„Klarer Beweis: von langer Hand vorbereitet.“

Die Rede von Dr. Carola Eckstein, Parkschützerin, auf der heutigen 209. Montagsdemo der Bürgerbewegung gegen „Stuttgart 21“ (S21). Titel der Rede: „Stille Post bei Polizei und Justiz“. Die 209. Montagsdemo steht unter dem Motto „Im Zweifel gegen den Angeklagten!“ und beginnt um 18 Uhr auf dem Stuttgarter Marktplatz.

Ausgangspunkt ist eine Parkschützer-Aktion vor zwei Jahren vor dem Staatsministerium: Gehäckselte Bäume vom Wagenburgtunnel für MP Kretschmann, der von gefällten Bäumen nichts wissen will – eine gelungene Aktion. Unsere Freunde und Helfer tauchen erst auf, als die Aktion schon vorbei ist. Immerhin bekommt die Polizei noch mit, dass es ein großes Banner gibt, einen Haufen Hackschnitzel, einen Trauerkranz mit Aufdruck und ein Holzkreuz.

Der Polizist, der als letztes dazu kam, als dann wirklich alles vorbei war, schreibt einen Bericht, aus dem vor allem eines hervorgeht: Die Information, die er von seinen Kollegen bekam, ist dürftig, allein die Requisiten der Aktion sind detailliert beschrieben. Und letztere haben unseren Polizisten offenbar beeindruckt. Ein so großes Banner, ein Trauerkranz mit passender Aufschrift – das muss von langer Hand vorbereitet sein, so seine Bewertung im Polizeibericht.

Offenkundig ist genau das in den Augen vieler Ordnungshüter schon ein Vergehen – S21-Gegner, eine Aktion, von langer Hand vorbereitet – unerträglich! Das kann man zwischen den Zeilen des Berichts lesen.

Der offiziell unterstellte Straftatbestand: Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Als Täter werden kurzerhand die einzigen beiden Personen genannt, die namentlich bekannt sind: Matthias von Herrmann und ich. Der erste Polizist vor Ort gibt noch an, ich habe mich mit ihm unterhalten, weil er mich angesprochen hatte. Im Verlauf des Berichts wird daraus ‚organisatorisches Handeln‘ meinerseits.

Es gibt nun also einen Polizeibericht, der wenig Tatsächliches zu berichten hat, der viele Requisiten beschreibt und vor allem die Weltsicht eines Polizisten darstellt, vermutlich – und das finde ich besonders erschreckend – ganz unbewusst. Der Bericht wird weitergereicht; mitsamt der Bewertung ‚augenscheinlich gründlich geplante Aktion‘ und ‚Verstoß gegen das Versammlungsgesetz‘, sowie mit Matthias und mir als Täter: Diverse Polizisten, Sachbearbeiter und Staatsanwälte vervielfältigen die Geschichte per copy-paste – und jeder tut, was ihm einfällt, um die einmal gefasste Bewertung zu untermauern. Hinterfragt wird nichts, die Geschichte ist geschrieben, es geht nur noch darum, sie auszustaffieren.

Man findet heraus, dass der Kranz am Nachmittag zuvor – einem Montag – in der Nähe des Bahnhofs gesehen wurde. Klarer Beweis: von langer Hand vorbereitet. Dass nicht nur der Kranz, sondern auch die Hackschnitzel und das Kreuz am Abend zuvor auf der Montagsdemo im Einsatz waren, entgeht der Polizei ebenso wie der Staatsanwaltschaft. Auch das große, eindrucksvolle Banner war von einer früheren Aktion recycelt; die Polizei bemerkt aber nicht, dass sie es schon einmal beschlagnahmt hatte. Schließlich dient die Beschaffung dieses ‚Großtransparentes‘ als Beleg dafür, dass es sich um eine langfristig geplante Aktion handeln muss.

Keiner der weiteren Bearbeiter stellt die Schlussfolgerungen des ursprünglichen Berichts in Frage. Man erfährt an keiner Stelle, worin mein angeblich ‚organisatorisches Handeln‘ besteht, das mich laut Polizei zur Versammlungsleiterin einer zwar ‚gründlich geplanten‘, aber nicht angemeldeten Versammlung macht. Einziges Indiz, ganz am Anfang der Berichts-Geschichte: Der erste Polizist vor Ort hatte mich angesprochen, ich hatte ihm daraufhin eine Presseerklärung ausgehändigt, die im Laufe der Berichte zum verteilten Flugblatt mutiert.

Die Staatsanwaltschaft führt aus:

„Veranstalter einer Versammlung ist, wer die spezifische Gruppenbildung veranlasst, etwa indem er im eigenen Namen Einladungen ausspricht, öffentlich zur Teilnahme auffordert oder die Veranstaltung organisatorisch vorbereitet und ein gewisses Maß von Verantwortungsbewusstsein für die Veranstaltung hat oder durch seine Handlungsweise dokumentiert“.

Kein Hinweis, dass wir irgendetwas dergleichen getan hätten. Als Indiz, dass genau wir Veranstalter in diesem Sinne, also Täter sein müssen, nennt die Staatsanwaltschaft schließlich die Tatsache, dass wir ‚beide unter der selben Anschrift wohnhaft gemeldet sind‘. Viele erstaunliche, fragwürdige oder schlicht falsche Details könnte man aufzählen, aus diesem Fall oder aus den vielen anderen Fällen, in denen die Polizei à la Karl May Berichte schreibt, die – von der Staatsanwaltschaft noch etwas ausgeschmückt – in mehr oder weniger absurden Gerichtsverfahren münden.

In unserem Fall lehnt es das Amtsgericht zunächst ab, auf dieser Grundlage einen Strafbefehl auszustellen – kein hinreichender Tatverdacht – die Staatsanwaltschaft besteht trotzdem auf einem Strafbefehl. Unser Glück: Wir können eindeutig nachweisen, was an den Berichten, Bewertungen und Schlussfolgerungen alles falsch ist. Die Beamten, die als Zeugen geladen sind, sagen ehrlich und plausibel aus, dass sie sich an nichts erinnern können. Nur einer zitiert den Bericht als eigene Erinnerung – und kann widerlegt werden.

Die Beweislast zu unseren Gunsten ist so eindeutig, dass schließlich selbst die Staatsanwaltschaft sich genötigt sieht, den Freispruch zu beantragen – seltenes Glück. Trotzdem behält sich die Staatsanwaltschaft das Recht vor, gegen die Freisprüche in Revision zu gehen – weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Die meisten Fälle gehen leider nicht so erfreulich aus und die Betroffenen haben nicht nur den Ärger, sondern auch hohe Kosten. Damit Protest und Aktionen gegen S21 nicht zum finanziellen Problem werden, gibt es den Rechtshilfefonds ‚Kritisches Stuttgart‘. Neben den üblichen gelben Umkehrbar-Spendendosen sind heute auch Rechtshilfe-Spendendosen unterwegs. Dank vieler großer und kleiner Spenden kann der Rechtshilfefonds uns allen den Rücken stärken, gegenüber einer Justiz, die im Zweifel auch gerne gegen den Angeklagten entscheidet.

Oben bleiben!

Unterstützerkonto der Parkschützer:
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