Anlässlich der Neuerscheinung des Buches „Amerikas Kriege(r)“ von Prof. Paul Craig Roberts im November 2013 im Weltbuch-Verlag möchten wir den in Österreich lebenden Übersetzer des Werkes, Klaus Madersbacher vorstellen und ihm einige Fragen stellen.
RU: Guten Tag, Klaus, wir freuen uns, dich zu diesem Gespräch begrüssen zu können.
K: Grüß dich Petra, die Freude ist ganz meinerseits.
RU: Seit wie vielen Jahren gibt es die Website antikrieg.com, die von dir betrieben wird?
K: antikrieg.com besteht seit Januar 2009, wird also in diesen Tagen 5 Jahre alt. Damals lief gerade der Überfall Israels auf das praktisch wehrlose Gaza („Operation Vergossenes Blei“).
RU: Zahlreiche Beiträge von zumeist U.S.-amerikanischen Autoren, deren Analysen und Einschätzungen im Internet zu den Entwicklungen der weltweiten Ausdehnung bewaffneter Konflikte oder innenpolitischen Auseinandersetzungen erscheinen, werden von dir für den deutschsprachigen Leserkreis übersetzt und kostenlos zur Verfügung gestellt. Was waren deine Beweggründe, die Texte dieser Autoren in deutscher Sprache bereit zu stellen?
K: Begonnen hat es im März 1999, als die NATO Jugoslawien überfiel, sehr zu meinem Leidwesen. Genau in dieser Zeit bekam ich Zugang zum Internet, wobei ich als alter Kurzwelle-Hörer schon einige URLs kannte, z.B. beograd.com, wo ich dann gleich auf eine Reihe von Links stieß, unter anderem Antiwar.com. Bald fiel mir Jared Israels „The Emperor´s New Cloths“ auf, wo Artikel zu finden waren, die mir besonders zusagten. Ich bot Jared an, diese in die deutsche Sprache zu übersetzen, und er eröffnete daraufhin eine deutschsprachige Sektion. Einige Artikel, etwa Sean Gervasi‘s ‚Warum ist die NATO in Jugoslawien?‘ – eine ganz unglaublich fundierte und nach wie vor aktuelle Arbeit – sind auch auf antikrieg.com zu finden.
Vor etwa sieben Jahren stieß ich auf Lutz Forster. Lutz ist praktisch mein Vorgänger, der etwa alle zwei Tage einen von ihm übersetzten Artikel auf seine Website lutz-forster.de (gibt´s nicht mehr) postete und bei dem ich dann mitmachen konnte. Leider nicht lange, weil bei Lutz bald danach ein Lungenkrebs im Spätstadium diagnostiziert wurde, worauf er seine Arbeit einstellte und bald darauf starb. Ehre seinem Andenken!
Bald danach entdeckte ich Robin Philpot‘s ‚Rwanda 1994 – Colonialism Dies Hard‘, das es nur in der französischen Originalfassung auf Papier gibt, während die englische und deutsche noch immer „nur“ im Internet zu finden sind. Meiner Ansicht nach ist es das einzige Buch über Afrika, das wirklich lesenswert ist. Dieses Buch „musste“ also übersetzt werden…
Apropos übersetzen: für mich ist das eine Tätigkeit, die meine grauen Zellen in Bewegung hält, was mich hoffentlich vor Alzheimer schützen wird. Der Aufwand dafür ist in erster Linie ein Zeitaufwand, die Kosten für den Betrieb einer Website sind ja kaum der Rede wert. Natürlich ist erfreulich, wenn sich herausstellt, dass diese Arbeit Anklang findet, worüber ich mich wahrlich nicht beklagen kann und natürlich sehr freue.
Kurz nach meiner Pensionierung vor etwas über fünf Jahren war ich natürlich tagtäglich im Internet, antiwar.com zum Beispiel, und sah mich um. Die Israelis tobten gerade in Gaza herum und Gideon Levy schrieb den Artikel „Zeit der Gerechten“ in Ha‘aretz. Dieser beeindruckte mich dermaßen, dass ich ihn übersetzte, Gideon Levy um die Genehmigung fragte, ihn veröffentlichen zu dürfen, und auf sein Ja hin einen freien Domainnamen suchte, zu meiner größten Verwunderung sah, dass antikrieg.com noch frei war, und sofort diese Website einrichtete. Wie es dann weiterging, lässt sich im Archiv ersehen.
Die Autoren kommen zum größten Teil aus den Vereinigten Staaten von Amerika, einige aus Großbritannien und dem englischen Sprachraum, und eine Reihe kommt aus Israel – der bereits erwähnte Gideon Levy zum Beispiel, der noch immer in Ha‘aretz schreibt und noch immer bzw. immer mehr für seine Texte abgewatscht wird. Selbst aus der Tradition der Judenvernichtung kommend liegt mir sehr daran, nicht den leisesten Antisemitismus aufkommen zu lassen. Besonders gerne übersetze und poste ich daher Artikel, denen das hohe kulturelle Niveau anzumerken ist, das die jüdische Kultur in Europa, besonders in Deutschland und Osteuropa gekennzeichnet hat. Analysen wie etwa Oded Na‘amans ‚Die Kontrollstelle“ sind rar wie Diamanten und sind mir hierzulande noch nie untergekommen.
Die antikrieg.com-Autoren kommen zu einem großen Teil aus dem Hochschulbereich. Wenn ich mir so anhöre, was unser Hochschulbereich zu den Themen der Weltpolitik zu sagen hat, dann kommt mir manchmal vor, dass ich da eigentlich schon eine wichtige Aufgabe übernommen habe …
Es gibt natürlich eine Reihe von guten deutschen Autoren. Die sind allerdings kaum auf antikrieg.com zu finden, weil sie nicht in englischer Sprache schreiben, Ausnahmen bestätigen die Regel – in einigen wenigen Fällen gibt es deutsche Autoren wie Jörg v. Paleske, von dem etwa rechtliche Abhandlungen über den NATO-Überfall auf Libyen zu finden sind, wie sie im englischen Sprachraum nicht zu finden waren. Nur dann, wenn ich in besonderen Situationen nichts „passendes“ finde, schreibe ich selbst einen Artikel. Aber meistens kommt einer dahergeflattert, von Eric Margolis, Bob Koehler oder ähnlich großartigen Journalisten, in dem das drinsteht, was Sache ist.
RU: Auf fast täglicher Basis erscheinen diese Beiträge, die von dir aus einer grossen Zahl von Veröffentlichungen ausgesucht werden. Welche Kriterien bei der Auswahl sind für dich dabei besonders ausschlaggebend?
K: Die große Zahl von Veröffentlichungen wird mir in erster Linie über antiwar.com zugänglich, das ja in erster Linie aus Links zu einer Vielzahl von Zeitungen und Websites auf aller Welt besteht. Ich versuche nur, die interessantesten Artikel aus diesem riesigen Pool herauszufischen.
Für mich ist ausschlaggebend, dass die politischen Vorgänge sichtbar werden. Welche Gruppen welche Interessen verfolgen, was dahinter steckt, was sie erreichen wollen – das finde ich selbst interessant und übersetze es daher. Oft sind es nur kleine Schnappschüsse, die ein neues Mosaiksteinchen im großen „Spiel“ zeigen. Dieses Spiel ist für die Menschen in den „Krisenregionen“ tödlich, und wenn wir uns ständig die Sicht auf die wahren Ursachen vernebeln lassen, dann würde mich nicht wundern, wenn es uns genauso erwischt. „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“ – na ja, klingt recht einfach …
RU: Nicht zuletzt auch aufgrund deiner Arbeit wurden viele Zusammenhänge des weltpolitischen Geschehens diskutiert, die systemgemäss in den Massenmedien gemieden werden.
K: Das ist wohl das Gute am Internet, dass die Verbreitung von Inhalten sehr schnell und gut funktioniert. Nachdem die Wahrheit an sich nicht abwegig ist und oft auch leicht verständlich, wollen die Menschen sie hören und verbreiten sie auch weiter. Es kann schon sein, dass die eine oder andere Botschaft von antikrieg.com aus größere Kreise zieht, warum auch nicht?
RU: Im Weltbuch-Verlag erschien Ende letzten Jahres das Buch „Amerikas Kriege(r)“ von Paul Craig Roberts, in dem die von dir übersetzten und auf antikrieg.com bereitgestellten Artikel in chronologischer Abfolge seit Mai 2009 bis Oktober 2013 zusammengestellt wurden.
Prof. Paul Craig Roberts hatte in der Reagan-Regierung eine wichtige Funktion im U.S.-Wirtschaftsministerium, war in den siebziger Jahren Wirtschaftsberater für einen Kongressabgeordneten der Republikaner, Mitglied in bedeutenden amerikanischen Wirtschaftsinstituten und in leitenden Positionen in Zeitungen wie dem Wall Street Journal. Roberts wurde zu einem entschiedenen Gegner des expandierenden Militarismus der Vereinigten Staaten von Amerika. In seinen Artikeln hält er schärfste Abrechnung mit den U.S.-Regierungen, die sein Land von einem Krieg in den nächsten führen.
Als Nachschlagewerk für die jüngere Geschichte der globalen Zusammenhänge der Kriegsereignisse, ihre Hintermänner und Geldflüsse füllt dieses Buch eine große Lücke. Mit seiner knappen, verständlichen Ausdrucksweise versteht es Roberts, Ereignisse auf den Punkt zu bringen und ermöglicht so einer breiten Bevölkerung, die Politik zu verstehen und eigene Schlussfolgerungen zu ziehen.
Wie kam es zu diesem Projekt mit dem Verlag?
K: Das weiß ich (noch?) nicht. Allerdings hegte ich schon seit einiger Zeit den Wunsch, eine Reihe von „wichtigen“ Artikeln in Buchform herauszubringen, einfach der besseren Übersichtlichkeit wegen. Selbstverständlich war ich höchst erfreut, als der Weltbuch Verlag Interesse zeigte, Paul Craig Roberts‘ Artikel als Buch herauszubringen. Ich war selbst sehr beeindruckt, als ich das Buch zum ersten Mal in meinen Händen hielt. Es gäbe noch einiges im Archiv, mit dem man ähnliche Bücher füllen könnte …
RU: Auf antikrieg.com findet man ein gut sortiertes Archiv, in dem alle Beiträge der vergangenen Jahre enthalten sind. So kann man die Auswahl nach Autoren, nach Erscheinungsmonat, nach Region/Kontinent oder nach bestimmten Ereignissen wie den Kriegen gegen Afghanistan, den Irak oder Jugoslawien treffen.
Darüber hinaus wurden von dir auch andere wichtige Schwerpunkte gesetzt, die unter „Links“ zu finden sind. Auf welche möchtest du unsere Leser besonders hinweisen?
K: Eine ganz außergewöhnliche Rarität im deutschen Sprachraum sind Mark Twains „Briefe von der Erde“, die 1969 in deutscher Sprache erschienen und bald darauf so gut wie gänzlich verschwunden sind. Die sind auf antikrieg.com zu finden, wenn auch in einer nicht besonders guten Übersetzung, die ich schon längst überarbeiten wollte …
Dann gibt es einen Link zu einer Versandbuchhandlung, bei der man Mark Twains „Der geheimnisvolle Fremde“ bestellen kann. Meiner Ansicht nach sind die beiden eben genannten Werke von Mark Twain Bücher, die man gelesen haben sollte. Mark Twain, der große und unermüdliche Kämpfer gegen den damals aufkommenden amerikanischen Imperialismus, gegen Kolonialismus, Rassismus und was immer an Übeln in der Menschheit sein Unwesen treibt, sollte schon längst aus seiner Ecke als „Kinderbuchautor“ herausgeholt werden, in die man den höchst Unbequemen bequemerweise hineinmanövriert hat.
Das bereits erwähnte Buch von Robin Philpot, dem ich den deutschen Titel „Ruanda 1994 – die inszenierte Tragödie“ gegeben habe, empfehle ich natürlich ganz besonders. Es zeigt in aller Deutlichkeit auf, wie tief der Rassismus in der „westlichen“ Gesellschaft verwurzelt ist und geißelt diesen erbarmungslos und sehr fundiert. Vieles von dem, was der „Westen“ zur Zeit in Afrika betreibt, wird hier bereits sichtbar, so dass dieses Buch meiner Ansicht nach noch immer höchst aktuell ist. Der Link führt auf die kanadische Website Taylor Report, wo das Buch problemlos gelesen oder heruntergeladen werden kann.
RU: Sind auch andere Sachen von dir im Internet zu finden, auf die du unsere Leser noch hinweisen möchtest?
K: Ein paar recht hübsche Fotos und andere Werke sind auf meiner virtuellen Spielwiese www.playinglights.com zu finden. Übrigens auch eine Fotoserie von einem Sonnenuntergang in Florida, die mir Paul Craig Roberts freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. (Wir sind also nicht nur finstere Typen, die immer gegen alles sind 🙂
RU: Das freut mich ganz besonders zu hören und mir möchten allen Lesern einen Besuch auf deine sehr informative und übersichtliche Website „antikrieg.com – Gegen Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung“ empfehlen und sich dort umzuschauen.
Lieber Klaus, wir danken dir für dieses Gespräch und wünschen dir weiterhin alles Gute und viel Erfolg bei deiner weiteren Arbeit. Vor allem danken wir dir für die jahrelange fruchtbare, anregende und unkomplizierte Zusammenarbeit mit Radio Utopie.
20.Januar 2013
Anm. für Interessenten: Bestellung des Buches „AMERIKAS KRIEGE(R)“ von Prof. Dr. Paul Craig Roberts (USA) beim Weltbuch-Verlag
Das Gespräch führte Petrapez, Redakteurin und Autorin von Radio Utopie.