrates das Wort und gab eine persönliche Erklärung (Minute 3:13 – 16:53 im Audio) ab. Eine aktuelle Stunde zum Eichplatz hatte er jedoch im Vorfeld auf Antrag der Linken und der Bürger für Jena abgelehnt. Er selbst nahm sich das Recht zur Rede zum Eichplatz am Anfang des Sitzungsverlaufes im Stadtrat heraus. Und schuf sich so eine Möglichkeit auch vor der Kamera von JenaTV seine persönliche Interpretation der Situation dem zuhörenden Volke zu präsentieren.
In seiner Rede sprach er von einem Riss, der durch Jena durch die Familien und Arbeitskollektive gehe, vergaß dabei aber zu erwähnen, dass dies seine ganz persönliche Meinung sei. Eher versuchte er den Eindruck zu verbreiten, dass es hier um ein gesamtstädtisches Problem gehe. Er werde wie ein Schwerverbrecher behandelt, führte Schröter weiter aus, jedoch blieb er die Fakten dazu schuldig. Und damit der für ihn sicher nicht einfachen Erklärung, wie es denn zum längst stark gewachsenen Widerstand zu den aktuellen Bebauungsplänen auf dem Eichplatz gekommen ist. “Wir sollten als Gesellschaft nicht weiter auseinanderdriften”, so Schröter, fragte aber nicht nach, woran dies wirklich liege, sondern stellte dies einfach nur fest. Man müsse die Kommunikation verbessern, so Schröter, weshalb diese nicht schon lange verbessert worden ist, ließ er offen. Er habe mit Bürgern geredet, die dachten auf dem Eichplatz entstehen Betonklötzer.
Inwieweit dieses anonyme Beispiel durch die Intransparenz der eigenen Verwaltung zustande gekommen ist, schien ihm dabei fern. Eher beiläufig erwähnte Schröter, dass der Bebauungsplan für den Eichplatz noch ein weiteres mal und wieder vollständig ausgelegt werden muss. Dass dies ein absolutes Versagen der Verwaltungsarbeit bedeutet, ließ er auch dabei unerwähnt. “Wir müssen sachgerecht reden”, forderte er die Zuhörer auf. Dies kurz nachdem er selbst dargelegt hatte, dass offensichtlich „die Sache“ mit dem Eichplatz nach wie vor nebulös behandelt wird. Dass seit über drei Jahren verschiedene Bürgerinitiativen den offenen Dialog suchen und ihn dank der Verwaltung nicht finden, war ihm auch keines Wortes wert. Sprüche wie: “Es wird Schadensersatzansprüche geben”, “Wir finden dann keine Investoren mehr”, “Wir haben uns in Jena gegen einen Konsumtempel erfolgreich gewehrt” oder “Im Dialog mit dem Bürger muss eine Lösung gefunden werden” kann man angesichts der vergangenen Jahre nur noch Populismus * kurz vor einer anstehenden Beschlussfassung nennen. Wichtig war nur, seine eigene und ganz persönliche Sicht der Dinge zu präsentieren.
Selbst die sachlichen Nachfragen der gewählten Linken-Fraktion unter welchem Recht er diese Ansprache gehalten habe, findet Jenas OB nicht “gehörig”. Obwohl er so von einem stark werbenden Rederecht Gebrauch gemacht hat, das ihm laut der Geschäftsordnung des Stadtrates nicht zugestanden hätte. Es sei denn, es wäre so beschlossen und Gegenreden in Form einer aktuellen Stunde zum Thema zugelassen worden. Rechtsamtsleiter Martin Pfeiffer wusste auf den Zuruft des Oberbürgermeisters auch nur zu antworten: “Ich möchte mir die Zeit dafür nehmen, das in Ruhe zu prüfen.” Wann und wo es dann dazu die Antworten geben wird, wurde leider nicht verraten. Ein Teilnehmer unter den Gästen im Saal meinte dazu nur: “Es war eine Predigt wie von der Kanzel!”
Erklärung: Populismus (lat.: populus, „Volk“) bezeichnet eine um „Nähe zum Volk“ bemühte Politik, die Unzufriedenheit, Ressentiments, Ängste, Hoffnung und aktuelle Konflikte ausdrückt oder instrumentalisiert, indem sie Gefühle anspricht und einfache Lösungen vorstellt.
29. November 2013