Untersuchungsausschuss zur Edathy-B.K.A.-Affäre: Polizeitag statt Bundestag?
Offenbar soll der Untersuchungsausschuss zur Affäre um den ex-Abgeordneten Edathy, das Bundeskriminalamt und leitende Regierungsfunktionäre für deren Zwecke umgedreht und instrumentalisiert werden
Zur Zeit bereitet der von manchen verkürzt „Geschäftsordnungsausschuss“ genannte Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Bundestages den Untersuchungsausschuss zur Staatsaffäre um den ehemaligen Vorsitzenden von Innenausschuss und N.S.U.-Untersuchungssausschuss Sebastian Edathy vor. Nervös wird u.a. das Bundeskriminalamt sein, dessen für die Bekämpfung von Kinderpornografie zuständiger Kriminaldirektor beim selben Kinderporno-Händler wie Edathy einkaufte und dafür vom B.K.A. und seinem Präsidenten Jörg Ziercke ohne lästiges Aufsehen mit 4.000 Euro monatlich in Pension geschickt wurde. Nervös wird sicher auch der heutige Kanzleramtsleiter und vormalige Staatssekretär im Innenministerium Klaus-Dieter Fritsche sein, dessen Innenministerium von dieser Kinderporno-Affäre im B.K.A. Anfang 2012 „eine mündliche Information“ bekam.
Es kann nun vermutet werden, dass der Untersuchungsausschuss zu dieser Staatsaffäre, die in den letzten Wochen wie üblich von Presse und Parteien mehr oder weniger verdrängt wurde, u.a. dazu benutzt werden soll ausgerechnet die Geheimpolizei B.K.A. noch weiter zu ermächtigen, wie üblich unter dem maximal zynischen Argument es müsse nun endlich richtig die Kinderpornografie bekämpft werden.
Wie die „Frankfurter Rundschau“ vor einigen Tagen berichtete, wollen die in den entsprechenden Schlüsselpositionen geparkten Bundestagsabgeordneten aus „Sozialdemokratischer Partei Deutschlands“ und „Christdemokratischer Partei Deutschlands“ statt über die Staatsaffäre lieber „über die strukturellen Probleme bei der Bekämpfung von Kinderpornografie insgesamt“ reden.
Der C.D.U.-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster, Mitglied der „International Police Association“ und Funktionär der „Bundespolizeigewerkschaft“ (der insbesondere die Sorgen und Nöte der Sondereinheiten am Herzen liegen), kündigte schon mal an, die Mutti aller Koalitionen in Berlin werde versuchen die Dauer des Aussschusses über 10 Sitzungen hinaus auszudehnen und machte die diesbezügliche Ansage:
„Sie können sich auf eine intensive Zusammenarbeit mit uns freuen.“
Sein Kollege aus der „Gewerkschaft der Polizei“ Uli Grötsch, nebenberuflich Volksvertreter für die S.P.D. im Bundestag, äußerte ebenfalls vielsagend, so ein Untersuchungsausschuss könne
„eine ganz eigene Dynamik entwickeln“.
Ex-Polizisten (und damit immer Polizisten) Schuster und Grötsch hatten schon bei der Bundestagsdebatte am 22. Mai geglänzt, als der Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses in den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung verwiesen worden war. Es war mehr eine Art Polizeidebatte in einem Polizeitag. Man war vom Fach. Man kannte sich. Man schätzte sich. Man schützte.
Nur.. wen?
MdB Schuster machte gleich zu Anfang seiner Rede erstens klar worum es ihm ging und zweitens den Grünen:
„Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Mihalic, über Sie als ehemalige Polizeibeamtin – wir sind Berufskollegen – bin ich manchmal verwundert. Wie Sie es fertigbringen, Tatsachen seit Monaten zu verdrehen, ist wirklich einzigartig. Dass Sie aber jetzt auch noch damit werben, Sie würden beim BKA versuchen, Vertrauen herzustellen, stellt die Dinge nun wirklich auf den Kopf.“
MdB (oder eher MdP?) Grötsch bekam vor seiner Rede von Bundespolizeivizepräsidentin, oh, ich habe mich verschrieben, Claudia Roth gleich die entsprechende Einführung:
„Vizepräsidentin Claudia Roth:
Nächster Redner in der Debatte ist Uli Grötsch, auch ehemaliger Polizeibeamter, für die SPD-Fraktion.(Beifall bei der SPD)
Uli Grötsch (SPD):
Der vierte Polizeibeamte in der Reihe. „
Mdwhatever Grötsch sorgte sich dann auch explizit um das Wohl und Wehe von B.K.A.-Kriminaldirektor Karl-Heinz Dufner, der Anfang 2012 so „sanft entsorgt“ worden war.
„Meine Bauchschmerzen nehmen noch mehr zu, wenn ich an die Persönlichkeitsrechte des schon genannten Beamten denke. Wir vermissen eine besondere Rechtfertigung dafür, warum wir einen einzelnen Beamten einer solch intensiven parlamentarischen Kontrolle und medialen Aufmerksamkeit unterwerfen wollen. Es war ja eine private Verfehlung und keine dienstliche Verfehlung, und der Beamte war kein Staatssekretär oder Minister,
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN]: Jetzt wird es spannend!)sondern ein Beamter einer Bundesbehörde. Wollen wir wirklich die privaten Verfehlungen eines einzelnen Beamten zum öffentlichen Spektakel machen, liebe Kolleginnen und Kollegen?
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt ein Beamter?)
Wohin soll ein solches Vorgehen führen? Wenn überhaupt, dann müssen wir diesen Untersuchungsabschnitt klar begrenzen auf die mögliche Beteiligung der politischen Leitungsebene beim Umgang mit diesem Vorgang.“
Nun erinnere man sich: Internet-Sperren und das B.K.A.-Gesetz (das seitdem es kurz vor Weihnachten 2008 mit einer Stimme Mehrheit durch den Bundesrat gepeitscht wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht auf seine Verfassungsmäßigkeit hin beurteilt worden ist) waren vom Parlament beschlossen worden mit dem Argument die Bevölkerung vor allem Möglichen beschützen zu müssen, nur eben nicht vor sich selbst, den Beschützern.
Wie breit nicht nur die Mehrheiten in Bevölkerung und Bundestag, sondern auch deren Tischlampen sind, bewies u.a. Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher genau der Bundestagsfraktion, die seit Jahrzehnten gegen alles kämpft was u.a. im Internet gut und schön ist und alles andere für ihren Kampf benutzen will.
Im Zuge der Staatsaffäre um die S.P.D.-Größe Edathy und das B.K.A. war u.a. ans Tageslicht gekommen, dass auch die Telekommunikation der Abgeordneten des Bundestages ausspioniert, sorry, „gespeichert“ werde. So eine Überraschung, sagte sich Lars Klingbeil. Das müsse „sofort abgeschafft“ werden. Auf die Idee er müsse das abschaffen, wäre auch dieser Abgeordnete von alleine wohl nie gekommen. Auch heraus zu finden, wer wann wie den Zugriff auf welche Daten von unter verfassungsmäßig garantierter (und nur in der Geschäftsordnung verankerten) Immunität stehenden Abgeordneter hat… boah, wäre das mühsam. Och nee… schließlich tagt man im Bundestag sowieso nur 22 von 52 Wochen im Jahr (derzeit sind die hohen Herren und Damen übrigens mal wieder im Urlaub).
Ärgerlich, so scheint es, ist für die Geheimpolizei und ihren nebenberuflichen Polizeitag im Reichstagsgebäude am Internet vor allem, dass da außer Schweinkram auch anderes drin steht.
Und davor beschützt die Beschützer keiner.
(…)
16.04.2012 Bundestag: Änderung der Geschäftsordnung gescheitert, Euro-Extremisten laufen die Wand runter
Die am 22. März vom Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung nichtöffentlich und unter lautem Schweigen aller Fraktionen vereinbarte Änderung der Geschäftsordnung unseres Parlaments ist gescheitert.
02.04.2012 Bundestag: Parteien versuchen Einschränkung der Rechte von Abgeordneten und Parlament
Für Freitag, den 30. März, wird in aller Stille die Änderung von Artikel 93 Grundgesetz auf die Tagesordnung des Bundestages gesetzt. Der Gesetzentwurf selbst jedoch fehlt. Nach einem Bericht von Radio Utopie wird die Verfassungsänderung im Bundestag wieder fallen gelassen, ohne das der Gesetzentwurf bislang veröffentlicht wurde. Die Leitungen der Partei-Fraktionen im Bundestag versuchen die Kontrolle über das Rederecht von Abgeordneten zu erlangen und diesen bei abweichender Meinung von der “Führung” der Fraktion das Rederecht zu entziehen. Gleichzeitig werden die Gesetzentwürfe zu den “Beteiligungsrechten” des Bundestages am “Europäischen Stabilisierungsmechanismus” ESM, sowie zum Fiskalpakt ausgearbeitet, die die verfassungsmäßige Haushaltshoheit des Bundestages gewährleisten müssen.
In diesem Artikel sollen nun einige Zusammenhänge zwischen diesen Vorgängen aufgezeigt werden. Aufgrund der Komplexität des Themas zunächst eine Zusammenfassung.